Gundo von Bültzingslöwen lebt im totalen Chaos. Foto: Schlie Gundo von Bültzingslöwen lebt im totalen Chaos. Foto: Schlie
Desolater Zustand

Chaos-Haus im Viertel: Ex-Chef würde weitermachen

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Die Tür verrammelt, die Scheiben voller Graffity – das Gebäude Vor dem Steintor 95 verwahrlost zusehends. Doch drinnen brennt Licht. Der ehemalige Besitzer haust in seinem einstigen Schreibwarengeschäft.

Es ist 6 Uhr morgens.  Gundo von Bültzingslöwen bettet sein Haupt auf eine dünne Schaumgummimatte, die mit Mühe und Not in die wohl einzige freie Ecke des Ladenlokals passt.

„Seit Monaten halte ich nachts Wache. Man hat zu oft versucht, hier einzubrechen“, klagt der ehemals erfolgreiche Unternehmer. Geblieben ist ihm aus den „goldenen Zeiten“ mit 20 Angestellten nichts, außer jede Menge Frust und Ärger.

Vom Schicksal gebeutelt

Das Schicksal habe ihm schwer zugesetzt, berichtet der Spross eines verarmten Adelsgeschlechts. 1988, als er das Geschäft „Habü“ von seinem Vater  Hans übernahm, florierte es.

Noch besser seien die 90-er Jahre gewesen. Doch dann ging es rapide bergab. Zunächst waren es eine Steuernachzahlung von rund 23.000 Euro,  die er nicht leisten konnte.

Schuldenfalle schnappte zu

Dann investierte er 60.000 Euro in ein Warenwirtschaftssystem, was er nie zum Laufen brachte. Die Schuldenfalle schnappte zu. „Letztlich hat mir die Bank einen Kredit über 165.000 Euro gekündigt und mir wurde die Gewerbelizenz entzogen. 2013 musste ich dann schließen.“

Während dieser Phase wurde er letztlich noch von seiner Frau verlassen und der Bruder nahm sich das Leben. „Das gab mir den Rest“, so der Viertel-Bewohner, der seit vier Jahren ohne fließend Wasser im Steintor „lebt“.

Kein Wasser, nur Strom

Strom gibt es noch. „Den kann man nicht einfach abstellen“, so von Bültzingslöwen. Also kocht er einmal pro Tag eine warme Mahlzeit auf zwei Herdplatten oder in der Mikrowelle.

Lebensmittel liegen auf allen drei Etagen zwischen dem verbliebenen Warenbestand verstreut. Und davon gibt es eine Menge – vom Taschenrechner aus dem Jahr 1998 bis zu Playmobil-Sets. Verkaufen darf er davon nichts.

Dubioser Finanzmakler kam ins Spiel

„Vermarktet“ hat er zu Beginn der Krise dafür sämtliche Immobilien, die sich mal im Bestand der Familie befanden. Er wollte gegen die drohende Zwangsversteigerung aufbegehren und fiel während der verzweifelten Suche nach Hilfe auf einen dubiosen Finanzmakler herein.

Diesem hat er seinen gesamten Besitz überschrieben, inklusive des Gebäudes, in dem sich die Restbestände der Firma „Habü“ und damit sein Zuhause befinden.

„Ich wurde über den Tisch gezogen“

„Natürlich wurde das notariell beglaubigt. Ich habe erst zu spät gemerkt, dass man mich total über den Tisch gezogen hat“, bedauert er. Jetzt wolle ihm kein Anwalt mehr helfen und auch Ärzte würden ablehnen, ihn zu behandeln. „Ich fühle mich wie ein Mensch zweiter Klasse.“

Zum Leben hat er eine kleine Rente. Dennoch bitte er ab und an bei den vielen ehemaligen Stammkunden, die in der Nachbarschaft leben, um ein paar Euro. „Geben will mir aber keiner etwas“, klagt er.

Was er sich aber noch viel mehr wünscht, als Bares: „Ich will den Laden gerne wieder aufmachen.“ Wie es vor Ort weiter geht, bleibt indes unklar. Auf Nachfrage bei besagtem Finanzmakler hieß es: „Mit der Immobilie haben wir nichts zu tun.“

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