Hans-Joachim Willenbrink ist Chefarzt der Palliativstation am Klinikum Links der Weser, die ein eigens dafür gegründeter Förderverein unterstützt. Foto: Barth
Interview

Willenbrink: „Sterbende nicht alleine lassen“

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Die Hansestadt ganz im Zeichen der Palliativmedizin, der Behandlung von Sterbenden: Chefarzt Hans-Joachim Willenbrink sprach mit uns über Ziel und Aktion der Bremer Palliativwoche, die am Sonntag startete.

Weser Report: Herr Willenbrink, was nehmen die Menschen mit auf die letzte Reise ihres Lebens? 102 Menschen haben ihren Koffer dafür gepackt und in der Kirche Unser Lieben Frauen ausgestellt. Die Aktion ist Teil der Bremer Woche zur Palliativmedizin, mit vielen Veranstaltungen bis nächsten Samstag.

Hans-Joachim Willenbrink: Wenig nehmen die Menschen mit. Sie sollen sich Gedanken machen, was ihnen zum Lebensende hin wichtig ist. Das können sehr unterschiedliche Dinge sein. Bei einem ist es eine Buddel Schnaps, bei anderen ein Abschiedsbrief. Das Kofferpacken ist ein Stück Abschiednehmen, insbesondere bei Menschen, von deren Krankheit man weiß, dass sie tödlich endet.

Viele Menschen verdrängen den Tod. Mit der Palliativwoche arbeiten Sie dagegen.

Wir wollen die Auseinandersetzung mit Schwerstkranken und Sterbenden wieder bewusst machen und aufzeigen, welche Möglichkeiten es für diese Menschen und ihre Angehörigen gibt. Vor 15 oder 20 Jahren hat kaum ein Mensch gewusst, was Palliativstationen sind. Das hat sich geändert. Auch der Anspruch an die Hausärzte ist größer geworden: Wie können wir die Schwerstkranken begleiten?

Inzwischen gibt es sogar ein Hospiz- und Palliativgesetz. Was bringt das?

Auch Krankenhäuser ohne Palliativstation können Palliativteams bilden. Sie begleiten Schwerstkranke und Sterbende dann auf den Normalstationen. Das müssen die Krankenkassen zahlen. Hausärzte werden finanziell unterstützt, wenn sie mit Diensten der ambulanten Palliativversorgung kooperieren. Das Problem ist auch hier in Bremen: Es gibt kaum Hausärzte, die diese umfangreichen Möglichkeiten durchführen können und wollen. Denn sie müssen dann zum Beispiel eine 24 Stunden-Rufbereitschaft vorhalten. Mit der Palliativwoche wollen wir die Bevölkerung darauf aufmerksam machen, welche Angebote es für die Versorgung Schwerstkranker und Sterbender gibt.

Im Kino City 24 läuft ein Film mit dem Titel „Lebensmut in schwerer Erkrankung“. Wie spricht man Schwerstkranken und ihren Angehörigen Lebensmut zu?

Das Wichtigste ist, dass diese Menschen nicht alleine gelassen werden, dass sie eine Stütze haben, dass sie wissen, an wen sie sich wenden können im Notfall. Da kommen auch die Hospizvereine ins Spiel.

Ist die Palliativwoche auch eine Aktion gegen Sterbehilfe?

Unter den Patienten, die in den letzten 15 Jahren auf unserer Station waren, gab es nur zwei, die sich fest vorgenommen hatten, in die Schweiz zu fahren, um sich dort zu suizidieren. Sie haben das dann auch gemacht. Wenn Menschen diesen Wunsch äußern, sprechen wir natürlich mit ihnen darüber, um den Grund dafür herauszufinden. Liegt es an der mangelnden Versorgung? Am Alleinsein? Aber die meisten, dieser Menschen, die sich das vorgenommen haben, kommen gar nicht auf unsere Station. Die haben das schon vor Jahren beschlossen und verzichten auf uns.

Wann verzichten Ärzte auf einen medizinischen Eingriff, weil er vielleicht nur das Leiden verlängern könnte?

Je älter ein Mensch ist, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass seine Erkrankung palliativ ist, weil eine Kausaltherapie nicht möglich ist….

…also die Ursache der Krankheit nicht mehr bekämpft werden kann…

…Im Krankenhaus stehen wir dann vor der Frage: Was können wir diesen Menschen Gutes tun?

Wie entscheidet sich der Arzt, wenn er vor der Frage steht: Verzichte ich auf eine medizinischen Eingriff, weil er wahrscheinlich nur das Leiden des Patienten verlängert, aber keine Heilung bringt, oder operiere ich?

Wir müssen uns in der Medizin Gedanken darüber machen, inwieweit wir einem Menschen noch etwas anbieten können unter dem Aspekt, dass ihm dann noch zusätzliches Leid zugefügt wird. Ob das der Fall ist, kann man aus den Verläufen der Krankheit erkennen, das hat auch was mit Erfahrung zu tun. Bestimmte Operationen werden nicht mehr durchgeführt, wenn man genau weiß, dass sie nur neues Leid schaffen würden. Da hat es schon einen Wandel in der Medizin gegeben. Wichtig ist aber das Gespräch mit dem Patienten und den Angehörigen, um ihnen darzulegen, warum man bestimmte Dinge nicht mehr macht. Die meisten erklären sich damit einverstanden, wenn ihnen das klar dargelegt wird.

Das ausführliche Programm der Woche steht im Internet unter: www.dgp2018.de/begleitprogramm.html

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