Seit 2019 leitet Daniel Friedrich die IG Metall Küste, die auch Beschäftigte in Bremen betreut, etwa im Mercedes-Werk oder bei Airbus.Foto: IG Metall Küste/Isadora Tast Seit 2019 leitet Daniel Friedrich die IG Metall Küste, die auch Beschäftigte in Bremen betreut, etwa im Mercedes-Werk oder bei Airbus.Foto: IG Metall Küste/Isadora Tast
Interview

Daniel Friedrich: „Wir haben eine andere Lage“

Von
IG Metall-Bezirksleiter Daniel Friedrich zur Tarifrunde der Metall- und Elektroindustrie.

Weser Report: Herr Friedrich, die IG Metall bricht vor der anstehenden Tarifrunde mit einer Tradition: Sie verzichtet auf eine konkrete Lohnforderung. Warum?

Daniel Friedrich: Wir bieten ein Moratorium für den Wandel an. Wir wollen erreichen, dass die Arbeitgeber den Wandel der Arbeitswelt gemeinsam mit uns und den Beschäftigten gestalten.

Im Gegenzug sollen die Arbeitgeber darauf verzichten, Personal abzubauen sowie Standorte zu verlagern oder zu schließen. Wie soll da ein Wandel möglich sein?

Wandel heißt ja, sich auf neue Geschäftsmodelle einzulassen, auch Arbeitsplätze zu verändern, aber zusammen mit den Beschäftigten.

Was bieten Sie im Gegenzug den Arbeitgebern?

Wir haben in den Betrieben qualifizierte und motivierte Belegschaften. Das ist schon ein Wert an sich. Es nützt nichts, jetzt Personal abzubauen und später an anderer Stelle wieder aufzubauen. Das kostet ja auch Geld. Das Geld sollten die Arbeitgeber lieber in Maßnahmen investieren, die Beschäftigten mitzunehmen. Im Tarifvertrag sollten wir jetzt Regelungen treffen, von denen auch Firmen sagen, damit können sie eine Krise überbrücken. Wir wollen die Beschäftigung sichern und gestalten. Das steht im Vordergrund. Das Thema Geld haben wir zunächst ein Stück weit zurückgestellt.

Keine Lohnerhöhung?

Es geht uns auch um die Stärkung der Kaufkraft. Ohne eine Stärkung der Kaufkraft wird es keinen Abschluss geben.

Aber die Löhne werden weniger stark steigen, wenn sich die Arbeitgeber auf das Moratorium einlassen?

Ich bin kein Prophet, aber ja wir haben auch eine andere wirtschaftliche Situation als in den vergangenen Jahren. Aber jetzt steht erst einmal die Sicherung der Beschäftigung im Vordergrund.

Wie reagiert der Arbeitgeberverband Nordmetall auf Ihren Vorschlag?

Die ersten Signale sind grundsätzlich positiv. Die IG Metall wird morgen beraten, wie die Signale der Arbeitgeber zu bewerten sind und wie wir weiter vorgehen.

In der ostdeutschen Metall- und Elektroindustrie arbeiten die Beschäftigten immer noch 38 Wochenstunden, drei Stunden länger als im Westen. Wann drängt die IG Metall auf eine Änderung?

Da müssen wir eine Entscheidung herbeiführen, auch in dieser Tarifrunde.

Die Metall- und Elektroindustrie umfasst sehr unterschiedliche Unternehmen von der Gießerei bis zum IT-Betrieb. Wie wollen Sie die unterschiedlichen Anforderungen in einem Moratorium berücksichtigen?

Große Unterschiede zwischen den Firmen und unterschiedliche Konjunkturen in den einzelnen Branchen der Metall- und Elektroindustrie hatten wir schon immer. Der Tarifvertrag orientiert sich ja am Mittelmaß zwischen dem Unternehmen, das vor Kraft kaum laufen kann, und der Firma, der es nicht so gut geht. Aber vom Strukturwandel sind alle betroffen. Deshalb brauchen wir nicht nur einen Flächentarifvertrag, der das regelt, sondern auch einen Instrumentenkasten für die betriebliche Umsetzung.

Nordmetall plädiert schon lange für mehrere Tarifmodule, aus denen jeder Betrieb nach Bedarf auswählen kann.

Nordmetall stellt sich vor, dass jeder Arbeitgeber einseitig entscheiden kann, was er anwendet und was nicht. Unser Ansatz ist ein anderer: Wir haben einen Flächentarifvertrag für die Metall- und Elektroindustrie. Er bildet das Gerüst, dazu gibt es Ergänzungstarifverträge auf Betriebsebene. Wir wollen die betriebliche Gestaltung nicht den Betriebsräten überlassen und wir als Gewerkschaft sind außen vor. Ein Betriebsrat kann nicht über die Ansprüche der IG Metall-Mitglieder entscheiden. Ein Tarifvertrag ist unser Produkt.

Die IG Metall will, dass die Beschäftigten, die Mitglied sind, Boni erhalten. Wollen Sie so Mitglieder gewinnen?

Man muss mit dem Mythos aufräumen, dass ein Mitgliederbonus automatisch zu mehr Mitgliedern führt. Beim Bonus geht es vor allem um die Wertigkeit der Mitgliedschaft. Viele Kollegen sind sauer, wenn sie sich für einen Tarifvertrag eingesetzt haben, und andere, die nicht in der Gewerkschaft sind, profitieren davon genauso wie sie. Es geht ja auch um eine Wertschätzung für das System der Tarifverträge. Das hat Deutschland stark gemacht. Da muss man die, die dieses System tragen, auch besser stellen als die, die nur zugucken und trotzdem davon profitieren.

Die IT-Branche wächst, aber von den Beschäftigten dort gehören nur wenige der IG Metall an. Wie ändern Sie das?

Wir haben es mit den Start-ups nicht so einfach. Da ist die Selbstausbeutung Teil des Arbeitsethos, aber durch Anfragen spüren wir, dass die Beschäftigten dort zunehmend daran interessiert sind, sich gewerkschaftlich zu binden. Denen müssen wir ein modernes Angebot machen. Für sie ist zum Teil nicht die Dauer der Arbeitszeit entscheidend, sondern die Flexibilität für die Beschäftigten und das Entgelt.

Geht es in dieser Tarifrunde auch um flexible Arbeitszeiten und Home-Office?

Sie sind in dieser Runde nicht der Maßstab. Wir haben in der letzten Tarifrunde Wahlmöglichkeiten und damit mehr Flexibilität geschaffen. Da müssen wir weitergehen. Aber jetzt steht die Beschäftigung im Vordergrund.

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Eine Antwort

  1. Gunnar-Eric Randt sagt:

    Die IG-Metall-Beschäftigten haben sich zu Gunsten der durch sie leidenden Hartz-IV-Empfänger zunächst einmal hintanzustellen, damit diese in den ersten Arbeitsmarkt integriert werden können und so ihre Einkommensverluste nach ALG-II-Bezug, auf den Stand retournieren zu können, den er vor den Eintritt in die durch die Blechritter der IG-Metall getragenen Folgen des Sozialfaschismus ausmachte.

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