Rudolf Hickel arbeitete schon am Aufbau der Bremer Uni mit, Bremen verlieh ihm 2017 die Senatsmedaille. Foto: Schlie
Interview

Rudolf Hickel: „Eine bedrohliche Situation“

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Wie entwickelt sich die Wirtschaft in der Hansestadt? Der Bremer Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel erzählt im Interview über den Brexit, Trump und Immobilien.

Weser Report: Herr Hickel, der Handelsstreit mit den USA spitzt sich zu, Großbritannien will in vier Wochen die EU verlassen, die Konjunkturprognosen fallen schlechter aus – droht Deutschland eine Wirtschaftskrise?

Rudolf Hickel: Deutschland und damit auch Bremen wird sehr stark erfasst von den neuen internationalen Risiken. Die Handelspolitik des US-Präsidenten Donald Trump nimmt ja handelskriegerische Züge an. Außerdem hat seit der internationalen Finanzkrise 2008 die Volatilität zugenommen, die Flatterhaftigkeit. Unsicherheit bei den Investitionsplanungen dominiert. Das Vertrauen in die Wirtschaft, insbesondere in die Banken, hat deutlich gelitten.

Stürzt die Wirtschaft also ab?

Wir erwarten in diesem Jahr eine deutliche konjunkturelle Abschwächung. Die Prognosen gehen davon aus, dass die deutsche Wirtschaft in diesem Jahr mit einem Prozent erneut schwächer wächst. 2018 wuchs sie noch um eineinhalb Prozent. Wir werden aber keine konjunkturelle Krise bekommen. Ein Absturz wie 2009 im Zuge der Finanzkrise ist nicht zu erwarten.

Die Globalisierung geht weiter?

Bis vor kurzem haben ja alle die Globalisierung für unumkehrbar gehalten. Jetzt schaltet die Weltwirtschaft um auf Polarisierung. Dazu kommt die starke Re-Nationalisierung – leider auch nicht nur durch den Brexit in der EU. Das ist schon eine bedrohliche Situation. Aber die deutsche Wirtschaft steht immer noch so stark da, dass sie das noch einigermaßen verarbeiten kann.

Die Betonung liegt auf: noch?

Ja, denn auf längere Zeit kann das gefährlich werden. Erst haben die USA begonnen, auf Stahlprodukte aus Deutschland einen Zusatzzoll zu erheben. Darauf reagierte die EU mit Zusatzzöllen. Jetzt drohen die USA mit Strafzöllen auf deutsche Autos. Die dringendste Aufgabe ist es jetzt, den Rückfall in einen dumpfen, nationalistischen Protektionismus zu stoppen.

Wie soll das gelingen?

Die USA schneiden sich mit ihren Strafzöllen ins eigene Fleisch. Ein Beispiel: Als die USA einen Sonderzoll auf Aluminium aus der EU eingeführt haben, hat dagegen die Brauwirtschaft in den USA gewettert, weil dadurch die Bierdosen teurer wurden. Die Unternehmen in den USA sagen zu Recht, Trump schadet seiner eigenen Wirtschaft und damit den Menschen, die ihn gewählt haben. Hierin liegt eine demokratische Chance für ein demokratisches Ende des „America First“-Wahnsinns.

Trump droht ja nicht nur der EU, sondern auch China.

In zwei Punkten hat Trump Recht: Die Aggressivität Chinas hat nicht nur die USA getroffen, sondern auch uns. Zum Beispiel im Stahlbereich: Mit Billigstahl schlechter Qualität hat China unsere technologisch hochwertigen Stahlunternehmen unter Druck gesetzt. Aber die richtige Antwort darauf kann nicht sein, Handelsbarrieren zu errichten und Zölle zu erheben, wie es Trump macht. Die richtige Antwort hat Bundeskanzlerin Angela Merkel in Davos gegeben: Wir müssen beim Ausbau der Welthandelsordnung weiterkommen, und zwar mit Regeln, an die sich dann alle Länder halten müssen.

Also die Globalisierung zügeln?

Globalisierung ja, aber sie braucht einen Rahmen wie die sozial-ökologische Marktwirtschaft. Die EU hat bei der Errichtung des europäischen Binnenmarkts ja auch Mindeststandards festgelegt. Wir müssen die Globalisierung sozial-ökologisch gestalten. Nach der internationalen Finanzkrise haben wir ja auch effektive Regeln für die Banken festgelegt. Eine Finanzkrise wie 2008 wird sich zumindest in der EU nicht wiederholen.

Auch keine Immobilienblase?

Für die nächsten Jahre sehe ich keine Immobilienblase, die platzt. Wir haben zwar stark gestiegene Immobilienpreise, auch in Bremen. Aber im Unterschied zur Finanzkrise in den USA 2007 sind die Immobilien bei uns relativ seriös finanziert. Den Anlegern sei gesagt: Die Preise schießen auch nicht mehr in den Himmel. Zum Trost, allerdings wird der Immobilienmarkt auch nicht ins Uferlose abstürzen.

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