Jan Josef Liefers: Mit seiner Band Radio Doria fuhr er in den Iran, um „die Knoten in den Köpfen“ aufzulösen. Foto: Schlie
Interview

Jan Josef Liefers: „Die Macht der Mullahs gespürt“

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Er singt und schauspielert: Jan Josef Liefers geht mit seiner Band Radio Doria auf Album-Tour. Im WESER REPORT-Interview sprachen wir mit dem Sänger über Fehler, seine Reise in den Iran und Reinhard Mey.

Weser Report: Ein Lied auf dem neuen Radio-Doria-­Album heißt „Jeder meiner Fehler“ – welcher Fehler ist denn Ihr größter?

Jan Josef Liefers: Das wäre eine gute Frage für meine Frau. Ich würde sagen, keiner! Aber in dem Lied geht es auch eher ums Vergeben. Denn sich zu entschuldigen, ist eine wichtige Übung. Heute will keiner mehr Verantwortung übernehmen, keiner gibt Fehler zu, alle sind unschuldig. Bloß nichts eingestehen. Dass wir Fehler eingestehen und sie uns vergeben können, ist nicht nur christlich, es unterscheidet uns auch von anderen Säugetieren.

Im Vorfeld des Albums sind Sie zusammen mit der Band in den Iran gefahren. Warum war der Trip notwendig?

Es war eher eine Trotzreaktion auf die Stimmung, die 2016 im Land hoch kochte: Die Willkommenskultur, die dann kippte, das gute Benehmen, das über Bord ging. Der Ton wurde mies, und man hatte das Gefühl, wenn man sich jetzt nicht öffentlich positioniert, wird man von anderen in eine Ecke gestellt. Es war kein gutes Klima, um Popsongs zu schreiben. Und ein Festival des politischen Liedes wollten wir auch nicht abfeuern. Eben nicht wie damals in der DDR, in der ich ja aufgewachsen bin, und wo alles ideologisiert wurde. Wir haben dann gedacht: Okay, wenn das Feindbild für die nächsten 20 Jahre der Islam sein soll, dann sehen wir uns das mal aus der Nähe an. Wir sind daraufhin fast zwei Wochen lang im Iran gewesen und haben vor allem Musiker­kollegen getroffen.

Und?

Und es war ganz anders als erwartet.

Was haben Sie mit nach Hause genommen?

Zum Beispiel die Erkenntnis, dass es für uns viel leichter war, in den Iran einzureisen, als vor zwei Jahren in die USA. Allerdings: Mit einem iranischen Stempel im Pass könnte es passieren, dass man allein deshalb heute in den USA abgewiesen würde, hört man. Und wir haben talentierte, kluge und lustige Menschen kennengelernt, die sich uns sehr geöffnet haben. Aber wir haben auch die allgegenwärtige Macht der Mullahs gespürt. Es gibt halt überall zwei Seiten, es kommt immer darauf an, von welcher man berichten will.

Und so heißt auch der Titel eures neuen Albums, mit dem Sie jetzt auf Tour sind.

Genau. Die Reise war der Startschuss, aber die Songs selber sind dann zu Hause entstanden. Man kann auf dem Track „2Seiten“ einen syrischen Sänger hören, und wenn man sehr gut aufpasst im Intro ein Instrument namens Setar. Aber es ging uns nicht darum, arabisch beeinflusste Musik zu machen, sondern die Knoten in unseren Köpfen zu lösen.

Auf der CD gibt es ein Duett mit Reinhard Mey.

„Nie egal“ ist ein Song über einen Weg, den man gemeinsam zurückgelegt hat. Über Freundschaft, Komplizenschaft. Und dadurch, dass ich es mit Reinhard gesungen habe, kommt etwas Generationenübergreifendes hinzu.

Reinhard Mey hat auf Tournee immer Handwerkszeug dabei, falls er mal etwas reparieren muss. Haben Sie als gelernter Tischler auch etwas dabei?

(lacht) Meine Tools sitzen hier mit uns am Tisch. Doch, ich habe was dabei. Einen Sparschäler, ein Obstmesser, einen Korkenzieher, einen Weinflaschenverschluss, damit fühle ich mich jeder Situation gewachsen.

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