Dem Demenzpass gibt es nicht nur für Betroffene, sondern auch für Angehörige. Sie können damit unter anderem diskret die Situation erklären, wenn sich der Erkrankte ungewöhnlich verhält und Aufmerksamkeit erregt. Foto: Schlie
Demenz

Ein Pass gegen die Orientierungslosigkeit

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Wo er gezückt wird, sollten alle Anwesenden wissen, wie sie sich am besten verhalten: Der in Bremen neu eingeführte Demenzpass ist als Hilfe für Erkrankte gedacht, wenn ihnen gerade nichts mehr vertraut vorkommt.

Er ist so groß wie eine EC-Karte und passt deshalb gut ins Portmonee. Wer ihn zückt, übermittelt damit eine klare Botschaft: „Ich bin demenzkrank. Bitte haben Sie etwas Geduld.“
„Die Idee für den Demenzpass kam aus unserer Selbsthilfegruppe für Menschen mit beginnender Demenz“, sagt Tanja Meier, Leiterin der Bremer Demenz Informations- und Koordinationsstelle.

„Ein Betroffener ist gern mit dem Fahrrad unterwegs. Seine Frau hatte ihm den Personalausweis aus dem Portmonee genommen, weil er ihn ständig verloren hat“, sagt Meier. Weil der Mann sich trotzdem ausweisen und im Fall der Fälle gleich auf seine besondere Situation aufmerksam machen wollte, entwickelte die Selbsthilfegruppe den Demenzpass.

Bilder zur besseren Orientierung

Auf der Rückseite trägt er den Namen seines Inhabers sowie Piktogramme für die Polizei, einen Arzt und eine Toilette, damit die Besitzer ihre Bedürfnisse auch äußern können, wenn der Sprachschatz ihnen einen Strich durch die Rechnung macht. „Viele Betroffene erzählen, dass ihnen die Wörter nicht einfallen, wenn sie aufgeregt sind“, erzählt Meier.

Sie schätzt die Zahl der Demenzkranken in Bremen auf rund 15.000, Tendenz: steigend. „Die Deutsche Alzheimerstiftung hat die Zahlen rein statistisch errechnet“, erklärt sie. Zugrunde lag dafür lediglich die Zahl der über 65-Jährigen in Bremen. Dabei kommen auch jüngere Menschen in die Beratungsstelle an der Bahnhofstraße 32. „14 Prozent unserer Beratungen machen wir für Unter-65-Jährige“, so Meier.

Nicht nur ein Thema für Betroffene

Schon längst sei Demenz nicht mehr nur ein Thema für Angehörige und Pflegekräfte. „Wir treffen sie im Supermarkt und an der Bushaltestelle“, sagt die Beraterin. Wenn Senioren allein leben und ihre Familie weit weg wohnt, seien es häufig andere, die bemerken, dass etwas nicht stimmt.

Zum Beispiel der Verkäufer, dem auffällt, dass die ältere Dame neuerdings täglich Toilettenpapier kauft. Und es können auch völlig Unbekannte sein, denen auffällt, dass sich der ältere Herr seit Minuten suchend umschaut oder in Pantoffeln unterwegs ist.

Das Wichtigste: Geduld zeigen

Wer Demenzkranken begegnet oder sogar den Demenzpass eines Betroffenen unter die Nase gehalten bekommt, sollte vor allen Dingen Geduld beweisen, rät Meier. „Wenn jemandem ein Wort nicht einfällt, sagen Sie: Wir haben Zeit, denken Sie in Ruhe nach.“ Denn unbemerkt von den Passanten, die helfen wollen, können sich in den Betroffenen emotionale Dramen abspielen.

„Scham ist für viele Betroffene ein Problem, weil sie denken, sie müssten doch wissen, wie ihre Frau heißt oder wo sie wohnen. Gleichzeitig haben sie Angst, weil sie nicht wissen, was gerade passiert“, erklärt die Leiterin der Koordinierungsstelle. Passanten sollten in dieser Situation Ruhe vermitteln und die Betroffenen nicht mit Fragen bombardieren.

Ein Pass auch für Angehörige

Wie aber sollen sich Demenzkranke im Falle ihrer Orientierungslosigkeit überhaupt daran erinnern, dass sie einen entsprechenden Ausweis in der Tasche haben? „Natürlich kann er das vergessen“, sagt Meier. „Aber er bietet zumindest eine Möglichkeit mehr, die Situation zu erklären.“

Übrigens: Auch für Angehörige von Demenzerkrankten gibt es einen speziellen Ausweis. Mit ihm können sie diskret auf die Situation hinweisen, wenn sich ihr Begleiter ungewöhnlich verhält. Außerdem gibt er an, wer in einem Notfall alarmiert werden soll – damit nicht der Demenzerkrankte zu Hause die Nachricht erhält, dass zum Beispiel seine Frau verunglückt ist.

Alle Informationen und die kostenlosen Pässe gibt es bei der DIKS unter Telefon 14 62 94 44.

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