Außenaufnahme Klinikum Delmenhorst. Foto: Konczak Obwohl die Mordserie von Niels H. mehr als zehn Jahre her ist, kommt das ehemalige Klinikum Delmenhorst nicht aus den Schlagzeilen.
Niels H.

Niels H: Anklage gegen sechs Klinikum-Mitarbeiter

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Offenbar konnte Niels H. am 24. Juni 2005 am ehemaligen Klinikum Delmenhorst eine Patientin töten, obwohl er zwei Tage zuvor auf frischer Tat ertappt worden war. Sechs damalige Mitarbeiter werden deshalb angeklagt.

Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft Oldenburg lautet auf Totschlag durch Unterlassen. Angeklagt wurden sechs Personen, die im Jahr 2005 am Klinikum beschäftigt waren. Dazu zählen der damalige Stationsleiter für den Bereich Pflege der Intensivstation (59) sowie seine beiden damaligen Stellvertreterinnen (56, 60). Außerdem müssen sich ein damals auf der Intensivstation tätiger Pfleger (47) und zwei Oberärzte (58, 67) verantworten.

Aufgrund der Ermittlungen der Sonderkommission (SOKO) Kardio geht die Staatsanwaltschaft davon aus, dass die Beschuldigten Morde beziehungsweise Mordversuche des ehemaligen Krankenpflegers Niels H. nicht verhindert haben, obwohl sie solche Taten für möglich hielten. Aufgrund ihrer Funktion im Krankenhaus seien sie dazu verpflichtet gewesen, das Leben der Patienten zu schützen.

Konkret geht es um die letzten Morde und Mordversuche in der Zeit zwischen dem 22. Mai und 24. Juni 2005. Den Angeschuldigten sollen Geschehnisse bekannt geworden sein, die den zuvor zumindest in vager Form existenten Verdacht derart verdichteten, dass sie weitere Taten ernsthaft für möglich hielten. Um die Reputation des Klinikums nicht zu gefährden und aus Angst  dem Vorwurf falscher Verdächtigung ausgesetzt zu werden, sollen die Mitarbeiter untätig geblieben sein.

Bereits am 10. Mai 2005 Ampullen gefunden

Laut Staatsanwaltschaft war das für den angeschuldigten damaligen Pfleger und die stellvertretende Stationsleiterin spätestens ab dem 9./10. Mai 2005 der Fall. Der Stationsleiter soll spätestens ab dem 23. Mai 2005 über entsprechende Informationen verfügt haben. Für die zweite ehemalige stellvertretende Stationsleiterin und die Oberärzte sei dies ab dem 23. Juni 2005 der Fall gewesen.

Spätestens an diesen Tagen sollen die jeweiligen Mitarbeiter Kenntnis von einem Vorfall erlangt haben, der sich am 10. Mai 2005 ereignet hatte. An diesem Tag waren nach erfolgloser Reanimation eines verstorbenen Patienten leere Gilurytmal-Ampullen im Spritzenabwurfbehälter gefunden worden.

Im Anschluss daran sollen der Pfleger und die stellvertretende Stationsleiterin den Verdacht gegen Niels H. erörtert haben. Später sei auch der damalige Stationsleiter einbezogen worden.

Niels H. am 22. Mai 2005 auf frischer Tat ertappt

Ein weiterer wichtiger Vorfall ereignete sich am 22. Juni 2005. An diesem Tag verabreichte Niels H. dem Patienten Dieter M. Gilurytmal, obwohl es dafür keine Indikation gab. Der Patient wurde zwar zunächst erfolgreich reanimiert, verstarb aber am 23. Juni. Für die Tat wurde Niels H. bereits rechtskräftig verurteilt.

Bei diesem Geschehen wurde Niels H. von einer damaligen Kollegin auf frischer Tat ertappt. Klinikintern wurde laut Anklage noch am gleichen Tag eine Untersuchung des Blutes von Dieter M. veranlasst, um die Verabreichung von Gilurytmal beziehungsweise des Wirkstoffs Ajmalin nachweisen zu können. Davon seien auch die beiden Oberärzte sowie die stellvertretende Stationsleiterin informiert worden.

Weitere Tötung am 24. Mai 2005 eingeräumt

Dennoch sei Niels H. nicht aus dem Dienstbetrieb entlassen worden. Er sei weder angesprochen noch seien andere Maßnahmen ergriffen worden, um weitere Taten zu verhindern. Stattdessen sei entschieden worden, ihn bis zum Antritt seines regulären Urlaubs am 24. Juni 2005 noch zwei Dienste versehen zu lassen, so die Ermittler.

Nach Angaben der Staatsanwaltschaft hat Niels H. gegenüber den Ermittlungsbehörden eingeräumt an seinem letzten Arbeitstag, dem 24. Juni 2006, einer Patientin das Medikament „Sotalex“ verabreicht zu haben. Es kann wie Gilurytmal einen reanimationspflichtigen Zustand hervorrufen. Die Patientin starb noch am gleichen Tag.

Das Landgericht Oldenburg hat über die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen die Beschuldigten noch nicht entschieden. Sollten es zu einer Verurteilung wegen Totschlags durch Unterlassen kommen, drohen den Angeklagten Freiheitsstraßen zwischen fünf und 15 Jahren.

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