Manche Entscheidung trifft Bernhard Paul, Direktor und Mitbegründer von Roncalli, an seinem Stammplatz im Café-Wagen bei einem Espresso. Bis zum 15. Dezember gastiert der Circus noch auf der Bürgerweide. Foto: Meister
Bernhard Paul

„Stars muss man sich machen“

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Roncalli-Direktor Bernhard Paul über die Zukunft des Circus und ein Großprojekt, das er plant.

Weser Report: Herr Paul, nach Bremen gastiert Circus Roncalli noch in Osnabrück und Berlin, dann endet die Saison 2019. Wie lief sie?

Bernhard Paul: Bis jetzt ist sie sehr gut gelaufen. Und im Vorverkauf für Berlin haben wir schon 40.000 Tickets abgesetzt. Da haben wir einen Riesensprung gemacht. Unser Konzept „plastikfrei, tierfrei“ bringt uns Sympathien ein. Die Leute lieben es. Auch wenn die Tiere im Circus nicht gequält wurden, gibt es für sie sicherlich Angenehmeres, als im Kreis zu laufen.

Jetzt zeigt Roncalli zu Beginn der Vorstellung ein Hologramm mit Tieren, später tritt ein Artist mit einem Roboter auf. Widerspricht das nicht ihrem Konzept, mit Roncalli an die alte Circustradition anzuknüpfen, die Menschen zu verzaubern? Sie haben ja auch alte Circus-Wagen gekauft und wieder hergerichtet.

Das widerspricht sich überhaupt nicht. Das eine ist das Bühnenbild: die alten Wagen, der Stil, das Zelt. Aber die Vorstellung ist das, weshalb die Leute kommen. Circus war immer innovativ bis zum Zweiten Weltkrieg. Der Circus Sarrasani war der erste, der die Glühbirne eingeführt hat. Er hat eine maurische Fassade aufgebaut mit 10.000 Glühbirnen darin. Der Circus hat sehr früh Dampfmaschinen eingesetzt und die Pferde ausgespannt. Erst nach dem Krieg, in den 1950er Jahren des Wirtschaftswunders ging es darum, lauter Superlative zu haben: das größte Vier-Mast-Zelt, das größte Sechs-Mast-Zelt. Circus darf nicht nur, Circus muss in die Zukunft schauen.

Den Circus Sarrasani gibt es heute nicht mehr.

Die Ursache war der Krieg. Nach dem Krieg gab es zwar wieder einen Circus Sarrasani. Aber die Leute dort haben nur den Namen benutzt, mit Sarrasani hatten die nichts mehr zu tun. Hans Stosch-Sarrasani, der Sohn des Circusgründers, war 1941 gestorben.

Wie schwer ist es heute, in den Städten einen geeigneten Platz zu finden?

Das kommt auf das Land und die Stadt an. In Wien stehen wir auf dem Rathausplatz. München ist tiefste Provinz. Da standen wir jahrzehntelang vor der Pinakothek. Als dann auf dem Platz die Neue Pinakothek gebaut wurde, wollten wir auf die Wiese gegenüber. Aber damals war irgendein Graf Leiter der Pinakothek, und er hat gesagt: Kommt nicht infrage, dass vor der Pinakothek so ein hergelaufener Wanderzirkus steht. Seitdem sind wir in München auf Herbergssuche. Bremen dagegen ist wunderbar.

Wie finden Sie neue Artisten für ein neues Programm?

Man muss junge Talente suchen, die noch keiner kennt, und sie dann fördern. Den Clown Chistirrin habe ich auf einem Festival in Spanien entdeckt, habe ihn geholt und mit ihm gearbeitet. Die Stars muss man sich auch machen.

Welche Rolle spielt ihr Varieté Apollo in Düsseldorf?

Das Apollo ist quasi wie beim Theater die Probebühne. Wenn ich jemanden entdecke, hole ich ihn mir, lasse ihn im Apollo auftreten und beob­achte ihn. Das Apollo ist ein Experimentierfeld.

Unter dem Namen Roncalli gibt es inzwischen auch Auftritte auf Kreuzfahrtschiffen, Galashows in Unternehmen, den Weihnachtsmarkt in Hamburg und ein Café in Hamburg. Wie viel trägt der eigentliche Circus noch zum Geschäft bei?

Der Circus ist die Urzelle. Aber die Zeiten haben sich geändert, es wird alles teurer und komplizierter. Da kam der Zeitpunkt, wo ich gewusst habe: Ich muss nebenbei arbeiten, um mir den Luxus Circus erlauben zu können. Roncalli ist ja ein Ganzes mit mehreren Standorten.

Wie viel trägt der Circus, die Urzelle, zum Umsatz bei?

Der Circus trägt schon den stärksten Teil bei. Aber die Eventgesellschaft kommt dem sehr nahe.

Wie stark ist der Wettbewerb zum Beispiel mit Circus Krone oder mit dem Cirque du So­leil?

Der Soleil ist schon was anderes als Roncalli. Wenn wir Kaffeehäuser wären, wäre Roncalli das Wiener Künstlercafé Hawelka und Soleil wäre Starbucks.

Welches große Projekt gehen Sie als nächstes an?

Die Krönung meines Lebens wird sein: Ich eröffne in Köln das Circus-Museum. Ein Museum, das jeder besuchen kann. Ich habe schon Kostüme von Marlene Dietrich, Dinge von den Beatles, die Einrichtung eines altes Feinkostladens und für ein Kino. In dem sollen dann Hans-Moser-Filme laufen.

Wann eröffnen Sie das Circus-Museum?

Ich bin abhängig von der Stadt Köln. Der liegt mein Antrag auf eine Baugenehmigung schon seit zwei Jahren vor. Sie hat sich jetzt entschuldigt, dass er irgendwo hängengeblieben sei. Aber ich habe die Genehmigung immer noch nicht. Ich bin jedenfalls bereit.

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