Lena Ströbele ist Verhandlungsführerin des Arbeitgeberverbandes Nordmetall für die Tarifrunde der Metall- und Elektroindustrie, die im Norden am 14. Dezember startet.Foto:Schlie
Tarifrunde

„Auf Werkzeugkasten einigen“

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Arbeitgeber-Vertreterin Lena Ströbele zur Tarifrunde der Metall- und Elektroindustrie.

Weser Report: Frau Ströbele, rollt nach der Kurzarbeit die Entlassungswelle in der Metall- und Elektroindustrie an?

Lena Ströbele: Natürlich versuchen die Unternehmen, ihre Belegschaften möglichst zu halten. Aber die einzelnen Betriebe sind in einer sehr unterschiedlichen Lage. Wir werden Unternehmen haben, die weitere Einschnitte vornehmen müssen, und andere, die schneller aus der Krise kommen. Wie es weitergeht, hängt auch sehr stark vom Verlauf der Corona-Pandemie ab. Außerdem sind Themen wie Transformation, Strukturwandel und Digitalisierung, über wir vor Corona gesprochen haben, ja nicht weg. Sie werden uns weiterhin begleiten und von den Unternehmen unterschiedlich gehandhabt. Deshalb wird es keine pauschalen Lösungen geben, die für alle Betriebe der Metall- und Elektroindustrie gleichermaßen infrage kommen.

Wie bekommen sie alle Unternehmen unter einen Flächentarifvertrag. Jene, die in der Krise stecken, und die, die trotz Corona boomen?

Genau darüber unterhalten wir uns schon eine ganze Weile mit Vertretern der Unternehmen und der Arbeitnehmer. Eine solche Bandbreite lässt sich zum Beispiel durch Differenzierung und Variabilisierung abdecken. Oder auch dadurch, dass wir uns auf einen Werkzeugkasten einigen, der eine Vielzahl unterschiedlicher Instrumente für unterschiedliche betriebliche Konstellationen enthält. Für alle Instrumente gilt: Sie müssen einfach, schnell, flexibel, zielorientiert und stabilisierend anzuwenden sein. Und es muss objektive Kriterien für deren Einsatz geben. Die Unternehmen müssen dann prüfen, welche Instrumente sie anwenden können. Wir wollen ihnen nicht von außen vorschreiben, was genau sie zu tun haben. Das kann nur jedes Unternehmen im Dialog zwischen Geschäftsleitung und Betriebsrat entscheiden. Unsere Aufgabe als Sozialpartner ist es, hierfür einen Rahmen zu schaffen.

Die IG Metall fordert eine Verbesserung von vier Prozent, lässt aber offen, ob es nur um eine Erhöhung der Löhne geht. Ist das genug Flexibilität?

Erst einmal begrüßen wir, dass die IG Metall die Beschäftigungssicherung in den Fokus stellt und nicht per se die Entgelttabelle. Trotzdem muss klar sein: Wir befinden uns in einer anderen Situation als die Gesundheitsbranche, wo eine Erhöhung der Entgelte eine gewisse Berechtigung hatte. In der Metall- und Elektroindustrie liegt das Jahreseinkommen im Durchschnitt bei 60.000 Euro. Damit stehen unsere Beschäftigten an der Spitze der Einkommenspyramide und können es verkraften, für einige Zeit auch einmal auf der Stelle zu treten. Eine prozentuale Erhöhung trotz tiefer Konjunkturkrise und Staatshilfen stieße in der Öffentlichkeit sicher auf wenig Verständnis.

Die IG Metall plädiert auch für eine Vier Tage-Woche.

Auch ein Instrumentenkasten, wie wir ihn jetzt brauchen, kostet Geld. Eine Vier-Tage-Woche mit verkürzter Arbeitszeit und steigenden Lohnkosten kann keine Antwort sein auf die aktuelle Unterauslastung in vielen Betrieben. Wir könnten aber über eine Variante sprechen, die die Unternehmen freiwillig anwenden können und die nicht zu noch höheren Lohnkosten führt.

Einzelne Arbeitgeber haben schon vorgeschlagen, das Weihnachtsgeld zu streichen.

Wir gehen in die Tarifverhandlungen mit dem Ziel, gemeinsam durch die Krise zu kommen und so viele Arbeitsplätze wie möglich zu erhalten. Hierfür gibt es nicht die eine pauschale Lösung. Klar aber ist, dass beide Seiten – auch die Arbeitnehmer – einen Beitrag leisten müssen, um Beschäftigung zu sichern.

Wie sieht der Beitrag der Arbeitgeber aus?

Dass trotz des Einbruchs der Produktion die Beschäftigung bis jetzt kaum gesunken ist, zeigt doch mehr als alles andere, wie viel die Arbeitgeber tun, um Arbeitsplätze zu halten. Weitere Investitionen kommen hinzu, in die Infrastruktur ebenso wie ins mobile Arbeiten und in die Qualifizierung.

Vier Tage arbeiten und am fünften qualifizieren?

Das kann im Einzelfall ein Modell sein, aber keine pauschale Lösung für alle. Nicht in jedem Betrieb ist Qualifizierung pauschal sinnvoll, und nicht jeder Mitarbeiter eignet sich dafür.

Welche Regelungen streben Sie fürs Homeoffice an?

Auch hier gilt: Man kann solche Regelungen nicht pauschal für alle von außen festsetzen. In jedem Unternehmen sind die Tätigkeiten anders gelagert. Corona hat hier zur Zufriedenheit der Arbeitnehmer schon vieles nach vorn gebracht, die gesetzliche Festschreibung von einseitigen Rechten brauchen wir nicht – zumal es in der Metall- und Elektroindustrie längst einen Tarifvertrag für mobiles Arbeiten gibt.

Trotz Corona gibt es einen Mangel an Fachkräften. Wie wollen Sie die Menschen in der Krise für eine Arbeit in der Metall- und Elektroindustrie begeistern?

Kurzarbeit ist die derzeitige Antwort darauf. Sie zeigt, dass es nach der Krise wieder in den Aufbau geht, dass wir in Zukunft und Arbeitsplatz-erhalt investieren, weil wir an diese Zukunft glauben. Auch halten unsere Betriebe an möglichst viel Ausbildung fest. Deshalb müssen wir auch einen Rahmen entwickeln, der weit über die Krise hinausgeht.

Wie lange soll der neue Tarifvertrag gelten?

Je länger, desto besser. Eine lange Laufzeit schafft Planungssicherheit und bietet größere Gestaltungsspielräume. Bei einer kurzen Laufzeit kann es nur eine Nullrunde geben.

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