Matthias Fonger, Hauptgeschäftsführer der Handelskammer Bremen, verzichtet auf einen Teil seines Gehalts und hat dem Haus ein Sparprogramm verordnet. Foto: Schlie
Handelskammer

Fonger: „Licht am Ende des Tunnels“

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Der Handelskammer-Hauptgeschäftsführer Matthias Fonger spricht im Interview über die Konjunktur 2021.

Weser Report: Herr Fonger, wie ist die bremische Wirtschaft durch das Corona-Jahr 2020 gekommen?

Matthias Fonger: In Bremen ist die Wirtschaft leider stärker eingebrochen als im Bundesdurchschnitt. Im ersten Halbjahr ging das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in Bremen um 8,7 Prozent zurück, im Bundesdurchschnitt um 6,6 Prozent. Dass der Rückgang in Bremen stärker ausfiel, liegt an der hohen Exportorientierung der bremischen Wirtschaft. Die Exporte sanken bis September gegenüber dem gleichen Zeitraum 2019 um 27 Prozent. Gegen Ende 2020 war der Einbruch der bremischen Wirtschaft trotz des zweiten Lockdowns allerdings nicht mehr so dramatisch wie während des ersten Lockdowns.

Wie geht es 2021 weiter?

Die bremische Wirtschaft erlitt zwar einen stärkeren Einbruch als im Bundesdurchschnitt, wird aber nach unserer Einschätzung einen schnelleren und kräftigeren Aufschwung erleben. Das war in der Finanzkrise 2008/09 auch so. Trotz des Brexits rechne ich für 2021 mit einem Anziehen der Exporte. Einige Branchen sehen sogar schon jetzt wieder Licht am Ende des Tunnels, wenngleich wir davon ausgehen, dass der durchgreifende Aufschwung wahrscheinlich erst im zweiten Halbjahr 2021 kommt. Die meisten Unternehmen erwarten dann eine Rückkehr zur Normalität ihrer Geschäfte. Es hängt aber sehr viel davon ab, wie lange die Pandemie noch anhält. Deshalb haben Unternehmen auch die Initiative „Bremen impft“ gegründet, die sich für eine schnelle und flächendeckende Impfung der Bremer Gesellschaft einsetzt und in der sich auch die Handelskammer engagiert.

Welche Branchen sehen schon wieder Licht?

In der Schifffahrt ziehen die Frachtraten wieder deutlich an. Das wirkt sich auch auf unsere Häfen aus. Auch der Automobilbau zog in Bremen im zweiten Halbjahr wieder an. Der Groß- und Außenhandel bewertet sein Geschäft zum Jahreswechsel weniger negativ als noch im Sommer. Schlecht ist die Lage weiterhin im stationären Einzelhandel. Schon vor dem ersten Lockdown waren weniger Menschen in die Innenstadt gekommen als in den Jahren zuvor. Auch in den Stadtteilen war die Frequenz teilweise niedriger.

Von Februar an müssen überschuldete Unternehmen wieder Insolvenz anmelden. Dann läuft die coronabedingte Befreiung von dieser Pflicht aus. Schwappt dann eine Insolvenzwelle über Bremen?

Ich rechne mit einem Anstieg der Insolvenzen. Wie stark dieser Anstieg sein wird, lässt sich schwer abschätzen. Er wird Rückwirkungen auf den Arbeitsmarkt haben.

Welche Branchen sind besonders betroffen?

Die Gastronomie wird stark betroffen sein, weil viele Betriebe dort nicht so hoch mit Eigenkapital ausgestattet sind. Aber auch in anderen Bereichen wird es zu Insolvenzen kommen, auch wenn sich gezeigt hat, dass das Instrument der Kurzarbeit sehr gut funktioniert. Auch bei der Soforthilfe für Unternehmen gibt es vernünftige Ansätze. Aber die Auszahlung dauert viel zu lange. Die Novemberhilfe kommt vielleicht erst Ende Januar in den Unternehmen an, weil die Software in den Bundesbehörden nicht reibungslos funktioniert.

Aber der Bund überweist doch Abschlagszahlungen?

Kleineren Unternehmen hilft das. Aber für einen Hotelbetrieb mit 100 Angestellten sind 10.000 Euro sehr wenig. Die Fixkosten sind ja erheblich, selbst wenn Kurzarbeitergeld beantragt wurde. Nach fast einem Jahr Pandemie ist auch nicht einzusehen, warum die Software in den Bundesbehörden noch immer nicht problemlos funktioniert.

Verändert sich durch die Corona-Krise die Struktur der bremischen Wirtschaft?

Es wird weitere Veränderungen geben. Im Textilhandel zum Beispiel geht der Trend zu kleineren Flächen. Die Corona-Krise wird den Trend verstärken. Auch das Mobilitätsverhalten wird sich ändern. Wir werden mehr Videokonferenzen erleben. Nicht alle geschäftlichen Reisen werden dadurch ersetzt, aber einige schon. Das wird auch Rückwirkungen auf die Hotelübernachtungen in Bremen haben. Aber touristischen Reisen werden sicher wieder kommen, auch Großveranstaltungen.

Die City soll sich verändern. Kurz vor dem Jahreswechsel haben 16 Organisationen und Investoren ein Aktionsbündnis geschlossen und einen Aufbruch angemahnt.

Die großen privatwirtschaftlichen Investitionen in der Innenstadt müssen von öffentlichen Investitionen flankiert werden. Die Stadt muss in die Infrastruktur investieren. Die Aufenthaltsqualität muss verbessert werden, mehr Leben in die Innenstadt geholt werden. Deshalb appellieren wir an den Bürgermeister, schnell zu einem zweiten Innenstadt-Gipfel ins Rathaus einzuladen.

Wie kommt die Handelskammer durch die Krise? Die Beiträge der Mitgliedsunternehmen richten sich ja nach deren Erträgen.

Für die Handelskammer war 2020 ein Jahr der Veränderungen – von der massiven Durchsetzung der Digitalisierung bis hin zu einer großen Flexibilität in der Beratung. Wir haben noch nie so viele Anfragen bekommen wie 2020. Für unsere Mitgliedsunternehmen haben wir viel tun können. Negativ ist, dass auch die Handelskammer von massiven Einnahmerückgängen ausgehen muss. Selbstverständlich erhöhen wir in der Krise nicht unsere Beiträge. Daher muss die Handelskammer deutlich sparen. Wir haben in allen operativen Bereichen die Ausgaben zurückgeführt und ein konsequentes Sparprogramm umgesetzt. In der Geschäftsführung haben wir freiwillig einen Teilverzicht unseres Gehalts hingenommen. Unser Leistungsangebot werden wir aber nicht einschränken.

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