Karin Mummenthey (r.) leitet das SOS-Kinderdorf-Zentrum in der Neustadt seit seiner Eröffnung. Monika Lysik (l.) ist für die offenen Angebote des Hauses verantwortlich.Foto: Niemann Karin Mummenthey (r.) leitet das SOS-Kinderdorf-Zentrum seit seiner Eröffnung. Monika Lysik (l.) ist für die offenen Angebote verantwortlich.Foto: Niemann
Fünfter Geburtstag

SOS-Kinderdorf-Zentrum: Nicht nur für Familien

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Das SOS-Kinderdorf-Zentrum feiert seinen fünften Geburtstag. Karin Mummenthey und Monika Lysik erklären unter anderem, warum nicht nur bildungsferne Familien Probleme mit der Erziehung haben und Hilfe suchen.

Weser Report: Fünf Jahre nach Eröffnung: Wie oft kommt es heute noch vor, dass Leute sich darüber wundern, dass im SOS-Kinderdorf-Zentrum keine Kinder leben?

Karin Mummenthey: Es kommt immer noch manchmal vor, aber meistens nur bei Leuten, die nicht aus der Neustadt kommen.

Wie erklären Sie, welche Aufgabe das Kinderdorfzentrum im Unterschied zum SOS-Kinderdorf hat?

Mummenthey: Wir vermeiden hier mit unserer Arbeit, dass Kinder so große Probleme in ihren Familien bekommen, dass sie anderweitig untergebracht werden müssten.

Monika Lysik: Wir bieten alles, was junge Familien mit Kindern unter drei Jahren benötigen: Eltern-Kind-Gruppen, offene Hebammen-Stunden, Beratung, Bewegungsangebote und mehr. Die Angebote sind möglichst offen gestaltet, man kann also meistens auch ohne Anmeldung kommen.

Es gibt auch viele andere, zum Beispiel städtische Angebote für Familien. Wozu brauchte es da noch ein SOS-Kinderdorf-Zentrum?

Mummenthey: In der Neustadt gab es etwas Vergleichbares, wie etwa ein Quartierszentrum, noch nicht. Unser Vorteil ist außerdem unsere Durchlässigkeit. Viele kommen zum Beispiel erst einmal in unseren Second-Hand-Laden, stellen dann fest, dass es auch ein Frühstücksangebot gibt und nehmen später auch Beratungen in Anspruch.

Was sind es für Menschen und Familien, die das Haus besuchen?

Lysik: Bei jedem gibt es unterschiedliche Gründe, warum er oder sie herkommt. Es gibt genauso sozial schwache Familien wie aber auch Mütter, die zwar genug Geld haben, aber mit vier Kindern überfordert und froh sind, hier in Ruhe einen Kaffee trinken zu können.

Mummenthey: Es gibt eine gute Mischung bei uns, die besonders beim sozialen Mittagstisch sichtbar wird. Mütter mit Neugeborenen sitzen dann am Tisch mit Menschen, die in der Neustadt arbeiten oder studieren.

Kommen nur Familien mit Kindern?

Mummenthey: Nein, uns haben besonders die vielen Senioren überrascht, die wir im Haus haben und die hier essen, Kaffee trinken und stricken.

Lysik: Es gab sogar eine 91-Jährige, die regelmäßig aus Walle zu uns gekommen ist.

Welche Probleme haben die Familien, die bei Ihnen Rat suchen?

Mummenthey: Es ist erschreckend, dass auch bildungsnahe Mütter sehr verunsichert sind, wenn sie ihr erstes Kind bekommen. Oft fehlt ihnen die intuitive elterliche Kompetenz. Die Gesellschaft hat sich verändert: Die Mütter sind selbst vielleicht ohne Geschwister aufgewachsen und die Familie, die helfen könnte, wohnt heute oft weit entfernt.

Lysik: Uns ist wichtig, dass immer die Eltern die Experten für ihre Kinder sind. Unsere Aufgabe ist es, sie dabei lediglich zu unterstützen.

Kommen Sie mit der Beratung manchmal auch an Ihre Grenzen?

Mummenthey: Wir haben Therapeuten und Psychologen im Haus. Insgesamt gehören 112 Mitarbeiter zum SOS-Kinderdorf Bremen, davon 45 hier vor Ort. Da können wir immer den richtigen anrufen.

Sie arbeiten aber auch mit mehr als 100 Ehrenamtlichen zusammen.

Mummenthey: Ohne die vielen ehrenamtlichen Helfer wäre unser vielfältiges Angebot nicht möglich. Gerade, was vor einem halben Jahr hier los, als so viele Flüchtlinge nach Deutschland kamen, hat unsere Erwartungen übertroffen. In der heißen Phase haben wir hier täglich zwei Deutschkurse angeboten. Wir werden eine Koordinatorin fürs Ehrenamt einstellen und sind weiterhin auf der Suche nach neuen Ehrenamtlichen, zum Beispiel für den Kinder-Second-Hand-Laden.

Vor kurzem hat das SOS-Kinderdorf Bremen auch eine Kita im Quartierszentrum übernommen. Warum?

Mummenthey: Der Bedarf ist riesig. Wir wollen dazu beitragen, dass Eltern die nötigen Betreuungsmöglichkeiten bekommen. Uns hat außerdem der Standort in einem Quartierszentrum gereizt, denn dorthin wird im September auch unsere Frühberatungsstelle umziehen. Wir können uns außerdem sogar vorstellen, in drei bis vier Jahren eine weitere Kita im Bremer Süden aufzubauen.

Die Personen

Karin Mummenthey, 60, arbeitet seit 1981 für den Verein SOS-Kinderdorf und leitet das SOS-Kinderdorf Bremen, zu dem neben dem Kindorf-Zentrum auch Kinder- und Jugendwohngruppen gehören. Monika Lysik, 35, arbeitet seit mehr als vier Jahren im SOS-Kinderdorf-Zentrum. Sie koordiniert die offenen Angebote des Hauses.

Die Geburtstagsfeier

Das SOS-Kinderdorf-Zentrum feiert am Sonntag, 21. August, seinen fünften Geburtstag. Mit dabei sind SOS-Botschafter Dirk Böhling und weitere Radio-Bremen-Eins-Moderatoren. Auch Bürgermeister Carsten Sieling will kommen. Ab 14 Uhr wird an der Friedrich-Ebert-Straße 101 gefeiert: mit Hüpfburg, Torwand, Hausführungen, Bücherflohmarkt, Konzerten, Tanz und mehr.

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