Archäologe Dr. Dieter Bischop kratzt in der Erde des alten Holzkastenbrunnens. Neben diesem Brunnen aus dem 5. Jahrhundert wurden auf dem Baufeld für das Übergangswohnheim für Flüchtlinge in Huchting (am alten Bolzplatz, Obervielander Straße) auch Brunnen gefunden, die noch 1.000 Jahre älter sind. Foto: WR Archäologe Dr. Dieter Bischop kratzt in der Erde des alten Holzkastenbrunnens. Neben diesem Brunnen aus dem 5. Jahrhundert wurden auch Brunnen gefunden, die noch 1.000 Jahre älter sind. Foto: WR
Archäologie

Historischer Fund bremst Bau von Flüchtlingsheim

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Auf einer Baustelle für ein Flüchtlingsheim in Bremen - Huchting wurden Brunnen aus vorchristlicher Zeit entdeckt. Der Fund beweist: Über 1.000 Jahre haben in der Bronze- und Eisenzeit Menschen in der Siedlung gelebt.

Auf den ersten Blick sieht der ehemalige Bolzplatz in Huchting aus, wie eine ganz normale Baustelle: Die Erde ist aufgerissen, Bagger stehen herum und trotz des strömenden Regens sind erstaunlich viele Leute unterwegs.

Erst auf den zweiten Blick fällt auf, dass die meisten Arbeiter filigraneres Werk verrichten, als sonst auf dem Bau üblich. Es ist ein Team der Landesarchäologie, das nach Überresten aus alten Zeiten sucht, hier, wo eigentlich gerade ein Übergangswohnheim für Flüchtlinge entstehen soll. 

Schon vorher gab es Hinweise auf eine Siedlung

„Ich hoffe mal, dass sie nichts finden“, hatte Sozialsenatorin Anja Stahmann vergangene Woche bei der Eröffnung des benachbarten Flüchtlingswohnheims noch gesagt. Doch da war es schon zu spät: Dr. Dieter Bischop, wissenschaftlicher Referent der Landesarchäologie, und sein Team waren bereits auf einen Brunnen aus der Eisenzeit gestoßen.

Eine Siedlung war hier schon früher vermutet worden. Schließlich hatte Bischop auf der anderen Seite der Obervielander Straße, schon 1995 bei einer Grabung alte Grabstätten der Chauken gefunden.

Über 1.000 Jahre Siedlungsort

Mittlerweile sind neben dem Eisenzeitbrunnen, der vermutlich von etwa 450 nach Christi stammt, noch weitere Brunnen aufgetaucht. Zwei davon, direkt nebeneinander liegend, wurden wohl schon zwischen dem achten und dem sechsten Jahrhundert vor Christi erbaut.

Das heißt: Über einen Zeitraum von mehr als 1.000 Jahren haben in der Bronze- und Eisenzeit Menschen auf diesem Stückchen Land gelebt.

Brunnen als Abfallhalde – und als wunderbarer Fundort

Brunnen sind für Archäologen wunderbare Fundstücke – ein wenig wie Grabstellen. Wenn sie versiegt sind, werden sie von den Menschen der Zeit gerne als Abfallraum benutzt.

Vor allem altes Geschirr ist immer wieder zu finden. Auch in Huchting hat das Archäologie-Team schon etwas gefunden: Etwas rau ist die schwarze Tonscherbe, die Bischop vorzeigt. Geschmückt ist sie mit Linien, die spitz aufeinander zulaufen, außerdem hat der Hersteller Stempel in den Ton gedrückt und so ein rundes Gittermuster erschaffen.

Bischop hofft, in dem jüngeren Brunnen auch noch auf römische Artefakte zu stoßen, um mehr über die Handelsbeziehungen der Sachsen zu erfahren. Er schabt mit einer Art Spachtel ein wenig in der Erde, die von dem Holzkastenbrunnen eingeschlossen ist, als er das erzählt – das nächste Fundstück könnte schließlich überall sein.

Notgrabung statt Lustgrabung

An manchen Stellen auf dem Gelände sieht man, dass die ersten Bauarbeiten etwas zu rasch vorangetrieben wurden: Direkt neben dem Holzkastenbrunnen aus dem fünften Jahrhundert ragt ein grünes Rohr aus der Erde, das als Wasserleitung für die geplante Flüchtlingsunterkunft dienen sollte.

Noch rechtzeitig aber konnten die Archäologen das Feld übernehmen. „Das hier ist eine Not-, keine Lustgrabung“, betont Bischop.

Das heißt: Archäologisch bearbeitet werden nur die Flächen, auf denen später die Fundamente für die Flüchtlingsunterkunft ausgehoben werden. Alles, was durch den Bau nicht aufgebuddelt wird, bleibt unangetastet. „Spätere Generationen können die Artefakte vielleicht besser ausgraben als wir.“

Schon bald kann weiter am Flüchtlingsheim gebaut werden

Schon in neun oder zehn Tagen wollen die Archäologen fertig sein und wieder Platz für die Bauarbeiter machen. Dann können die Bauarbeiter wieder übernehmen und die Gebäude errichten, in denen Flüchtlinge ein Übergangsheim finden sollen.

Ein wenig schließt sich dadurch ein Kreis: Zur Zeit der Völkerwanderungen, gegen 450 nach Christi, mussten die Sachsen das kleine Gebiet der vielen Brunnen verlassen. Durch die Klimaveränderung war das Land ringsum zu nass geworden.

„Die, die hier damals hier gelebt haben, waren später auch Flüchtlinge. Jetzt finden wir ihre Überreste durch den Bau eines Flüchtlingsheims. Das passt doch irgendwie“, so Bischop.

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