Susanne Kaina wünscht sich bessere Arbeitsbedingungen im Beruf der Hebamme. Die ihrer Ansicht nach zögerliche Entwicklung im Bereich der Ausbildung könnte durchaus langfristige Folgen für den Beruf haben. Foto: Meyer
Interview

„Prekäre Arbeitsbedingungen“

Von
Susanne Kaina über den Beruf der Hebamme und die kürzlich umgestellte Ausbildung

Delme Report: Frau Kaina, viele Kliniken helfen sich aufgrund des Hebammenmangels mit Leiharbeit. Wie stehen Sie dem gegenüber?

Susanne Kaina: Das ist ein komplexes Thema. Ich persönlich finde den Schritt der Hebammen gut, als Leiharbeiterin tätig zu sein. Es ist ja nur ein Symptom dessen, was man in diesem Gesundheitssystem beobachten kann. Durch die allseits bekannten prekären Arbeitsbedingungen in den Kliniken ernüchtert, steht man nun vor der Wahl und kann sich sagen: „Ich muss nicht mehr für dieses Gehalt arbeiten, ich kann mir als Gasthebamme ermöglichen, bei besseren Bedingungen gutes Geld zu verdienen.“ Das finde ich als Statement gut. Für angestellte Kolleginnen ist es allerdings aus verschiedenen Gründen nachteilig mit Leihkräften zu arbeiten.

Sie sprachen von prekären Arbeitsbedingungen…

Es gibt natürlich Schlimmeres. Aber für deutsche Verhältnisse sind die Arbeitsbedingungen in Pflegeberufen unterdurchschnittlich.

Sie meinen die Bezahlung?

Die Bezahlung und auch die Bedingungen. Das geht miteinander einher. Die Bezahlung im Angestelltenbereich ist glücklicherweise tariflich geregelt. Die Tarifsteigerungen müssen immer wieder hart erstritten werden. Arbeitsverdichtung und Mehrbelastung sind aber die Kernwörter, was die Arbeitsbedingungen durch Personalmangel im Pflegeberich im Allgemeinen und Hebammenmangel im Besonderen angeht. Das macht den Beruf unattraktiv. In der Freiberuflichen Hebammentätigkeit ist die Bezahlung noch etwas anders geregelt. Auch in diesem Bereich herrscht ein spürbarer Hebammenmangel.

Wie viele Stunden hat die typische Arbeitswoche einer Hebamme?

Durch die Tarifverträge gibt es auch regulär ganz normale Arbeitszeiten. Allerdings ist es beispielsweise so, dass in einem Acht-Stunden-Dienst eine Pause von einer halben Stunde vorgesehen ist, die die Hebamme meist nicht am Stück, oder gar nicht nehmen kann. Tatsache ist, dass Hebammen aus ihren Arbeitsbereichen nicht heraustreten können wenn Frauen zu betreuen sind. Außerdem bilden Hebamme und Gebährende ein Team, also wird eher eine Pause unterbrochen als dass man eine Kollegin fragt, ob sie für eine halbe Stunde übernehmen kann, weil ein Wechsel in der Betreuung auch eine Störung des Geburtsprozesses mit sich bringen kann.

Also ist Hebamme ein Beruf, den man eher aus Überzeugung lernt?

Es gibt einen Berufsethos, der auch nach sich zieht, dass man Dinge um der Sache willen aushält. Pfleger und Mediziner, beispielsweise, denken, vermute ich, auch meist so.

Kommen wir auf das Thema Ausbildung…

Seit 2005 steht fest, dass auch Deutschland sich endlich der EU-Norm anpassen muss. Als Schlusslicht der europäischen Länder. Die Hebammenausbildung findet seit Anfang des Jahres als duales System an den Kliniken und an den Universitäten statt. Eine zwölfjährige Schulbildung ist dazu notwendig. Aber…

Es gibt die Studienfächer nicht?

Doch, es gibt die Fächer, es wirkt auf mich allerdings noch etwas aus dem Boden gestampft. Es läuft noch nicht so richtig, aber jetzt fängt es an. Es haben sich nun Studienorte gefunden. So etwa Osnabrück, Buxtehude hat einen Kurs an einer Privatuniversität, Hannover für Niedersachsen.

Das hört sich nach Chaos an.

Es kommt langsam ein bisschen Ordnung rein. Aber es ist, finde ich, sehr zögerlich entwickelt worden. Die Gründe kann ich nicht durchblicken.

Wird diese zögerliche Entwicklung des dualen Studiums für den Hebammenberuf langfristige Auswirkungen haben?

Das ist durchaus möglich. Schon in vergangenen Jahren haben sich möglicher weise junge Menschen, die in die Ausbildung gehen wollten, von der Unklarheit abschrecken lassen. Wenn man darauf stößt, dass die Ausbildung im Wandel ist, aber gleichzeitig noch nichts feststeht. So war es in den vergangenen Jahren. Wo wird das Studium stattfinden, wer wird Plätze anbieten? Ab wann ist das duale Studium richtig rechtsgültig, ab wann muss oder darf ich das machen? Es gab viele Fragen, die sich nicht einfach haben beantworten lassen.

War der politische Wille nicht stark genug, die neue Weise der Ausbildung stringent umzusetzen?

Ein wenig mehr Dynamik in diesem Feld hätte ganz andere Resultate gebracht.

 

Zur Person: Die gebürtige Hannoveranerin Susanne Kaina schloss ihre Ausbildung zur Hebamme 1988 in Hameln ab. Seit Jahrzehnten arbeitet sie in Delmenhorst, bietet unter anderem Kurse zur Geburtsvorbereitung an. Sie ist zu 50% im Kreißsaal einer Bremer Klinik tätig. Seit 2019 ist sie als Hebamme und Koordinatorin in der Hebammenzentrale tätig, die Delmenhorst und den Landkreis Oldenburg betreut. In der Zentrale sind über 30 Hebammen gemeldet.

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Eine Antwort

  1. 13. April 2020

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