Pro & Contra: Immobilien mit Flüchtlingen zwangsbelegen?

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Werbung am Eingang eines leerstehenden Baumarktes. Foto: WR

Leerstehende  Immobilien sollen in Bremen  zur Unterbringung von Flüchtlingen genutzt werden – ein umstrittenes Thema. Der Chef der SPD-Bürgerschaftsfraktion unterstützt das, während Haus & Grund  „behördliche Blockaden“ bei diesem Thema sieht und zum Dialog mahnt. Lesen Sie unser Pro und Contra.

Nach dem Vorbild Hamburgs und Berlins soll auch in Bremen eine rechtliche Grundlage für die Sicherstellung von ungenutzten Immobilien zur Unterbringung von Flüchtlingen geschaffen werden.

Die Lage: Sozialsenatorin zieht Polizeigesetz heran

Nachdem das Thema auf dem SPD-Parteitag aufkam (der Weser Report berichtete), präzisierte Sozialsenatorin Anja Stahmann (Grüne) das Vorhaben des Senats: „Ich möchte, dass wir im Zweifelsfall zumindest die Möglichkeit haben, geeignete leerstehende Immobilien mit vorhandener oder leicht herstellbarer Sanitärausstattung von einer bestimmten Größenordnung an zu nutzen, auch wenn ein Einvernehmen mit den Eigentümern nicht zu erzielen ist“, so die Senatorin.

„Bremen muss dazu sein Polizeigesetz ändern. Einen ersten Entwurf dazu habe ich in meinem Hause erstellen lassen, angelehnt an eine Gesetzesnovelle, die die Hamburgische Bürgerschaft voraussichtlich im Oktober verabschieden wird.“

Pro: Winterfestes Dach über dem Kopf bieten

Die Bremer Flüchtlingseinrichtungen sind überfüllt. Immer mehr Sporthallen werden in Notunterkünfte umgewandelt, trotzdem leben bereits mehr als 1.000 Menschen in Zelten. Gleichzeitig gibt es in unserer Stadt große, oft seit Jahren ungenutzte, leerstehende private Immobilien. Das ist nicht nur den Sportvereinen, denen wir durch die Umnutzung der Turnhallen einiges abverlangen, nicht mehr zu erklären. 

Björn Tschöpe Foto: pv

Fakt ist: Wir müssen den bei uns Schutz suchenden Menschen ein winterfestes Dach über dem Kopf bieten. Deswegen brauchen wir als letztes Mittel auch die Möglichkeit, große, ungenutzte Immobilien zur Not zwangsweise, zeitlich befristet mit Flüchtlingen zu belegen. 

Die geplante Gesetzesänderung zielt explizit auf große Einheiten wie etwa leerstehende Baumärkte ab, die Eigentümer dieser Gebäude verlieren keineswegs ihre Eigentumsrechte, sondern erhalten vielmehr eine Entschädigung für die Dauer der Belegung ihrer Immobilien. 

Jetzt Ängste zu schüren, dass davon private Eigenheime betroffen sein könnten oder von „Enteignung“ zu sprechen, ist reiner Populismus.

Björn Tschöpe, Vorsitzender der SPD-Bürgerschaftsfraktion

Contra: Dialog ist der einzige Weg

Bernd Richter Foto: pv

Die Unterbringung von Flüchtlingen müssen wir gemeinsam bewältigen. Seit Monaten stehen wir mit dem Sozialressort in Kontakt, um Lösungen zu finden, die Ängste der vielen Kleinvermieter vor dem „Unbekannten“ abzubauen. 

Doch manche behördliche Blockade ist nur schwer zu durchbrechen. Aus unserer Sicht besteht die große Gefahr, dass die Politik mit derart einschneidenden Maßnahmen die Hilfsbereitschaft der Menschen zerstört.

Überlegungen zu Gesetzesänderungen, die Zwangseinquartierungen ermöglichen, zeigen leider, wie respektlos die Politik mit den in unserer Verfassung verbrieften Grundrechten, wie Schutz des Eigentums, umgeht. Politik reagiert in Krisensituationen zu häufig kopflos und ist bereit, sämtliche Grundrechte aus dem Nichts heraus in Frage zu stellen. 

Wer die Sorgen der Menschen vor kulturellen und sprachlichen Problemen nicht ernst nimmt und gleich die Keule Zwangseinquartierung rausholt, der darf sich nicht wundern, wenn die derzeit noch ausgeprägte Hilfsbereitschaft und Willkommenskultur ins Gegenteil kippt. Dialog ist der einzige Weg!

Bernd Richter, Geschäftsführer Haus & Grund Bremen e.V.

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