Airbus-Mitarbeiter, Integrationslotsen und Deutschlehrer begleiten die jugendlichen Flüchtlinge. Foto: pv Airbus-Mitarbeiter, Integrationslotsen und Deutschlehrer begleiten die jugendlichen Flüchtlinge. Foto: pv
Integration

Experiment: Flüchtlinge lernen von Airbus-Crew

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Was passiert, wenn sich zwei Pastoren, ein Arzt, ein Schulleiter und ein Luft- und Raumfahrtunternehmen zusammen tun? In der Neustadt ist das Ergebnis ein ungewöhnliches Schulexperiment, das gerade erst gestartet ist.

Als Hans-Günther Sanders, ehemaliger Pastor in der Zions-Gemeinde, in den Ruhestand ging, reichte ihm das nicht. Er wurde Integrationslotse beim SOS-Kinderdorf und lernte so die jugendlichen Flüchtlinge kennen, die bis vor kurzem noch auf dem Stadtwerder lebten.

„Man muss was machen“, hat sich Sanders damals gedacht – und das fand auch ein befreundeter Mitarbeiter von Airbus. Er holte das Luft- und Raumfahrtunternehmen ins Boot, das sich bereit erklärte, 25.000 Euro in ein Bildungsprojekt für die jungen Leute zu stecken – und Mitarbeiter abzustellen, die den jungen Leuten Praxiswissen beibringen.

Mehr als nur Sprachunterricht

„Uns war klar: Wir wollen den Jugendlichen deutlich machen, das Deutschland Arbeit ist“, sagt Sanders. Deshalb sollen die Flüchtlinge nicht nur Sprachunterricht bekommen, sondern auch eine „Einführung in die Krone der deutschen Industrie“. „Das klingt zwar riesig, aber das war uns wichtig.“

Es fehlte nur noch eine Schule, an der dieser ungewöhnliche Kurs aus Sprachunterricht und Technikschulung stattfinden kann. Sanders ging zu einem guten alten Bekannten: Dr. Wolfram Grams, Leiter des Schulzentrums des Sekundarbereichs II Neustadt an der Delmestraße. „Der war sofort gewonnen“, sagt Sanders.

Kurs mit 20 jungen Menschen

„Jugendliche in schwierigen Lebenslagen brauchen eine konkrete Perspektive“, sagt Grams. Das hat ihn am Projekt von Sanders und seinen Mitstreitern überzeugt. „Und auch die Behörde hat alles gangbar gemacht.“

Seit Anfang des Schuljahres besuchen deshalb jetzt 20 junge Menschen, darunter drei Frauen, die Schule an der Delmestraße. Aufgeteilt in zwei Gruppen lernen sie entweder Deutsch oder arbeiten im Projekt. Airbus-Mitarbeiter zeigen ihnen unter anderem, wie Logo-Roboter programmiert werden. So sollen Grundlagen der Informatik und einfacher Anwendungsmathematik vermittelt werden.

Deutschlehrer, Airbus-Mitarbeiter und Integrationslotsen

Die jungen Leute begegneten der Arbeit am Roboter zunächst skeptisch. „Im ersten Moment dachten sie, das sei nur Spielerei und fühlten sich geparkt“, erzählt Sanders. Mit Strichmännchen haben die Erwachsenen ihnen dann erklärt, dass noch mehr dahintersteckt.

Neben den Deutschlehrern und Airbus-Mitarbeitern begleiten auch drei Integrationslotsen vom SOS-Kinderdorf die Gruppe ständig. Neben Sanders sind auch George Okoro, Pastor der afrikanischen Gemeinde in der Zionsgemeinde, und der Gröpelinger Arzt Dr. Hafizullah Mirzakhyl mit im Unterricht.

Bildung statt schiefe Bahn

„Airbus war wichtig, dass die Jugendlichen auch außerhalb der Schule betreut werden“, sagt Sanders. Deshalb sprechen die Lotsen mit ihnen darüber, wie anstrengend, aber auch wichtig eine Ausbildung für das Leben in Deutschland ist. „Wir haben sie zum Beispiel gefragt, wie sie reagieren, wenn jetzt ihr Vater anruft und um Geld bittet, weil die Mutter krank ist“, sagt Sanders.

Sie wollen den jungen Männern und Frauen deutlich machen: Es wird dauern, bis sie auf eigenen Beinen stehen können – aber auch, dass sie nicht in die Kriminalität abdriften müssen, wenn sie nur fleißig genug sind.

Robotik, Medientechnik und erste Hilfe

Neben dem Robotik-Kurs lernen die Jugendlichen zwischen 16 und 18 Jahren auch, wie ein Videofilm gedreht wird, um Einblicke in die Medientechnik zu erhalten. Außerdem wollen die Integrationslotsen noch einen Wohlfahrtsträger gewinnen, der die Jugendlichen zum Ersthelfer ausbildet, um sie gegebenenfalls auch Berufe im Rettungs- und Pflegedienst vorzubereiten. Auch die nächste Idee ist schon geboren: Sanders und seine Mitstreiter wollen mit den Jungs und Mädchen eine Fahrradmanufaktur aufbauen.

Am Ende des Schuljahres sollen alle erfolgreichen Teilnehmer ein Sonderzertifikat und sollen im Idealfall nahtlos an eine berufsbildende Schule wechseln. „Wir wollen ihnen zeigen, dass sie sich nicht auf einen Job an der Dönerbude reduzieren müssen.“

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