Peer Ruchel vor dem Ofen, der an die 1.000 Brötchen gleichzeitig backen kann. Foto: Raddatz Peer Ruchel vor dem Ofen, der an die 1.000 Brötchen gleichzeitig backen kann. Foto: Raddatz
Bäckersterben

Bremer Backhandwerk: Die Letzten ihrer Art

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Es ist so einfach: Den Einkaufswagen durch den Supermarkt geschoben, das Brötchen schnell aus dem Automaten eingesackt. Das Prinzip Bequemlichkeit setzt sich durch. Nur wenige backen in Bremen noch traditionell.

Für ein gutes Brot braucht es nicht viel: Mehl, Wasser, Hefe, Salz. Den Rest je nach Gusto. Das Ganze zu einer fluffigen Masse kneten, ruhen lassen, anschneiden, ab in den Ofen – fertig ist das deutsche Qualitätsprodukt namens Brot. Doch worauf der Rest der Welt neidisch blickt, gehört zu einer aussterbenden Gattung. 

„Supermärkte und Backdiscounter machen dem klassischen Backhandwerk zu schaffen“, sagt Peer Ruchel. „Der Kunde greift beim Einkauf einfach in den Backautomaten, und schon ist er glücklich. Die Leute sind faul geworden.“ Der 54-Jährige weiß, wovon er spricht: Seit knapp einem Vierteljahrhundert betreibt er eine eigene Bäckerei in Horn-Lehe.  

Oben wohnen, unten backen

Sein Tag beginnt um 2 Uhr nachts, wenn der Großteil der Hansestädter noch schläft. Dann stehen er und sein Team bis morgens früh in der Backstube. Zu acht wird von Hand geknetet, gemischt, garniert, gebacken. 

„Es ist anstregend und zeitaufwendig“, sagt Ruchel, doch er würde es nie anders machen: „Es macht Spaß, einzigartig zu sein.“ Damals, als er angefangen hat, 1979, soll es sie an fast jeder Ecke gegeben haben: die traditionellen Bäcker, die oben wohnten, unten backten – „und nicht nur Knöpfe drücken, um die angelieferten Teigrohlinge zu erhitzen“, sagt Ruchel. „Das hat nichts mit Handwerkskunst zu tun.“ 

„Die werden mehr, wir immer weniger.“

Die „Großen“ wie er sie nennt, würden es sich einfach machen: In den Fertigmischungen der Backdiscounter, Ketten und Supermärkte, teils aus Osteuropa eingeliefert, finde sich so einiges, was in einem Brot nichts zu suchen habe: Emulgatoren, um Fette mit Wasser zu mischen, Enzyme für die Haltbarkeit – nicht prinzipiell schlecht im Geschmack – doch, so Ruchel: „Eine Chemiekeule, gesundheitlich fragwürdig, und dann noch die ganzen fremden Hände, die in den Automaten greifen. Schrecklich.“ 

Und doch: „die werden mehr, wir immer weniger.“ Die reellen Zahlen bestätigen das, wie Stefan Schiebe, Geschäftsführer der Bäckerei-Innung sagt: „Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es in Bremen in jeder Straße mehrere, 1980 nur noch 300, heute sind es vielleicht noch 35.“ 

Ein Grund: demografischer Wandel

So wie Ruchel sieht Schiebe aber nicht nur in dem Konsumverhalten der Kunden den Grund für den Rückgang der traditionellen Bäcker: „Auch das Handwerk an sich hat in Deutschland derzeit einen schweren Stand.“

Aufgrund des demografischen Wandels könnten sich Jugendliche ihren beruflichen Werdegang nahezu frei aussuchen. Immer weniger liege dieser im Handwerk. „Auch weil das Image etwas angestaubt ist“, gibt Schiebe zu. 

Spezialisieren, überleben

Doch Hoffnung, die gebe es auch weiterhin: „Den Handwerksbäcker wird es immer geben, da es die Nische immer geben wird“, ist sich Schiebe sicher. Dem schließt sich auch Peer Ruchel an: „Wer sich spezialisiert, wird überleben.“

Für sein Brot kämen die Leute aus ganz Bremen – einige sogar aus umzu. „Viele wollen einfach tolles Brot, das sich abhebt“, so Ruchel. Irgendwann wird sein Sohn das Familiengeschäft übernehmen. Es wäre dann die fünfte Generation. 

Hier wird in Bremen noch selber gebacken. 

 

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