x1_Schlachthofkneipe_3sp_Klein. Foto: Trey Kneipenbetreiber Oliver Trey fühlt sich vom Rechtsstaat allein gelassen. . Foto: Raddatz
Rechtsprechung

Kaum Strafen für obdachlose Einbrecher

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Gaststätten-Betreiber Oliver Trey hat mit vielen Einbrüchen zu kämpfen, bei denen es selten zur Verurteilung kommt. Der Fall zeigt: Bremen hat ein Problem damit, obdachlose Kriminelle hinter Gitter zu stecken.

„Was soll denn noch passieren, müssen wir die Sache selbst in die Hand nehmen?“ Oliver Trey, Besitzer der Schlachthofkneipe in Findorff, klingt verzweifelt, wenn er von dem Problem berichtet, mit dem er und seine Angestellten zu kämpfen haben. 

Es sind die Einbrüche, die dem Bremer zu schaffen machen. 60 Stück, nach eigenen Angaben – allein in den letzten drei Jahren. „Ich schätze den Gesamtschaden auf 20.000 bis 30.000 Euro“, bilanziert Trey. Geld, das für viele geplante Events nun flöten gegangen sei.

Die übliche Ausbeute: 100 Euro

Doch was ihn wütender macht als die schiere Anzahl, ist die Tatsache, dass eine Vielzahl der Einbrüche auf das Konto eines einzelnen Mannes geht. „Ein im Bezirk bekannter Drogenabhängiger, mit dem wir bislang schon 19 Mal das Vergnügen hatten“, so Trey.

Auf Video hätten sie den obdachlosen Mann aufgenommen, als dieser frisch am Werk war. Sogar auf die Polizeiwache habe man ihn geschleppt, die gestohlenen Waren im Rucksack gefunden – Alkohol, kleine Elektrogeräte, Ramsch – nicht einmal 100 Euro wert. „Die übliche Ausbeute“, so Trey.  

„Wir wissen uns nicht mehr zu helfen“

Doch zu einer Verurteilung sei es nicht gekommen – die Anzeige, wie schon so viele davor, sei fallen gelassen worden. „Und dann, um den ganzen noch die Krone aufzusetzen, spaziert er am nächsten Tag seelenruhig hier lang, als wäre nie was gewesen“, sagt Trey mit Wut in der Stimme.

Einmal hätte es bereits eine Konfrontation gegeben, es wurde beleidigt, geschubst – und endete schließlich in einer Strafanzeige wegen Körperverletzung für Trey. „Die Polizei kann nichts tun, die Staatsanwaltschaft macht nichts, wir wissen uns nicht mehr zu helfen“, sagt Trey. 

Nicht nur in Findorff

Wachdienste oder teure Sicherheitsvorrichtungen könne sich der kleine Betrieb nicht leisten. Wertvolle Gegenstände würden sich ohnehin nicht mehr in den Außenbeschlägen finden. Den Einbrüchen hätte das kein Abbruch getan – vergangene Woche gab es den letzten, von eben jenem Altbekannten. 

Man habe bereits resigniert, sagt Trey. Er fragt: „Wieso wird der nicht weggesperrt?“ So wie ihm ginge es mehreren Gaststätten-Besitzer – nicht nur in Findorff – und nicht nur mit dem klauenden Pappenheimer. 

Es gelte die Unschuldsvermutung

„Es ist sicherlich kein Einzelfall“, bestätigt auch Frank Passade, Sprecher der Bremer Staatsanwaltschaft. Beschaffungskriminalität gäbe es in Bremen zuhauf. Und auch der Schlachthofkneipen-Einbrecher sei kein Unbekannter, sein Strafenregister ellenlang.

Doch warum er bislang nur ein einziges Mal eine einjährige Haftstrafe verbüßte, dafür hat Frank Passade eine Erklärung: „Da der Mann wohnungslos ist, kann man ihm keine Vorladung zur Gerichtsverhandlung zusenden.“ 

Der Staatsanwalt versucht näher zu erläutern: „Schuldig ist nur der, der vor Gericht schuldig gesprochen wird, Videoaufnahmen hin oder her.“ Vorher gelte nun mal die Unschuldsvermutung. 

Einen Unangreifbaren greifbar machen

Auch könne der Mann nicht in Untersuchungshaft genommen werden, sagt Passade: „Für einen Haftgrund muss ein Strafmaß von mehr als einem Jahr in Aussicht stehen.“ Doch dafür reiche das Verbrechen nicht aus – ein Bagatelldelikt. Vom Verfahrensaufwand höher als der angerichtete Schaden. 

Aber wie dann jemanden zu greifen kriegen, der scheinbar unangreifbar ist? Da wisse auch der Jurist keine befriedigende Lösung: „Da müsste der Mann von der Polizei schon auf frischer Tat ertappt werden.“

Dinge, die unter den Tisch fallen 

Bei Betroffenen wie Oliver Trey stößt das auf Unverständnis: „Was soll das heißen? Dass es nun ewig so weiter geht, bis wir mal Glück haben?“ Es höre sich nach einem Freifahrtsschein für kriminelle Obdachlose an.

Eine Lücke im Rechtssystem? Frank Passade will das so nicht gelten lassen: „So etwas nimmt der Rechtsstaat in unserem Land nun mal in Kauf.“ Und weiter: „Sie glauben gar nicht, wie viele solcher Delikten unter den Tisch fallen.“   

 

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