Flüchtling aus Thedinghausen: Lieber tot als nach Italien

Von
Daniela Gudegast und Florian Meyer
unterstützen den Ivorer

Sein Vater und sein Bruder sind vor seinen Augen erschossen worden. Hafsa X. (Name geändert) floh nach Italien, wo er wie in einem Gefängnis lebte. Nun, in Thedinghausen, hat er erstmals eine Perspektive – und soll dennoch zurück nach Italien.

„Lieber würde ich sterben, als nach Italien zurück zu müssen“ sagt Hafsa X.. Der 24-Jährige Ivorer hat einiges hinter sich: Als Sohn politischer Oppositioneller wurden er und seine Familie in der Elfenbeinküste bedroht. 2012 wurde sein Vater, zwei Jahre später sein ältester Bruder im Haus der Familie erschossen. Aus Angst, er könnte der Nächste sein, entschied er sich zur Flucht.

Seine Route führte ihn über das Mittelmeer nach Italien. Dort kam er in ein Lager nahe Padua. Hafsa X. berichtet von einem etwa einen Hektar großen, eingezäunten Areal, das permanent von der Polizei bewacht wurde und das keiner verlassen durfte. Er vergleicht es mit einem Gefängnis.

In Thedinghausen erstmals angstfrei

250 Personen teilen sich dort kleine, teils undichte Zelte. Niemand habe sich um sie gekümmert. Zum Essen gab es Makkaroni mit Tomatensauce – jeden Mittag und jeden Abend, kein Frühstück. „Das war nicht genug zum Sattwerden“, so der Ivorer. Es gab nur drei Toiletten und einen Wasserhahn, um sich zu waschen oder seine Kleidung zu reinigen. Einen Arzt hat er nie gesehen. Zu der Kleidung, welche die Flüchtlinge trugen, gab es für jeden lediglich eine Jacke. Geschlafen wurde auf einem Feldbett mit einem Laken – bei Temperaturen bis unter zehn Grad. Im Sommer 2015 gelang ihm nach sieben Monaten dann die Flucht.

Hafsa X. gelangte nach Thedinghausen. „Zum ersten Mal seit Jahren kann ich angstfrei leben und mich frei bewegen“, sagt er. Dort hat er Freunde und Helfer gefunden. Daniela Gudegast und Florian Meyer von der Initiative „Ankommen in Thedinghausen“ helfen ihm – er lernt lesen und schreiben, die deutsche Sprache – und sie unterstützen ihn, wo er Hilfe braucht, beispielsweise bei Behördengängen.
Hafsa X. will arbeiten und sein Geld selbst verdienen, hat aber keine Arbeitserlaubnis. Zuhause war er in der Landwirtschaft tätig.

Am Dienstag dann die Schreckensnachricht – er erhielt einen Brief vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Im Rahmen des Dublin-Verfahrens, das regelt, dass ein Asylantrag in dem EU-Staat gestellt werden muss, das von einem Flüchtling zuerst betreten wurde,  muss er zurück nach Italien. Dass dort viele Flüchtlinge in die Obdachlosigkeit getrieben werden, wird beispielsweise von der Organisation PRO ASYL beklagt, die einen generellen Abschiebestopp nach Italien fordert.

Rechtsanwältin ist „vorsichtig optimistisch“

Christoph Sander, Sprecher des BAMF, teilte hingegen mit, dass sich die Dublin-Staaten auf „gemeinsame Mindeststandards“ bei Asylverfahren, Unterbringung, Verpflegung und medizinischer Versorgung von Flüchtlingen verständigt hätten. „Diese werden von Italien eingehalten“, so Sander. Familien aber würden nur noch bei Zusicherung familiengerechter Unterbringung rückgeführt.

Gegen den Bescheid des BAMF versucht Hafsa X. nun vorzugehen. Die Bremer Rechtsanwältin Arnike Duensing vertritt ihn. Sie sieht die Mindeststandards in Italien nicht gewährleistet und beklagt dort „systemische Mängel“. Zudem verhinderten jüngere Urteile Rückführungen bei italienischer Zuständigkeit im Rahmen der Dublin-Verordnung. Die Chancen auf eine Zukunft für Hafsa X. in Thedinghausen sieht sie „vorsichtig optimistisch“.    

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