Per Radlager wurde der Kies in die Welse gekippt und dort mit Hilfe von Harken und Schaufeln verteilt. Foto : Konczak
Welse

Helden in Wathosen

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In Delmenhorst hat das Thema Welse aktuell für viele Bürger einen ähnlich hohen Stellenwert wie Corona

Bis zum Brand auf dem sogenannten Möller Gelände Ende September war das anders. Da fand der Fluss und seine wichtige Rolle für den Fortbestand von Meerforelle und Lachs kaum Beachtung in der Öffentlichkeit. Doch stimmt das wirklich?

Rückblick: Im Jahr 2011 legte der Fischereiverein Delmenhorst, unter Leitung von Dr. Jens Salva, Fischereibiologe im Landesfischereiverband Weser-Ems, den Grundstein für ein bedeutendes Projekt zur Wiederansiedelung von ursprünglich heimischen Tierarten.

Lachs, Meerforelle und Neunauge

Lachs, Meerforelle und Neunauge nutzten früher ganz selbstverständlich die Delme und Welse als Laichplätze. Doch in den 1960er und 70er Jahren ereilte auch diese kleinen Flüsse das Schicksal vieler Gewässer in Deutschland. Sie wurden begradigt.

„Bei den großen Flüsse stand der Aspekt als Transportweg im Vordergrund. Deshalb sollte das Wasser so schnell wie möglich Richtung Nordsee fließen“, erinnert sich Detlef Roß, 1. Vorsitzender des Fischereivereins Delmenhorst. Die Folgen für die Natur wurden lange unterschätzt.

Bis heute macht der Mensch es den Lebewesen in Flüssen nicht leicht zu überleben. Unmengen von Sand und Schadstoffen aus der Landwirtschaft und Industrie landen in den Gewässern. Das erhöht den Eisen- und Nitratgehalt im Wasser; der Sauerstoffanteil verringert sich. Schlecht für die laichenden Fische.

Renaturierung der Welse

In Delmenhorst war das Projekt „Renaturierung der Welse im Bereich Tiergarten“ eine Mammutaufgabe, da man quasi bei Null anfing. Wie es im Jahr 2011 um den Zustand des Gewässers stand, machte damals eine scherzhafte Äußerung des Fischereibiologen Jens Salva deutlich. „Die Welse ist wie ein Haus ohne Möbel. Wir sorgen nun sozusagen für Wohnlichkeit, so das sich dort wieder bachtypische Tier- und Pflanzenarten wohlfühlen können.“

DR-Redakteurin Britta Suhren half bei dem Projekt mit. Für ihren Einsatz erhielt sie den „Matjesorden“.Fotos: Konczak

DR-Redakteurin Britta Suhren half bei dem Projekt mit. Für ihren Einsatz erhielt sie den „Matjesorden“.Fotos: Konczak

Mitglieder des Fischereivereins und freiwillige Helfer rammten knapp 300 Lärchenpfähle mit großen Vorschlaghämmern in den Flussboden. Per Radlager und mit Hilfe von Schaufeln und reiner Körperkraft schütteten sie an verschiedenen Stellen im Fluss Kiesbänke auf. Einige Jahre später legten die Vereinsmitglieder weitere Kiesbänke in der Welse in Höhe des Kaufland-Supermarktes an. Insgesamt kamen dabei rund 500 Tonnen Überlaufkies zusammen.

300 Pfähle und 500 Tonnen Kies

Die hölzernen Pfähle erhöhen und lenken die Strömung im Fluss und sorgen dadurch für mehr Sauerstoff im Wasser. Außerdem sammelt sich vor ihnen für die Tiere wichtiges Treibgut an. Direkt hinter den Pfählen ist das Wasser dagegen ruhig. Ideale Standortbedingungen für die Kiesbänke als Laichplätze. Aus 10.000 geschlüpften Fischeiern schaffen es gerade mal 150 Tiere ins Meer. Zurück kommen dann fünf bis sechs erwachsene Exemplare.

Langsam nehmen die Kiesbänke Form an. Foto Konczak

Langsam nehmen die Kiesbänke Form an. Foto Konczak

Bis heute unterstützt der Fischereiverein bei der Brutpflege. In der Regel Ende Oktober / Anfang November muss der Fischereibiologe Salva zum Elektrofischen. „Hierbei werden die Fische mit Niedrigvolt kurz betäubt, um sie dann mit einem Kescher zu fangen. Bei dieser schonenden Fangmethode erleiden sie keinen Schaden“, erklärt der Experte. Er untersucht die Fische und streift vorsichtig die Eier ab.

Bruthilfe für die Fische

Die Fischeier kommen in ein Bruthaus. Der Fischereiverein Delmenhorst arbeitet hierbei eng mit den Kollegen in Oldenburg zusammen. Nach rund zwei Monaten schlüpfen die Meerforellen und Lachse und werden umgehend in die Natur entlassen. Das ist wichtig, damit die Fische ihre Kinderstube später wiederfinden. „Sie nehmen die Wasserkennung auf und finden so immer wieder an ihren Geburtsort zurück. Wie sie das machen, ist nicht bekannt“, sagt Roß.

„Der Klimawandel hat Einfluss auf die Tiere. Sie kommen zu ihren Laichplätzen in der Welse. Das wurde ihnen in diesem Jahr zum Verhängnis“, bedauert der Vorsitzende des Fischereivereins. Diese Fische gehörten Ende September zu den Opfern der Schadstoffe in der Welse. Ebenfalls betroffen waren Jungfische, die noch nicht ihre Reise Richtung Meer angetreten hatte.

16.000 Euro Kosten

Die Gesamtkosten für die Welse-Renaturierung beliefen sich im Jahr 2011 auf rund 16.000 Euro. Die niedersächsische Bingo-Umweltstiftung unterstützte die Maßnahme mit 4.300 Euro. Hinzu kamen Geldmittel vom Fischereiverein. Doch vor allem die rund 700 ehrenamtlichen Arbeitsstunden trugen zum Gelingen der Wiederansiedelung der Fische bei.

Diesen Einsatz wusste man auch in Hannover zu würdigen und zeichnete das Projekt „Renaturierung der Welse im Bereich Tiergarten“ im Rahmen des Gewässerwettbewerbs „Bach im Fluss“ aus. Zu den Initiatoren des Wettbewerbs zählten unter anderem das Niedersächsische Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz und der Städte- und Gemeindebund.

Aktuell hofft man beim Fischereiverein Delmenhorst, dass das langjährige Engagement für die Tierwelt nicht umsonst gewesen ist.

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