Oft wird der Notruf schon wegen Bagatellen gerufen. Echte Notfälle aber müssen leiden, wenn die Krankenwagen oder Feuerwehren sowie die Rettungssanitäter mit solchen Notrufe n beschäftigt sind. Foto: av Rechtzeitig am Unfallort: In Notsituationen zählt jede Sekunde. Durch den Missbrauch von Notrufnummern müssen Helfer jedoch immer wieder Zeit entbehren, die sie eigentlich gar nicht haben. Foto: av
Notruf-Missbrauch

Auf Leben und Tod: Problem des Notruf-Missbrauchs

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Der Hausarzt hat schon geschlossen? Ein Fingernagel ist eingerissen? Für viele Menschen sind das bereits Gründe, den Notruf zu alarmieren. Das kostet die Einsatzkräfte Zeit und Ressourcen, die an anderer Stelle fehlen.

Alarmierende Zahlen nach dem Osterwochenende: Beim Malteser Hilfsdienst gingen von Karfreitag bis Ostermontag 7.777 Notrufe ein. Doch weitaus erschreckender als diese Zahl ist die Tatsache, dass darauf in gerademal 493 Fällen ein Krankenwagen ausrücken musste.

Die meist älteren Nutzer des Hausnotrufes meldeten sich oft aus Einsamkeit. „Viele sind soziale Rufe oder Fehlalarme, bei denen sich herausstellt, dass die Senioren eigentlich nur mal mit jemandem sprechen wollten“, erklärt Marco Sassi, Leiter des Malteser Service Center.

Einsatzkräfte wegen Bagatellen alarmiert

In der Einsatzzentrale der Bremer Feuerwehr ist dieses Problem auch bekannt. Dort können 14 Anrufe gleichzeitig bearbeitet werden, gerade nimmt ein Mitarbeiter wieder einen neuen an: „Mein Fingernagel ist eingerissen. Und das blutet sogar schon!“.

In der nächsten Leitung berichtet ein älterer Herr über sein Problem: „Von meinem Rollator ist das Rad abgefallen. Können Sie mir da weiterhelfen?“ Mehrmals täglich erreichen solche Meldungen die Notrufzentrale der Feuerwehr, die eigentlich nur angewählt werden sollte, wenn aufgrund einer Notsituation oder lebensbedrohlicher Umstände unmittelbar Hilfe geleistet werden muss.

Nur die Hälfte der Notrufe erfordert einen Einsatz

„Das ist kein Spaß mehr“, sagt Michael Richartz, Sprecher der Feuerwehr Bremen. Zu 81.000 Einsätzen sind Feuerwehr- und Rettungsfahrzeuge im vergangenen Jahr ausgerückt, doch fast doppelt so oft – etwa 160.000 Mal – wurde in Bremen die 112 gewählt. Manchen Anrufern passiere das aus Versehen, etwa, wenn sich Anrufer bei der Kurzwahl auf dem Handy vertippten.

Oder es gingen unabhängig voneinander mehrere Anrufe zur selben Situation ein, berichtet Richartz. Doch einen großen Teil machen auch die Anrufe aus, die eigentlich gar kein Fall für den Rettungsdienst sind.

„Ein gesellschaftspolitisches Dilemma“

„Die Erwartungshaltung der Menschen hat sich in den vergangenen Jahren extrem verändert“, so der Feuerwehrsprecher. „Da stecken wir in einem gesellschaftspolitischen Dilemma. Die Leute werden immer unselbstständiger und wählen für Bagatellen den Notruf.“

Richartz ist der Ansicht, dass der Kassenärztliche Notdienst stärker beworben werden müsste, welcher außerhalb der üblichen Praxissprechstunden für solche Fälle zuständig ist. Er ist seit einigen Jahren nicht mehr nur über regionale Rufnummern, sondern bundesweit unter 116117 erreichbar. „Da ist ganz viel Infoarbeit zu leisten“, so der Sprecher der Feuerwehr.

Gezielter Missbrauch der Notrufnummern

Die Bremer Polizei leidet ebenfalls unter dem Problem: „Durch den Missbrauch von Notrufnummern wird die Leitung für Anrufer blockiert, die dringend Hilfe benötigen“, sagt Polizeisprecher Nils Matthiesen. Es gebe Personen, die betrunken und ohne Anlass immer wieder die 110 wählten.

Doch nicht nur aus Unwissen oder Unselbstständigkeit werden die Einsatzkräfte alarmiert. Immer wieder kommt es zu gezieltem Missbrauch: Oft würden in der Mittagszeit Kinder anrufen, die gerade allein Zuhause sind, berichtet Richartz. „Dann hört man sie Lachen und Kichern, einer ruft noch ,es brennt‘, bevor sie dann auflegen.“

Tätern drohen strenge Konsequenzen

Und auch Erwachsene täuschen regelmäßig Notfälle vor. Vor einigen Monaten fuhr die Feuerwehr beispielsweise zu diversen Einsätzen nach Tenever, einen Brand suchten die Einsatzkräfte aber vergeblich. „Da wurden wir regelrecht verarscht. Die Anrufe waren sehr glaubhaft, mit mehreren Stimmen. Und im Zweifelsfall rücken wir halt aus“, erzählt Richartz.

Solche Fälle werden zur Anzeige gebracht, und das könne dann richtig teuer werden. Denn ein Einsatz kostet – je nach Größe – schnell mehrere tausend Euro. Im schlimmsten Fall drohen sogar Freiheitsstrafen. „Das ist kein Kavaliersdelikt mehr“, sagt Richartz. „Schließlich geht es um Leben und Tod.“

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