In Problemgebieten wie dem Bahnhofsumfeld wurden zuletzt weniger unbegleitete Minderjährige festgestellt. Symbolfoto: av Die kriminellen Jugendlichen, die in die geschlossene Unterbringung sollen, machen das Gebiet um den Hauptbahnhof unsicher. Foto: WR
Opposition bemängelt

Geschlossene Unterbringung: Ein „Millionengrab“

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Nachdem der Senat am Dienstag die Pläne für die geschlossene Unterbringung für kriminelle Jugendliche vorgestellt hat, hagelt es Kritik von der Opposition: Die Einrichtung sei ein Millionengrab, das viel zu spät kommt.

Deutliche kritische Worte fanden die jeweiligen Sprecher von CDU und Linken. „Mit seinem Konzept für die Schaffung einer fakultativ geschlossenen Jugendeinrichtung leitet der Senat einen weiteren Rückschritt in der Jugendhilfe ein.

Vermutlich werden wir hier in einigen Jahren nach Fertigstellung vor einem Millionengrab stehen: Allein die Errichtung des Gebäudes im Blockland soll rund 5 Mio. Euro kosten, im Betrieb werden weitere 10.000 Euro pro betreuter Person im Monat anfallen. Diese Kosten stehen angesichts des absehbaren Nutzens einer solchen Einrichtung in keinem Verhältnis“, sagt die fluchtpolitische Sprecherin der Linken, Sofia Leonidakis.

Linke: Senat hält günstigere Konzepte klein

„Die Bedarfe liegen bei dieser Gruppe eher im Bereich intensivpädagogischer und psycho- sowie suchttherapeutischer Angebote. Schon längst hätte der Senat weit mehr bewährte Konzepte umsetzen können: interdisziplinäre Kleinsteinrichtungen, einen Koordinierungspool und mehr Straßensozialarbeit. Aber das wurde grob verschleppt“, sagt Leonidakis.

Dass die Straßensozialarbeit  jetzt um „symbolische“ fünf Stellen aufgestockt werde, sei viel zu wenig. Zudem sei nicht nachvollziehbar, dass Millionen in eine geschlossene Einrichtung gesteckt werden, deren Nutzen fachlich zweifelhaft ist, während bewährte Konzepte, die weit weniger kosten und mehr bringen, klein gehalten werden.

Träger macht Gewinne, Bremen löst Hamburger Problem

Auch fachlich kritisiert Leonidakis die Pläne des Senats: „Jugendhilfe ist keine Ersatzstrafe. Der Senat hat nicht den Mumm, jetzt die Notbremse zu ziehen und einzugestehen, dass er sich politisch verkalkuliert hat“, so Leonidakis weiter. „Keiner der Bremer Jugendhilfeträger ist bereit, derartige Pläne umzusetzen – aus guten Gründen.“

Nun habe der Senat mit der Pädagogisch-Therapeutischen Jugendhilfe GmbH einen Hamburger Träger gefunden, der zu 10 Prozent der Stadt Hamburg und zu 45 Prozent einem gewerblichen Träger gehören. Die Stadt Hamburg will ihre ‚Problemfälle‘ gerne loswerden, der gewerbliche Träger Social Unitas GmbH satte Gewinne machen. Dass Bremen ihnen dabei behilflich sein will, ist politisch ein Schuss in den Ofen.

CDU: Opfer geraten aus dem Blickfeld

Der innenpolitische Sprecher der CDU, Wilhelm Hinners bemängelt vor allem den Zeitplan des Senats: „Durch die über ein Jahr andauernden und offensichtlich noch nicht beigelegten Streitigkeiten zwischen den Koalitionspartner zum Umgang mit der etwa 50-köpfigen Gruppe hochkrimineller, jugendlicher Ausländer ist viel wertvolle Zeit verstrichen“, so der CDU-Politiker. Die  Planungen des Senats, die geschlossene Einrichtung erst Ende 2017 in Betrieb nehmen zu wollen, sei Ergebnis dieses Koalitionskrachs und völlig inakzeptabel.

Hinners kritisiert zudem, dass durch das „Gerangel im Senat“ die „vielen Bremer Opfer völlig aus dem Blickfeld“ geraten seien und bei der Vorstellung des Konzepts erst gar nicht erwähnt worden seien. Dabei folgen aus 1035 Straftaten in 2015, die allein durch die 50-köpfige Gruppe der unbegleiteten, minderjährigen Ausländer verübt worden sind, auch viele Opfer.

Geschlossene Unterbringung muss schnell umgesetzt werden

„Dass der Senat für die Zeit bis zur Inbetriebnahme in anderthalb Jahren – um weitere Diebstähle und Raubdelikte zu verhindern – kleinlaut auf Plätze der Jugendhilfe in Hamburg zurückgreifen muss, weil er die Einrichtung eigener Plätze durch eigenes Verschulden versäumt hat, ist grotesk“, so Hinners weiter.

Mit der bisherigen Blockade und Verschleppung einer geschlossenen Einrichtung, vor allem durch den grünen Koalitionspartner, nehme Rot-Grün bis dato lieber in Kauf, dass die traumatisierten Jugendlichen in Haft sitzen, wo ihnen die dringend notwendige intensiv-pädagogische Betreuung nicht zu Teil werden kann. „Dass jedoch die Untersuchungshaft für minderjährige Jugendliche die schlechteste aller „Lösungen“ ist, hat der Senat heute selbst eingestanden“, kritisiert Hinners. Auch deshalb müsse die Umsetzung und Inbetriebnahme der geschlossenen Einrichtung schneller und konsequent erfolgen.

SPD unterstützt Senat aber mahnt zur Eile

Unterstützung für den Kurs des Senats kommt von der SPD: „Es ist gut, dass dieses Projekt nach seiner langen Vorgeschichte jetzt konkret in die Umsetzung geht“, sagte der sozialpolitische Sprecher, Klaus Möhle. „Um diese Jugendlichen vor sich selbst und letztlich vor langen Gefängnisstrafen zu schützen, haben wir uns immer wieder für eine auch zeitweise geschlossene Unterbringungsmöglichkeit eingesetzt, um sie überhaupt in die Lage zu versetzen, sich auf pädagogische Maßnahmen und Hilfsangebote einzulassen“, so Möhle weiter.

Allerdings sei wichtig, das Konzept jetzt auch zügig umzusetzen. „Es ist wichtig, dass das Projekt jetzt in Gang kommt und Schritt für Schritt umgesetzt wird. Dass die SPD-Fraktion sich einen weitaus früheren Zeitpunkt für die Inbetriebnahme der Einrichtung wünscht, ist kein Geheimnis“, sagte Möhle.

Jetzt gehe es darum, dass alle Beteiligten aktiv und rasch zusammenarbeiten: „Im Konzept des Sozialressorts ist das vierte Quartal 2017 als Eröffnungstermin vorgesehen. Das muss unserer Meinung nach schneller gehen. Wir hoffen, dass die Einrichtung durch eine effektive Zusammenarbeit aller Beteiligten am Ende deutlich früher eröffnet werden kann“, sagt der Sozialpolitiker und ergänzt: „Wenn wir als SPD-Fraktion den Senat dabei unterstützen können, werden wir das gerne und konsequent tun.“

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