Polizei Einer der Täter hat sich zwischenzeitlich der Polizei gestellt. Foto: WR
Nach Lynchjustiz

Staatsanwaltschaft und Medienanstalt ermitteln

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Mehrere Männer überfallen einen Mann, weil sie glauben ihn in einem TV-Beitrag über eine neue Masche von Pädophilen erkannt zu haben. Die Staatsanwaltschaft ermittelt nach wie vor. Auch eine Medienanstalt prüft den Fall.

Knapp zwei Wochen ist der Übergriff mehrerer Täter auf einen 50-jährigen Mann her. Es ist ein Fall von Lynchjustiz, wie sie die Staatsanwaltschaft nur selten sieht. „Ein Fall wie in dieser Form, dass eine Gruppe nach einem Fernsehbeitrag auf jemanden losgeht, ist mir bisher nicht bekannt“, sagt Frank Passade, Sprecher der Staatsanwaltschaft Bremen.

Mitte Juni haben mehrere Männer einen Mann in dessen Wohnung aufgesucht und derart zusammen geschlagen, dass er zunächst lebensgefährlich verletzt wurde. Die Täter hatten zuvor einen Beitrag des Fernsehsenders RTL gesehen, bei dem ein Reporter über das Internet Kontakt zu vermeintlich Pädophilen suchte. Der Film zeigte einen Mann, dessen Verhalten durch die Reporter als verdächtig beschrieben und dabei gefilmt wurde.

Staatsanwaltschaft ermittelt wegen versuchter Tötung

Diesen Mann meinten die Täter wieder erkannt zu haben und gingen schließlich zu ihm nach Hause. Sie waren überzeugt, im Beitrag die Anschrift des dargestellten Mannes identifiziert zu haben.

Inzwischen ist klar, dass das Opfer weder die im Beitrag gezeigte Person ist noch irgendeinen Bezug zur Pädophilie hat. Der Mann, der in der Reportage gezeigt worden ist, hat sich wiedererkannt und ist in der vergangenen Woche zur Polizei gegangen. „Intensive kriminalpolizeiliche Ermittlungen hatten zum Ergebnis, dass der Mann in keinerlei Zusammenhang mit dem in der Sendung dargestellten Fall der Pädophilie steht“, heißt es seitens der Polizei.

Auch einer der Täter hat sich gestellt. Gegen ihn ermittelt die Staatsanwaltschaft Bremen wegen eines versuchten Tötungsdelikts. Wer noch an der Tat beteiligt gewesen ist, sei Gegenstand der Ermittlungen, sagt Passade.

Auch RTL ist Teil der Ermittlungen

RTL teilte nach der Tat mit, dass man den brutalen Akt der Lynchjustiz aufs Schärfste verurteile und seine journalistische Sorgfaltspflicht in jeder Hinsicht wahrgenommen habe. In dem Beitrag seien keinerlei Hinweise auf den Ort oder eine vermeintliche Adresse des mutmaßlich Pädophilen gezeigt worden.

Doch auch mit der Rolle des Privatsenders beschäftigt sich die Staatsanwaltschaft. Gegen RTL ist laut Passade ein Vorermittlungsverfahren eingeleitet worden. Die Staatsanwaltschaft prüft anhand des Rohmaterials für den Beitrag, ob zwischen dem Beitrag und der Tat ein strafrechtlicher Bezug hergestellt werden kann.

Verstoß gegen rundfunkrechtliche Grundsätze

Auch bei der für RTL zuständigen niedersächsischen Landesmedienanstalt (NLM) befasst man sich von Amtswegen mit der Reportage. „Es besteht der Anfangsverdacht, dass die Verpixelung nicht ausreichend war“, sagt Andreas Fischer, Direktor der NLM. Und das verstoße gegen rundfunkrechtliche Grundsätze. Die Folge könnte laut Fischer ein Bußgeldverfahren sein. Die Entscheidung fälle letztendlich die Kommission für Zulassung und Aufsicht.

Für Fischer ist zudem noch nicht ganz geklärt, ob es tatsächlich einen Zusammenhang zwischen der Reportage und der Gewalttat gibt. Diese Kausalität, sagt Passade, sei aber gegeben. „Das ergab sich aus den Befragungen“, so der Sprecher der Staatsanwaltschaft.

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