Klingebiels Werk "Hirschpaar im Wald" Fotos: pv Klingebiels Werk "Hirschpaar im Wald" Fotos: pv
Kulturambulanz

Knast-Kunst und Arbeiten von Psychiatrie-Patienten

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Die Kulturambulanz zeigt aktuell Werke von Julius Klingebiel. Der Künstler erkrankte mit 35 an Schizophrenie. Er überlebte die Verbrechen der "NS-Psychiatrie" und bemalte zwölf Jahre lang die Wände seiner Zelle.

Knast-Kunst, Psychiatrie-Patienten und Julius Klingebiel: „Ausbruch in die Kunst“ heißt die Ausstellung, die aktuell in der Galerie im Park am Klinikum Bremen-Ost gezeigt wird.

Dort sind Arbeiten des Outsider-Künstlers Julius Klingebiel (1904 bis 1965) zu sehen. Klingebiel erkrankte mit 35 Jahren an einer Schizophrenie und verbrachte den Rest seines Lebens  im „Göttinger Landesverwahrungshaus“.

„Dort entstand sein bis heute unbekanntes, aber einzigartiges und faszinierendes künstlerisches Werk“, sagt Achim Tischer, Kurator der Ausstellung und Leiter der Kulturambulanz.

JVA-Gefangene und Psychiatrie-Patienten machen Kunst

Mittelpunkt seines Schaffens ist seine Einzelzelle, die Zelle 117, die er von 1951 bis 1963 mit Tierfiguren, Menschen und Symbolen in ein Raumkunstwerk verwandelte.

Die Ausstellung „Ausbruch in die Kunst. Julius Klingebiel: Zelle 117″ zeigt den Nachbau dieser unter Denkmalschutz stehenden Zelle als fotografische Rauminstallation. Daneben sind unbekannte, nie ausgestellte Bilder Klingebiels zu sehen.

In einer parallelen Kabinett-Präsentation zeigt die Galerie im Park Skulpturen und Plastiken von Gefangenen aus der Justizvollzugsanstalt Bremen (JVA), von Patienten aus der Klinik für forensische Psychiatrie am Klinikum Bremen-Ost und des Bildhauers und Mitbegründers der Bildhauerwerkstatt an der JVA, Prof. Siegfried Neuenhausen aus Hannover.

Durch Kunst in einer Zwangswelt überleben

„Die Auseinandersetzung mit der eigenen Situation als Kranker beziehungsweise Gefangener verbindet alle beteiligten Künstler mit Julius Klingebiel, der vermutlich ohne seine unfreiwillige Gefangenschaft im Maßregelvollzug nie zur Kunst gelangt wäre“,erklärt Tischer und ergänzt: „Die Kunst befähigte Klingebiel, überhaupt in dieser Zwangswelt überleben zu können“.

Mit seiner Lebensgeschichte ist Julius Klingebiel auch ein Opfer und Überlebender des Nationalsozialismus. Somit verweise diese Schau bewusst auf die Ausstellung „erfasst, verfolgt, vernichtet. Kranke und behinderte Menschen im Nationalsozialismus“, die zurzeit in der Unteren Rathaushalle zu sehen ist.

Wie so viele seiner Zeitgenossen, wurde Julius Klingebiel zwangssterilisiert, überlebte aber die NS-Zeit in der Göttinger Anstalt. „Eigentlich ein Wunder“, sagt Tischer.

Eine Fotografie von Julius Klingebiel in seiner Zelle

Eine alte Fotografie zeigt Julius Klingebiel in seiner Zelle

 Führungen durch die Ausstellung

Kerstin Hornung führt am Sonntag, 14. August, ab 16 Uhr durch die Ausstellung und stellt dabei nicht nur Leben und Werk Klingebiels vor, sondern auch die Psychiatrie seiner Zeit. Dafür ist zusätzlich ein Rundgang durchs Krankenhaus-Museum geplant, das sich im selben Haus befindet. Die Führung kostet 5 Euro, ermäßigt 2,50 Euro (inklusive Eintritt).

„Ausbruch in die Kunst“ ist bis zum 4. September zu sehen. Am Sonntag, 28. August, bieten Galerie im Park und Krankenhaus-Museum einen „Tag der offenen
Tür“ mit kostenlosen Gesprächen und Führungen in beiden Ausstellungen an.

Die letzte öffentliche Führung, bei der Leben und Werk Klingebiels vorgestellt werden findet am Sonntag, 4. September, 16 Uhr, also am letzten Tag der Ausstellung, statt. Die Führung kostet 5 Euro, ermäßigt 2,50 Euro (inklusive Eintritt).

Für Donnerstag, 1. September,  ist die Tagung „Am Rande der forensischen Psychiatrie“ geplant. Dafür sind auch Fortbildungspunkte bei der Ärztekammer Bremen beantragt.

Weitere Informationen zu den Veranstaltungen der Kulturambulanz gibt es im Netz.

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