Dr. Amit Choudhury ist seit 2011 Chefarzt der Geriatrie. Foto: Harm Dr. Amit Choudhury ist seit 2011 Chefarzt der Geriatrie. Foto: Harm
Interview

Wenn das Erinnern und der Alltag schwerer werden

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Welche Freizeitaktivitäten sind für Demenzkranke geeignet? Und wie gehen die Kliniken mit an Demenz erkrankten Patienten um? Diese und weitere Fragen beantwortet Geriatrie-Chefarzt Dr. Amit Choudhury im Interview.

Weser Report: Was sind die ersten Anzeichen von Demenz?

Dr. Amit Choudhury: Es ist eine schleichende Erkrankung. Die ersten Anzeichen sind schwer unterscheidbar von Gedächtnisproblemen, die wir alle mal haben, besonders wenn man im Stress ist. Man spricht von einer Demenzerkrankung, wenn Gedächtnisstörungen da sind, die sich alltagsrelevant auswirken, in der Regel auch andere kognitive Funktionen betroffen sind und das Ganze länger als sechs Monate nachweisbar ist. Ein Anzeichen ist zum Beispiel, wenn jemand dem Gespräch nicht mehr folgen kann oder sowohl Einkaufen als auch die Nahrungsaufnahme nicht mehr klappen.

Demenz ist eine Erkrankung, die vor allem im höheren Alter auftritt. Gibt es auch schon Demenz bei Jüngeren?

Das gibt es auch, das ist dann meist eine familiäre Demenzform. Es gibt zum Beispiel eine Form der Alzheimerschen Erkrankung, die genetisch bedingt ist. Gott sei Dank sind die sehr selten.

Wie geht man mit einer dementen Person am besten um?

Es gibt viele Faktoren, die dabei wichtig sind. Einer davon: Wenn man anfängt an Demenz zu leiden, merkt man das selbst und entwickelt eine Strategie, damit umzugehen, häufig eine abwehrende. Das Selbstwertgefühl ist angeknackst und die Menschen ziehen sich häufig sozial zurück oder überspielen die Krankheit. Es gibt Techniken, der Kommunikation mit Demenzkranken, die den Umgang erleichtern sollen. Im Kern geht es darum, den Menschen so anzunehmen wie er ist und sein jeweiliges emotionales Gefühl zu erkennen, statt auf der inhaltlichen Ebene zu widersprechen. Es gibt auch einfache Regeln: Metaphern meiden und Dinge, mit viel Geduld öfters wiederholen.

Welche Aktivitäten eignen sich für eine an Demenz erkrankte Person?

Alles, was der betroffenen Person noch Spaß macht und was sie noch machen kann und wo keine Gefahren auftreten, zum Beispiel Gartenarbeit, um den Hund kümmern und so weiter. Das ist ganz individuell. Ein mildes körperliches Training ist hilfreich, zwei bis drei Mal die Woche etwa eine Stunde. Was definitiv nicht hilft, ist Gedächtnistraining, weil es die betroffene Person immer wieder auf die Krankheit zurückstößt.

Wie kann man die Lebensqualität noch verbessern?

Wichtig ist auch, auf die Ernährung zu achten. Dabei geht es nicht darum, irgendwelche Diäten durchzusetzen, sondern zu schauen, dass man sich ausreichend ernährt. Denn wer an Demenz erkrankt, hat ein höheres Risiko abzunehmen, Muskulatur abzubauen und dann gebrechlicher zu werden. Das sollte man vermeiden.

Was ist für pflegende Angehörige wichtig?

Die Grenzen zu erkennen. Und wenn die Erkrankung früh erkannt wird, gemeinsam darüber sprechen, wann Hilfe angenommen wird, wie Kurzzeitpflege oder Pflegedienste. Wenn die Erkrankung lang genug voranschreitet, führt sie irgendwann zu Pflegebedürftigkeit. So lang es geht, sollte man in den heimischen vier Wänden bleiben. Wenn es aber nicht mehr geht, sollte man professionelle Hilfe zum Beispiel bei einem Senioren-Pflegeheim in Anspruch nehmen.

Wie geht man in den Kliniken mit Demenz um?

Wir sind in den Einrichtungen deutlich stärker mit der Problematik konfrontiert als früher. Wir müssen uns noch anders aufstellen. Wir haben da noch einen Weg vor uns. Das Krankenhaus ist mit seinen Abläufen für Demenzkranke schwierig. Sie kommen in eine fremde Struktur. Wenn zum Beispiel Blut abgenommen werden muss, können die Patienten das häufig nicht nachvollziehen. Das kann die kognitive Situation stark verschlechtern. Häufig kommt bei dementiell vorerkrankten Patienten ein akuter Verwirrtheitszustand dazu. Das müssen wir versuchen, aufzufangen, wenn es passiert. Das geht durch einen individuell eingerichteten Pflegeprozess.

Das klingt nach einer Personalfrage.

Das ist eine Personalfrage, aber auch eine Bildungsfrage. Wir haben in der Geriatrie pro Station eine Mitarbeiterin im Krankenhaus zur Demenzexpertin ausgebildet. Die Landesinitiative Demenz in Bremen, ein Zusammenschluss von Krankenhausmitarbeitern, organisiert zudem noch Fortbildungsmaßnahmen. In Bremen-Nord ist seit diesem Jahr die mobile Rehabilitation im Einsatz. Darüber können für bestimmte Patienten Reha-Maßnahmen in den eigenen vier Wänden angeboten werden.

Wie kann man Demenz vorbeugen?

Es gibt verschiedene Formen der Demenzerkrankung. Für die vaskuläre- und die Alzheimervariante, die größten unter den Unterformen, gibt es Risikofaktoren, die die Erkankung erhöhen: Bluthochdruck, Diabetes, Adipositas, reduzierte Bewegung. Die kann man präventiv angehen. Für die Erkrankung selbst, die Ablagerung von Eiweißen im Gehirn, ist das eine andere Geschichte. Da gibt es noch keine Medikation oder Impfung, die fundamental Abhilfe schafft.

Zur Person:
Dr. Amit Choudhury (49) ist seit 2011 Chefarzt der Geriatrie und Frührehabilitation am Klinikum Bremen-Nord. Zuvor war am St. Joseph-Stift tätig.

 

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