Budo-Meister Ewald Hoffstedt und sein Kampfsportschüler Martin Le demonstrieren die körperliche Nähe beim Antanztrick. Budo-Meister Ewald Hoffstedt und sein Kampfsportschüler Martin Le demonstrieren die körperliche Nähe beim Antanztrick. Foto:Konczak
Kriminalität

Waffenschein und Kampfsport sollen Sicherheit geben

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Der Stadt liegen mehr Anträge für den kleinen Waffenschein vor, Kampfsport- und Selbstverteidigungsschulen verzeichnen immer mehr Mitglieder – in Delmenhorst scheinen sich die Bürger zunehmend unsicherer zu fühlen.

„Locker stehen, dicht am Angreifer und dann mit der Rechten das Gleichgewicht brechen“, sagt Ewald Hoffstedt und führt seine rechte Hand mit der geöffneten Handfläche zum Kinn seines hypothetischen Angreifers, Kampfsportschüler Martin Le. Der fällt über das Bein von Hoffstedt und liegt auf dem Boden. Jetzt noch das Schienbein auf das Gesicht und die Hand umknicken: Le kann nichts mehr ausrichten.

„Die Kraft liegt in der Überraschung“, sagt Hoffstedt, der die Judo- und Karateschule Eshoji in Delmenhorst leitet. Doch er weiß auch, dass man länger trainieren muss, um so reflexartig zu reagieren. Hoffstedt selbst macht seit 50 Jahren Kampfsport und kennt als Budo-Meister viele Kampfkünste.

Er hat festgestellt, dass in letzter Zeit mehr Menschen in seine Schule kommen. Kinder, Erwachsene, Männer und Frauen. Er glaubt, dass die Angriffe in der Silvesternacht in Köln unter anderem dafür verantwortlich sind, dass sich die Menschen unsicherer fühlen und verteidigen möchten.

Stadt hat dieses Jahr 68 kleine Waffenscheine ausgestellt

Torben Schulze, Leiter des Budospirit Familiensportclubs, hat Anfang des Jahres erstmalig ein Schnuppertraining nur für Frauen organisiert. Die Nachfrage war groß, aus dem einmaligen Training ist inzwischen ein zehnwöchiger Kurs geworden.

„Nach zehn Wochen bist du nicht unverwundbar. Aber es ist besser als gar nichts“, sagt Schulze. „Viele fühlen sich unsicher. Die Angriffe in Köln haben einigen die Augen geöffnet, dass es gut ist, zumindest ein bisschen vorbereitet zu sein.“

Er musste sich auch Kritik anhören: „Wittern die Kampfsportschulen nun das ganz große Geld?“ schrieb ein Nutzer auf Facebook. Schulze war schon zuvor skeptisch, einen reinen Frauenkurs anzubieten. „Gegen einen Mann zu kämpfen ist einfach etwas ganz anderes“, sagt er. Aber die Nachfrage ist da und oft seien die Frauen gehemmt, mit Männern zu trainieren.

Doch nicht nur Kampfsport scheint ein Weg zu sein, um sich sicherer zu fühlen und verteidigen zu können. Immer mehr Delmenhorster beantragen den kleinen Waffenschein. Dieser erlaubt es, PTB-Waffen (Reizstoff- und Schreckschusswaffen) geladen und zugriffsbereit auf der Straße mit sich zu führen.

Seit Jahresbeginn bis zum 26. Februar hat die Stadt 68 kleine Waffenscheine ausgestellt, sagt Stadtsprecher Timo Frers. Zum Vergleich: 2015 waren es im gesamten Jahr 40  genehmigte Anträge.

Die Rohheitsdelikte sind in Delmenhorst zurückgegangen

Die Polizei weiß um die Unsicherheitsgefühle in der Bevölkerung. Allerdings gebe es keinen objektiven Grund für die Befürchtungen, sagt Melissa Oltmanns, Sprecherin bei der Polizeiinspektion Delmenhorst/Oldenburg-Land/Wesermarsch.

In den vergangenen zehn Jahren sei die Zahl der Rohheitsdelikte sogar gesunken, dazu zählen Körperverletzung und Raub. „Uns sind auch keine Antanzdelikte und sexuellen Übergriffe bekannt“, sagt Oltmanns.

Die Polizei warnt vor dem Gebrauch von PTB-Waffen. „Die Gefahr der Verwechslung ist einfach groß. Man erkennt den Unterschied nicht unbedingt“, so die Sprecherin. Möglich ist es also, dass die Polizisten so handeln, als ob es sich um eine scharfe Waffe handelt.

Auch die Handhabung müsse trainiert werden. Kommt aus dem Pfefferspray eine Wolke oder ein Strahl? Diese Frage könnten viele Anwender nicht beantworten, bevor es zum ersten Mal zum Ernstfall kommt.

„Eine PTB-Waffe kann nur eine trügerische Sicherheit sein, wenn man damit nicht umgehen kann“, so Oltmanns. Und was ist mit Kampfsport? Das sei eine Möglichkeit, aber auch der könne nicht vor jeder Situation bewahren und man müsse lange trainieren, um Routine zu bekommen, sagt Oltmanns.

Ist man in Gefahr oder beobachtet eine gefährliche Situation lehrt die Polizei, was schon im Kindergarten vermittelt wird: Personen in der Nähe direkt ansprechen, wenn möglich weglaufen und die Polizei rufen.

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