Geschlossene Unterbringung: Keine Pläne, keine Träger

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Das Jugendgefängnis ist im Moment
die einzige Option für Richter. Foto: Schlie

Die Schaffung der geschlossenen Unterbringung für straffällig gewordene Flüchtlinge und Jugendliche wurde vor knapp zehn Monaten vom Senat groß angekündigt, doch noch immer prüft das Sozialressort. Mit Absicht, meinen Kritiker wie Befürworter der Einrichtung.

Die zunehmende Kriminalität am Hauptbahnhof wirft Fragen nach einer geschlossenen Unterbringung für straffällige Jugendliche auf – als ein Instrument, mit denen Richter Sanktionen verhängen können. Dabei schien der Fall eigentlich klar: Am 5. Februar 2015 hatte, trotz kontroverser Debatten, der damalige Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD) angekündigt, Bremen werde schnell eine solche Einrichtung schaffen. Doch fast zehn Monate später ist nichts zu sehen von der Einrichtung.

 

Träger aus Hamburg stellt Neubau als Bedingung

Auf Nachfrage erklärt das Sozialressort: „Wir haben in Hamburg einen Träger gefunden, der grundsätzlich bereit ist, eine geschlossene Unterkunft zu übernehmen“, sagt der Sprecher von Sozialsenatorin Anja Stahmann (Grüne), Dr. Bernd Schneider. In Bremen sei es nicht möglich gewesen, einen Träger zu finden, weil die entsprechenden Stellen „fachliche Schwierigkeiten“ mit dem Konzept hätten.

Der Hamburger Trägerverbund knüpfe seine Bereitschaft aber an Bedingungen, unter anderem, dass es einen Neubau geben müsse. Ein konkretes pädagogisches Konzept gibt es laut Schneider auch noch nicht.
Daran gibt es Kritik. So fehlt Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) die geschlossene Unterbringung dringend: „Ich erwarte, dass das Sozialressort kurzfristig diese Einrichtung schafft.“ Auch der SPD-Sozialexperte Klaus Möhle, der betont, dass die überwiegende Mehrheit der Flüchtlinge ja friedlich sei, sieht die Notwendigkeit für die kleine Gruppe straffälliger Jugendlicher: „Mit dem Jugendstrafrecht allein, kommen wir vielen dieser jungen Menschen nicht bei. Sie brauchen in erster Linie eine intensive pädagogische Betreuung.“

Kritik an Konzept von sozialen Trägern

 

Die CDU wird deutlicher. Innenexperte Wilhelm Hinners hält es nicht für tragbar, dass straffällige Jugendliche in Unterkünften wohnen, in denen ihre pädagogische Betreuung um 18 Uhr ende.  Die geschlossene Unterkunft sei „zwingend notwendig“. Die Sozialbehörde verhindere dies „aus ideologischen Gründen.“

Ganz anderer Meinung über die Notwendigkeit ist Professor Frank Bettinger, Vorsitzender des Bremer Instituts für Soziale Arbeit und Entwicklung (BISA) an der Hochschule Bremen. Kinder- und Jugendhilfe sei kein Sanktionsinstrument, was von vielen Politikern fälschlicherweise unterstellt würde.
Doch was die Umsetzung angeht, meint Bettinger: „Anscheinend hindert aber der letzte noch verbliebene fachliche Anstand den Bremer Senat daran, einen x-beliebigen Anbieter mit der Trägerschaft zu beauftragen.“

Sozialsenatorin Anja Stahmann entgegnet, der Koalitionsvertrag sei für sie bindend. Auch die Einrichtung gehöre dazu, sie müsse aber „nach höchsten fachlichen Standards arbeiten und hochprofessionell betrieben werden.“ Und ihr Sprecher Schneider betont, dass aktuell Gespräche geführt werden.  Der Vorwurf, das Sozialressort würde die Umsetzung einer geschlossenen Unterbringung verschleppen, sei nicht wahr und ärgere ihn.

Richter: „Dieser Weg führt in die Jugendgefängnisse“

Der 15-jährige Jugendliche aus Marokko  hatte einige Delikte begangen, als er nach dem Raub einer Goldkette wieder erwischt wurde.  Ein Bremer Jugendrichter verurteilte ihn zu acht Monaten Haft ohne Bewährung (Foto: Justizvollzugsanstalt). Eine Alternative sah er nicht, da es keine geschlossene Unterbringung gibt.

In der Urteilsbegründung, die dem Weser Report vorliegt, findet er  deutliche Worte: Die Kritik an der geschlossenen Unterbringung sei „zynisch“, denn jeder Kritiker müsse wissen, „dass dieser Weg mangels anderer geeigneter Betreuungsformen für diese Jugendlichen schnell in die Jugendgefängnisse führt“. Und weiter: Dies werde in Kauf genommen, damit das „Postulat einer Erziehung ohne Zwangsmaßnahmen“ von den Sozialen Diensten aufrechterhalten werden könne.
Florian Hanauer, Laura Bohlmann

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