Das Vorhaben des türkischen Staatschefs sorgt für Ärger unter Bremer Türken. Foto: WR Die bevorstehende Volksabstimmung in der Türkei spaltet Bremer Familien. Foto: WR
Konflikt

Thema Erdoğan sorgt für Ärger unter Bremer Türken

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Am 16. April soll das türkische Volk über die von Staatschef Recep Tayyip Erdoğan geforderte Verfassungsreform entscheiden. In der türkischen Gemeinschaft in Bremen sorgt dieses Vorhaben schon jetzt für große Spannungen.

Im Innenressort spricht man von einer problematischen Entwicklung. „Wir nehmen eine deutliche Anspannung in der türkischen Gemeinde wahr. In Gesprächen mit den Menschen stellen wir fest, dass das Thema Erdoğan sogar Familien spaltet“, berichtet Sprecherin Rose Gerdts-Schiffler.

Im Land Bremen leben etwa 10.000 wahlberechtigte Türken, wie das Generalkonsulat der Republik der Türkei in Hannover mitteilt. Diese können sich an der für Mitte April geplanten Volksabstimmung in der Türkei beteiligen. Dabei geht es um eine Verfassungsreform, mit der ein Präsidialsystem eingeführt werden soll. Falls die Abstimmung zugunsten des von Staatschef Erdoğan angestrebten Systems ausfällt, würde das seine Macht im Land deutlich stärken.

Erdoğan-Gegner mobilisieren

Die bevorstehende Entscheidung spaltet nicht nur die Menschen in der Türkei in zwei Lager. Sie bewegt auch die abstimmungsberechtigten Türken in Bremen. Das anatolische Bildungs- und Beratungszentrum aus Hemelingen hat jetzt zum Beispiel eine Kampagne gestartet, mit der sie Erdoğan-Gegner mobilisieren will.

„Geh zur Volksabstimmung – Sag dem Diktator Erdoğan mit deiner Stimme: Nein“, lautet ihr Slogan. Damit sprechen die Vereinsmitglieder ausdrücklich alle türkischstämmigen Menschen, unabhängig von Religions- und Volkszugehörigkeit, an.

Beschimpfungen und Bedrohungen

„Eigentlich sind wir hauptsächlich in der Intergrationsarbeit tätig. Aber wir haben uns dazu entschieden, gegen Erdoğan und die Verfassungsreform zu kämpfen“, erklärt Rahmi Tuncer vom Verein. Er berichtet von Beschimpfungen und Bedrohungen von Erdoğan-Befürwortern, mit denen er und seine Mitstreiter sich auseinandersetzen müssen, seit sie politisch aktiv sind.

Trotzdem will Tuncer weitermachen. Ihm gehe es dabei auch darum, einen Gegenpol zu den Aktivitäten der Erdoğan-Anhänger zu setzen. Diese seien vermehrt in Moscheen, türkischen Cafés und Jugendgruppen unterwegs. Dort würden sie dafür werben, dass Erdoğan für Stabilität, Sicherheit und Vaterlandsliebe steht – und ihnen anschließend eine Busreise für den 16. April nach Hannover ins Generalkonsulat anbieten, wo sie ihre Stimme in der Entscheidung über die Verfassungsreform abgeben ­können.

Das bestätigt auch Bürgerschaftsabgeordneter Cindi Tuncel (Linke), der ebenfalls türkische Wurzeln hat. Erdoğans AKP-Partei sei sehr gut organisiert und würde in den Moscheen unter dem Radar für den Staatschef werben – inklusive Freifahrten nach Hannover.

Demokratie hilft Diktatur

„Erdoğan ist längst ein Problem in Bremen. Seit dem Putsch werden die Menschen hier ausspioniert und eingeschüchtert“, so Tuncel. Wer sich in Bezug auf Erdoğan negativ äußert, müsse mit Bedrohungen gegen sich oder seine Verwandten in der Türkei rechnen, erklärt der Bürgerschaftsabgeordnete.

„Es ist unglaublich. Diese Menschen genießen hier alle Vorteile der Demokratie, um eine Diktatur zu errichten.“

Inwiefern in Bremen mit offenen Konflikten zwischen Erdoğan-Anhängern und -gegnern zu rechnen ist, kann Rose Gerdts-Schiffler noch nicht sagen. Äußerlich sei die Lage momentan ruhig. „Wir hoffen, dass es so bleibt“, sagt sie.

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