Eltern von Schulschwänzern bekommen erst nach vielen Monaten einen Bußgeldbescheid Wer in Bremen länger als sechs Wochen in der Schule fehlt, wird gemeldet. Foto: WR
Bildung

366 Prozent mehr Bußgelder fürs Schwänzen

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Insgesamt 238 Mal ging die Bildungsbehörde im vergangenen Jahr juristisch gegen Schwänzer und ihre Familien vor. Ob in Bremen mehr geschwänzt wird oder häufiger eingegriffen, kann keiner so genau sagen.

Im Vergleich zum Schuljahr 2009/2010 ist die Zahl der Verfahren damit um satte 366 Prozent gestiegen. Damals waren lediglich 51 mal Bußgelder verhängt worden. „Wir können den Anstieg der Zahlen natürlich nur interpretieren“, sagt Annette Kemp, Sprecherin des Bildungsressorts.

Sie vermutet, dass die Schulreform und der Einsatz von Mitarbeiterin in den Regionalen Beratungs- und Unterstützungszentren (Rebuz) zu dem Anstieg beigetragen haben. „Vielleicht wird dann auch bei einigen härter durchgegriffen als früher“, vermutet Kemp.

Rebuz-Mitarbeiter leiten Verfahren ein

In Bremen werde niemand hängengelassen. „Wenn es allerdings keinen anderen Ausweg mehr gibt, dann werden Bußgelder fällig.“ Ob ein Verfahren eingeleitet wird, entscheiden die Mitarbeiter im Rebuz.

„Es gibt immer mehr Schüler, die wir mit dem, was Schule bietet, nicht erreichen können“, sagt Stefanie Höfer, die das Rebuz im Bremer Westen leitet. Jugendliche aus anderen Kulturkreisen, in denen die Schule eine geringere Bedeutung hat, aber auch Schüler mit Inklusionsbedarf sind ihrer Meinung nach besonders gefährdet, zum Schwänzer zu werden.

Schulmeider stärker im Fokus der Schulen

„Schulen können Schülern mit sonderpädagogischem Betreuungsbedarf vielfach nicht gerecht werden“, erklärt Höfer. Folge: „Die Schüler denken sich: Dann kann ich auch wegbleiben.“

Dass die Bußgeldzahlen steigen, liegt in Höfers Augen aber auch daran, dass Schulmeidung in Bremen seit einiger Zeit stärker in den Fokus gerückt ist, unter anderem seitdem das „Handbuch für Schulabsentismus“ veröffentlicht wurde.

Schulmeider-Projekte voll belegt

„Einige Schulen, die das Problem augenscheinlich vorher nicht hatten, reagieren inzwischen nachdrücklicher auf fehlende Schüler.“ Schulen sind verpflichtet, Schüler, die länger als sechs Wochen unentschuldigt fehlen, zu melden.

An speziellen Schulmeider-Projekten, die Jugendliche auffangen sollen, bevor ein Bußgeldverfahren eingeleitet wird, herrsche ein „riesengroßer Bedarf“, so Höfer. Die Plätze seien in der Regel voll belegt.

Besonders ältere Schüler schwänzen

Schulmeider finden sich laut Christian Gloede, Sprecher der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft Bremen, besonders in Berufsschulklassen und den letzten Jahrgängen von Oberschulen. Die gestiegenen Bußgeldfälle sind seiner Meinung nach „ein Ausdruck dafür, dass Lehrern oft die Zeit fehlt, Schülern zu helfen.“

Dass die Zahlen in Bremen so rasant gestiegen sind, geht aus einer Anfrage der FDP hervor. „Uns stört vor allem auch, dass niemand weiß, warum die Verfahren genau eingeleitet wurden“, sagt Fraktionsvorsitzende Lencke Steiner. Die genauen Gründe werden laut Senat nicht statistisch erfasst.

CDU hofft, dass Bremen das Thema ernster nimmt

Kristina Vogt, bildungspolitische Sprecherin der Linken, sagt, sie habe von Rebuz-Mitarbeitern gehört, dass dort das notwendige Personal für die Arbeit mit Schulmeidern häufig fehlt. Dabei sei die im „Handbuch für Schulabsentismus“ vorgesehene Vorgehensweise eigentlich gut. „Es geht schließlich nicht darum, Eltern zur Kasse zu bitten, sondern darum, Kindern zum Abschluss zu verhelfen.“

Auch Thomas vom Bruch, bildungspolitischer Sprecher der CDU, ist überrascht über den Anstieg der Verfahrenszahlen. „Ich hoffe sehr, dass man dieses Phänomen jetzt ernster nimmt als man das in der Vergangenheit getan hat“, sagt er.

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