Armutsrisiko im Bremer Stadtteil Gröpelingen bleibt hoch

Von
Renate Dwerlkotte  und Rita Sänze (r.) aus dem WiN-Quartiersmanagement
Oslebshausen und Gröpelingen bei der Diskussionsveranstaltung.

Nachdem der Bremer Senat den 2. Armuts- und Reichtumsbericht vorgelegt hatte, ging es am Montag, noch einmal um die konkrete Situation in Gröpelingen. Und dazu finden sich im Bericht erschreckende Zahlen.

Passenderweise im gerade erst eröffneten „Quartiersbildungszentrum Morgenland“ trug René Böhme vom Institut Arbeit und Wirtschaft (IAW) die statistischen Kennzahlen vor, die bei den Besuchern Emotionen hochkochen liessen.

Schließlich hat sich an der negativen Entwicklung in Gröpelingen – trotz aller vermeintlichen Anstrengungen – kaum etwas verändert. Die Forderung daher: „Ein Umdenken und Umsteuern muss stattfinden“, so zum Beispiel Thomas Schwarzer von der Arbeitnehmerkammer.

Die Zahlen aus dem Armutsbericht sind zwar nicht mehr ganz taufrisch, sondern untersuchen die Jahre bis 2012. Allerdings lassen auch die neueren Entwicklungen vermuten, dass sich an der Tendenz kaum etwas geändert hat.

Die Armutsquote hat sich verschlechtert

Nach den Kennzahlen hat sich nach Böhmes Ansicht die Situation in Gröpelingen in den vergangenen Jahren sogar negativ entwickelt. Danach hat sich in ganz Bremen die Armutsquote seit 2009 beständig verschlechtert und ist von 20,1 auf 24,6 Prozent gestiegen.

Dabei gehören alle vier Ortsteile in Gröpelingen mit zu den zwölf Quartieren mit der niedrigsten Einkommensdynamik. Ein Beispiel:  Das Durchschnittseinkommen im Ortsteil Ohlenhof betrug im Jahr 2012 17.432 Euro, in Oberneuland 83.842 und in Horn 108.842 Euro.

Die Schere ist weiter auseinander gegangen

Und seitdem ist die Schere sogar weiter auseinandergegangen. Während sich das Einkommen in Horn noch deutlich erhöht hat, stagnierte es in Gröpelingen, erläuterte Böhme.

Weitere Zahlen: Der Migrantenanteil im Ohlenhof lag 2012 bei 50 Prozent, in Horn bei 20,3 und in Oberneuland bei 17,4 Prozent.

Das hat Folgen: Die Sprachförderquote bei Sechsjährigen betrug im Ohlenhof (Jahre 2010-2012) 62 Prozent, in Horn 21,2 und in Oberneuland 15 Prozent.

Thomas Schwarzer (l., Angestelltenkammer) und René
Böhme (Institut Arbeit und Wirtschaft) im
„Quartiersbildungszentrum Morgenland“. (Fotos: Bollmann) 

Noch deutlicher wird das Ungleichgewicht im gleichen Zeitraum bei dem Anteil der Schulabgänger mit Abitur, die im Ohlenhof bei 15,4 Prozent, in Horn bei 81,8 und in Oberneuland bei 84,6 Prozent lag. So verfestigt sich die Armut im Stadtteil – und so ist es kaum verwunderlich, dass der Anteil der Kinderarmut, und der verfestigten Langzeitarbeitslosigkeit in Gröpelingen weiter Höchstwerte aufweist. Mit einer weiterhin negativen Dynamik.

Es gibt Handlungsspielräume

Böhme räumte zwar ein, dass wegen vieler Bundeszuständigkeiten, „die kurzfristige Senkung der Armutsquote mit Bremer Mitteln nicht zu erreichen ist.“ Es gebe aber Handlungsspielräume im Bereich der Sprachförderung, der frühkindlichen und der allgemeinen Bildung.  Wichtig seien zudem Verbesserungen bei der Schulqualität und Schulsozialarbeit, der Ausbau der Ganztagsschulen, sowie Angebote für Langzeitarbeitslose.

Dabei hätte die Politik allerdings häufig nicht die richtigen Weichenstellungen getroffen, erläuterte Schwarzer.  Beispiel U-3-Betreuung: Nach dem Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung „haben sich die Krippen nicht so verteilt, wie wir das wollten.“

Gerade in den besser gestellten Stadtteilen  sei der Ausbau vorangetrieben worden und nicht in den sozialen Brennpunkten. 70 Prozent der Kita-Plätze habe es in Stadtteilen wie Horn gegeben, wo sich die Elten auch eine private Betreuung hätten leisten können, kritisiert Schwarzer, und fordert ein Umdenken und Umsteuern.

„Es geht um Verteilungsfragen“

„Es geht um Verteilungsfragen. Da muss was passieren, das muss auf die politische Tagesordnung der neuen Regierung“, fordert Schwarzer.

Zustimmung dazu gab es auch von Ernst Schütte, Geschäftsführer der Waller Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft (WaBeQ), der ebenfalls eine bessere Steuerung durch die Stadt fordert: „Man müsste auf die Barrikaden gehen. Nicht, weil sich nichts gebessert hat, sondern, weil es sich eher noch verschlechtert hat.“

Das sich kaum etwas gebessert hat, ärgerte auch die Ortsamtsleiterin West, Ulrike Pala: „Seit 20 Jahren sind die Probleme bekannt“, meinte Pala und klagte  über die mangelnde Unterstützung durch die Politik: „Irgendwie fühle ich mich verarscht.“

Weitgehend Einigkeit herrschte in der Diskussion, dass die stadtweite Förderung  per Gießkannenprinzip nicht ausreichend sei, sondern Mittel künftig gebündelt in die benachteiligten Ortsteile gesteuert werden müsse.

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