Wolfgang Bosbach Sechs Jahre leitete Wolfgang Bosbach den Innenausschuss des Bundestages, neun Jahre war er zudem Vize der CDU/CSU-Fraktion. 2017 kandidierte er nicht mehr fürs Parlament. Foto: Schlie
Interview

Bosbach: „Jeden Tag einen Spagat“

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Der Wettbewerb um die CDU-Spitze hat das Interesse an der Politik erhöht, meint Wolfgang Bosbach, ehemaliger Fraktions-Vize der CDU im Bundestag. Er fordert mehr Mut zu innerparteilichen Debatten.

Weser Report: Herr Bosbach, warum sollen die Bremer am 26. Mai CDU wählen?

Wolfgang Bosbach: Ich kann mich noch gut an den Satz erinnern: 16 Jahre sind genug. Damals ging es darum, Helmut Kohl durch Gerhard Schröder abzulösen. Dann muss die SPD auch einsehen: 70 Jahre SPD-Regierung in Bremen sind genug. Die Union hat über Jahrzehnte bewiesen, dass sie erfolgreicher als die politische Konkurrenz in der Lage ist, Bund, Länder und Städte zu regieren.

Bei den jüngsten Landtagswahlen hat insbesondere die CDU viele Wähler an die AfD verloren. Wie kann die CDU den Trend stoppen?

Der AfD nicht nachlaufen, aber sehr genau überlegen, aus welchen Gründen Wähler ihr Kreuz bei der AfD machen, ohne den Duktus und die teilweise abwegigen Forderungen der AfD zu übernehmen, und gegenüber der AfD sollte die Union deutlich machen, wertkonservativ ist etwas anderes als reaktionär. Patriotismus ja, Nationalismus nein. Ich behaupte, die Mehrzahl der AfD-Wähler stimmt nicht aus Überzeugung für diese Partei, sondern aus Enttäuschung über die Politik der etablierten Parteien.

Was muss die CDU ändern?

Der Wettbewerb um die Spitze der CDU war in Stil und Verhalten vorbildlich und hat das Interesse an Politik wieder erhöht. Ich weiß nicht, wie oft ich in den 23 Jahren, in denen ich im Bundestag war, den Satz gehört habe: Nur keine Debatten, die Entscheidungen sind alternativlos, denn die Leute mögen es nicht, wenn wir uns streiten. Wenn man jede innerparteiliche Diskussion zum Streit erklärt, darf man sich nicht wundern, wenn es Menschen gibt, die sagen, meine Haltung kommt in der Partei ja gar nicht mehr vor, und sich dann abwenden. 2015 galt es in der CDU als Tabu, die Flüchtlingspolitik zu kritisieren.

Was ändert sich durch die neue CDU-Vorsitzende?

Die eifrigste Disziplin, die Annegret Kramp-Karrenbauer zurzeit übt, ist der Spagat. Jeden Tag vollbringt sie einen eindrucksvollen Spagat in dem Bemühen, eigene politische Schwerpunkte zu setzen, ohne sich erkennbar von Angela Merkel zu unterscheiden. Warten wir ab, was zum Beispiel aus den kraftvollen Beschlüssen der CDU-Werkstattgespräche wird. Haben wir die Beschlüsse für das Archiv der CDU gefasst, oder wollen wir sie in praktische Politik umsetzen? Spätestens Ende des Jahres muss die CDU die Frage beantworten.

Am 26. Mai wird nicht nur eine neue Bremer Bürgerschaft gewählt, sondern auch das Europa-Parlament. Brauchen wir mehr Europa oder weniger?

Wir brauchen beides. In den zentralen Fragen können die Nationalstaaten alleine keinen prägenden Einfluss mehr nehmen, wenn die Europäer nicht miteinander, sondern gegeneinander Politik machen. Zum Beispiel in der Außenpolitik, im Umweltschutz und im Kampf gegen die organisierte grenzüberschreitende Kriminalität. Nur gemeinsam sind wir stark. Aber die EU sollte nur das einheitlich regeln, was europaweit einheitlich geregelt werden muss, aber nicht alles, was man einheitlich regeln könnte. Die Nationalstaaten und Regionen sollten noch eigene Befugnisse und Regelungsmöglichkeiten haben.

Eine regelrechte Europa-Euphorie ist in Berlin nicht zu spüren?

Ich glaube, dass durch die Debatte um den Brexit und das damit verbundene Hin und Her die Bedeutung des europäischen Einigungsprozesses wieder mehr Aufmerksamkeit gewonnen hat; dass immer mehr Menschen erkennen, wie wichtig die europäische Idee ist und dass es eine Tragödie für den Kontinent und für zukünftige Generationen wäre, wenn die EU auseinander gehen würde. Deshalb bin ich im Hinblick auf die Europa-Wahl optimistisch, dass viele Bürger mit der Haltung zur Wahlurne gehen: Ich möchte meine Stimme abgeben und damit dokumentieren, dass mir das europäische Projekt wichtig ist.

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