Tina Turner und die Nummer 34

Auf dem Höhepunkt ihrer Karriere hat sich Rocksängerin Tina Turner ein ganz spezielles Auto bestellt. Erzählt man sich. Jetzt steht es in Bremen.

Tina Turner hat er dann doch nicht angesprochen. „Den Mut habe ich nicht“, sagt der Bremer Unternehmer Hans-Peter Brüggemann. Dabei fährt er das Auto, das die Rocksängerin einst für sich bestellt hatte. Angeblich. So genau weiß Brüggemann das nicht. Allerdings haben ihm mehrere Experten versichert, dass der Wagen eigens für Tina Turner hergestellt wurde. Fest steht: Das Auto ist ein Besonderes.

Nur 67 Fahrzeuge dieses Modells wurden produziert, das erste 1983, das letzte 2003. Brüggemann besitzt die Nummer 34. Die Marke kennen nur noch Liebhaber: Lynx Eventer. Das britische Unternehmen Lynx Motors baute auf Wunsch die Jaguar-Modelle XJS zu Kombicoupés um. „In der Fachsprache heißen Fahrzeuge dieser Art Shooting Brake“, erklärt Brüggemann. Ursprünglich bezeichneten die Engländer so die Fuhrwerke, die eigens dafür gebaut wurden, ungezähmte Pferde zu Arbeitsgäulen abzurichten.

Ein Modell für die Upper Class

„Die Shooting Brake-Autos waren für die Upper Class, wenn sie am Wochenende zum Picknick fuhr oder zum Jagen“, erzählt Brüggemann. Auch der Lynx Eventer besaß eine lange Ladefläche und eine große Heckklappe.
Der hintere Teil des ursprünglichen Jaguar-Daches wurde abgeschnitten und durch eine Konstruktion ersetzt, die Lynx eigens für das Kombicoupé entwickeln ließ.

Auch die langen Seitenfenster im hinteren Teil des Autos waren eine Sonderanfertigung. Brüggemann stieß Ende der 1990er Jahre auf das Auto – als kleines Modellbau-Fahrzeug. „Ich sammle ja Modellautos“, sagt Brüggemann und zeigt seine jüngste Errungenschaft: einen Fiat 500 Kombi. Eine Ausnahme, weil seine Partnerin einen Fiat 500 fährt. Eigentlich sammelt Brüggemann nur Jaguars – in klein als Modellbau und in groß zum
Fahren.

1988 erstmals zugelassen

Kaum hatte er den Eventer als Modellauto gesehen, wollte er das Original erwerben. „Durch Zufall stieß ich in einer Autozeitung auf eine Anzeige, in der ein Lynx Eventer zum Kauf angeboten wurde“, erinnert sich der Bremer. „In der Anzeige hieß es, das Auto sei für Tina Turner vorgesehen gewesen.“ Der Star hatte solch ein Fahrzeug offenbar in Köln entdeckt, hatte sich die Ursprungsversion, einen Jaguar XJS, bestellt, verlor dann aber wohl die Geduld. Der Umbau des XJS in einen Eventer dauerte Tina Turner vermutlich zu lange.

Aufhalten konnte sie die Umrüstung nicht mehr. 1987 war der Umbau vollendet, 1988 wurde der Eventer erstmals zugelassen – von einem Kaufmann aus Westfalen. „Laut Fahrzeugschein bin ich erst der zweite Besitzer“, erzählt Brüggemann. „Der Mann aus Karlsruhe hat den Wagen zwar besessen, aber nie angemeldet“, vermutet der Bremer Unternehmer. „Als ich ihn 2010 kaufte, hatte er knapp 100.000 Kilometer auf dem Tacho. Das
ist für die Zeit von Mitte der 1980er Jahre bis 2010 so gut wie nichts.“

Das legendäre Tina-Turner-Auto. Foto: Schlie

Genau 40.000 Euro hat der Bremer für das Auto bezahlt, heute, schätzt er, dürfte er dafür das Doppelte bekommen. „Ich bin auch schon angesprochen worden, ob ich verkaufe“, sagt Brüggemann. „Aber ich will nicht verkaufen. Für mich ist der Eventer Liebhaberei.“ Da kommt auch ein wenig Besitzerstolz auf. „Denn man hat was, was andere nicht haben, aber gerne hätten.“

Rund 2.000 bis 3.000 Kilometer fährt Brüggemann im Jahr mit seinem Eventer – zur Inspektion in die Werkstatt, zu OldtimerRallyes, zu Ausstellungen und Ausfahrten mit anderen Eventer-Besitzern. Im Herbst 2012
fuhren sie gemeinsam nach Oxfordshire im Süden Englands, wo einst die Manufaktur von Lynx stand. „Der Umbau war Handarbeit“, sagt Brüggemann. 1982 hatte Lynx den ersten Prototypen des Eventers vorgestellt, ein Jahr
später den ersten im Auftrag eines Kunden gebaut.

Genuss statt Speed

Bis auf 200 Stundenkilometer kann Brüggemann seine Eventer beschleunigen, will er aber nicht. „Wenn ich ein solches Auto fahre, ist das ein Hochgenuss“, erzählt er. „Man sitzt darin wie in einem Wohnzimmer, hat den Geruch von Leder um sich. Da frage ich: Worin liegt der Sinn des schnellen Fahrens? Mit so einem Auto will man das Fahren genießen.“

Brüggemann fährt am liebsten Landstraße, mit 80 Stundenkilometern. Der Eventer ist Hobby, aber auch sonst schwört Brüggemann auf die Marke Jaguar, die seit 2008 zum indischen Konzern Tata gehört. Den ersten Jaguar hat sich der Bremer 1981 gekauft. „Ein Jaguar ist das Gesicht in der Menge“, freut sich der Unternehmer. Er fuhr damit auch zu seinen Kunden. Der gelernte Schifffahrtskaufmann ist Gesellschafter eines Tally-Unternehmens. Es prüft und bemisst Schiffsladungen mit Massengut.

Eine Garage wie ein Jaguar-Museum

„Wir sind das älteste Bremer Unternehmen“, behauptet Brüggemann. Seine Vorfahren haben es 1644 gegründet. Sein Eventer steht in einer eigens dafür eingerichteten Garage, die wie ein Jaguar-Museum anmutet – mit Firmenschildern, Messeständen und einem Jaguar-Fahrrad.

Das stammt zwar aus Dänemark, darf aber die Nobelmarke tragen. Auf dem Beifahrersitz des Eventers sitzt eine Schaufensterpuppe in einer Bluse, die so schwarz-gelb gemustert ist wie das Fell eines tierischen Jaguars. „Die Bluse habe ich bei H&M gekauft, für 10 Euro.“