Die gebürtige Stuttgarterin Bettina Wilhelm ist seit November 2017 Frauenbeauftragte in Bremen¬. Zum Weltfrauentag heute sagt sie, wo noch mehr getan werden muss. Foto: Meister Die gebürtige Stuttgarterin Bettina Wilhelm ist seit November 2017 Frauenbeauftragte in Bremen. Foto: Meister
Interview

Bettina Wilhelm: „Ein Modell für Bremen“

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Die Bremer Frauenbeauftragte Bettina Wilhelm spricht im Interview über Parität in Chefetagen und Wahllisten.

Weser Report: Frau Wilhelm, bis 2025 sollen die Chefetagen der Unternehmen, an denen der Bund beteiligt ist, paritätisch mit Frauen und Männern besetzt sein. Das fordern die Bundesministerinnen Franziska Giffey und Christine Lambrecht. Sollte das auch für die Unternehmen gelten, an denen das Land Bremen sowie die Hansestadt und Bremerhaven beteiligt sind?

Bettina Wilhelm: Das wäre ein Modell für Bremen. In den Geschäftsführungen der kommunalen und landeseigenen Unternehmen in Bremen kann man in dieser Hinsicht durchaus noch mehr tun. In den Aufsichtsräten sind wir dagegen schon gut aufgestellt. Da liegt der Frauenanteil über der gesetzlichen Quote von 30 Prozent.

In den Aufsichtsräten der Gesellschaften, an denen Bremen beteiligt ist, liegt der Frauenanteil bei 30,1 Prozent.

Diesen Aufsichtsräten gehören insgesamt 276 Mitglieder an, aber der Senat besetzt nur 108 Sitze, davon 47 Prozent mit Frauen. Die anderen 168 Mandate werden von den anderen Anteilseignern vergeben.

Welche Initiativen mit dem Senat gibt es, um den Frauenanteil auch in den Geschäftsführungen zu erhöhen?

Mit der neuen Staatsrätin im Finanzressort haben wir schon darüber geredet. Wir werden auch weiter darüber sprechen, sobald der Haushalt steht.

Im Land Bremen sind nur 43,9 Prozent der Beschäftigten Frauen. Das ist der niedrigste Frauenanteil unter allen Bundesländern. Wie kommt das?

In Bremen sind die Branchen sehr stark, die traditionell typische Männerberufe anbieten. Die Dienstleistungen haben hier einen geringeren Anteil an der Wirtschaft als in anderen Bundesländern.

Muss die Wirtschaftssenatorin die Clusterpolitik ändern, also andere Branchen stärker fördern als bisher?

Ja, auf jeden Fall muss man die Clusterpolitik angehen. Man kann nicht nur auf die Industrieunternehmen schauen. Man muss auch kleinteilige Branchen stärker fokussieren, zum Beispiel den Gesundheitsbereich und die Kreativwirtschaft. Und auch Gründung ist ein großes Thema. Zurzeit gründen in Bremen mehr Männer als Frauen ein Unternehmen. Da ist zu hoffen, dass die Aktivitäten des Starthauses, Gründerinnen stärker in den Blick zu nehmen, erfolgreich sind. Förderlich wäre auch, wenn Gründern und Gründerinnen Arbeitsräume mit einer Kinderbetreuung angeboten würden.

Was machen Frauen bei Firmengründungen anders als Männer?

Frauen gehen vorsichtiger vor und gründen mit einem kleineren Budget. Allerdings verhalten sich Banken bei der Kreditvergabe für Männer auch anders als bei einer für Frauen. Außerdem sind Frauen in technisch geprägten Berufen deutlich unterrepräsentiert. Das zeigt sich auch bei Gründungen.

Die Präsidentin der Kultusministerkonferenz hat vorgeschlagen, Jungen und Mädchen in Mathematik und Naturwissenschaften getrennt zu unterrichten. Lassen sich Mädchen dann eher für solche Themen begeistern?

Für einzelne Unterrichtseinheiten befürworte ich diesen Ansatz, aber nicht wenn er auf Dauer gilt. Eine Trennung der Geschlechter insgesamt bringt uns nicht weiter. Wir bieten in Bremen ja auch mehrere Projekte an, um das Interesse von Mädchen an Naturwissenschaften und Technik zu fördern.

Was bringt eine Frauenquote in der Arbeitswelt heute noch? Frauen, die Karriere gemacht haben, lehnen sie häufig ab. Quotenfrau ist längst ein Schimpfwort.

Wir brauchen die Frauenquote noch ganz dringend. Heterogene Teams sind auch viel erfolgreicher. Bei der Besetzung der Aufsichtsräte großer Unternehmen hat die Quote einiges gebracht. Notwendig ist eine Quotierung auch in anderen Bereichen: So brauchen wir eine Parität in den Wahllisten der Parteien. Im aktuellen Bundestag ist die Frauenquote niedriger als früher. In der Bürgerschaft ist sie gesunken, als Abgeordnete ihr Mandat abgegeben haben, weil sie Senatorin geworden sind. Man muss festlegen, dass für eine Frau nur eine Frau nachrücken darf.

Ein Schlagwort ist Diversity: Der Begriff meint nicht nur eine geschlechtergerechte Besetzung von Gremien, sondern auch die Berücksichtigung anderer Gruppen wie etwa Menschen mit Beeinträchtigungen oder Menschen mit ausländischen Wurzeln. Welchen Einfluss hat das auf die Frauenförderung?

Frauenförderung und Diversity sind zwei unterschiedliche Strategien. Wir müssen vermeiden, Menschen aus diesen Gruppen gegeneinander auszuspielen, sondern vielmehr beide Strategien parallel einsetzen.

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