Räumstellenleiter und Truppführer Frank Ringel mit einem Bombensplitter. Auch die zerbeulte Kaffeekanne fand sich auf dem Acker und dürfte aus den Kriegsjahren stammen.Fotos: Lenssen
Bombensplitter

Alles rausholen

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Kampfmittelberger: Ständig im Einsatz und unverzichtbar für jedes Bauvorhaben.

Eiskalt fegt der Wind über die Felder der Hemelinger Marsch. Da, wo die Europaallee mit einem Wendehammer endet und das Industriegebiet Hansalinie die letzten erschlossenen Quadratmeter ausgereizt hat, ist der Ort, an dem sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen. Die Felder auf der einen Seite des Weges, der über Arbergen weiter Richtung Mahndorf führt, sehen aber aus, als wären sie mit einem riesigen Pflug durchgeackert worden. Bis zu vier oder fünf Meter hoch türmen sich die Erdwälle.

Hier geht es jetzt um die Suche nach Hinterlassenschaften des Zweiten Weltkrieges. Das Gewerbegebiet soll erweitert werden. Darum sind die Männer der Kampfmittelbergung hier, auch mit Baggern. Die obere Fläche muss abgetragen werden, bevor die Suchtrupps starten können. Sie sind immer als Zweierteam unterwegs: jeweils ein Sondierer und ein Räumarbeiter.
„Das geht nur Schritt für Schritt und Quadratmeter für Quadratmeter“, erklärt Frank Ringel von der Firma Kampfmittelbergung (KMB), während seine neun Trupps, die er hier einsetzt, langsam und an gespannten Schnüren entlang den Boden absuchen. Jeweils 25 mal 25 Meter groß sind die abgesteckten Quadrate. Bis September oder Oktober werden wir hier wohl noch im Einsatz sein“, sagt der Truppführer. Neben KMB sind noch zwei weitere Unternehmen in Sichtweite tätig, um das Areal von 63 Hektar akribisch abzusuchen

Eisen im Boden

Ein Suchtrupp bei der Arbeit: Ein Sondierer (links) mit einer SBL10-Sonde und der Räumarbeiter mit dem Spaten, der ran muss, wenn das Gerät ausschlägt und Eisen anzeigt. 

Es sind oft nicht viele Schritte, die ein Zweiertrupp gehen muss, bis das Display der SBL10-Sonde wieder ausschlägt: das Zeichen für Eisen im Boden. Der Räumer setzt den Spaten an und fördert innerhalb weniger Sekunden ein fingerlanges Metallteil heraus, das dann in einem Eimer landet. So wie viele Splitter von Bomben oder Granaten an diesem Tag.

„173 Luftangriffe wurden auf Bremen geflogen, dabei 26.000 Tonnen Bomben abgeworfen. Nur sechs andere deutsche Städte – an der Spitze Berlin, Köln und Hamburg – wurden häufiger bombadiert“, berichtet Andreas Rippert, Chef der Kampfmittelräumung der Polizei Bremen, der heute ebenfalls hier ist. Er klärt auch gleich mal auf, dass Kampfmittelbergung, also das Aufspüren, keineswegs Kampfmittelräumung bedeutet. Geräumt wird von der Polizei.

40 Zentimeter Granate

Plötzlich bekommt Rippert ein Foto auf sein Smartphone geschickt: Es zeigt eine 40 Zentimeter lange Granate, vor wenigen Minuten an der Kirchhuchtinger Landstraße ausgegraben. Wie der Fachmann sofort erkennt: Kein Blindgänger, sondern „nie durch ein Rohr gegangen“, mit anderen Worten: nicht abgefeuert. Also keine große Sache für seine Leute.

An der Kirchhuchtinger Landstraße gefunden: Eine Granate, die nie abgefeuert wurde

An eine HC400-Luftmine erinnert sich Rippert: „Die ist so groß wie eine Badewanne, 180 Kilogramm schwer und hat drei Zünder“, erzählt er über einen Fund, für dessen Entschärfung in Deutschland oft mehrere 10.000 Menschen ihre Häuser verlassen müssen. „Bremen steht auf Trümmerschutt“, sagt Rippert. „Wir hatten auch schon einen einzigen Tag, an dem wir von morgens bis nachmittags 36 Stück gefunden haben – sogar fünf Stück auf nur 1.000 Quadratmetern.“

Kampfmittelfrei

An der Hansalinie in Hemelingen sind solche Funde nicht zu erwarten. Auf Luftaufnahmen konnten „neun Bombenanhaltspunkte und reichlich Bombentrichter“ ausgemacht werden. Die Äcker hier hatten die Piloten freilich nicht treffen wollen, aber das Ausbesserungswerk in Sebaldsbrück und ein Stellwerk.
Flugzeuge, Fahrzeuge oder die Überreste von Soldaten haben die Kampfmitttelräumer quer durch die Republik schon geborgen und werden auch dieses Mal wieder von Granat- und Bombensplittern über Phosphor- und Stabbrandbomben bis hin zu alten Patronen aufsprügen. Was transportfähig ist wird zur Vernichtung nach Munster gebracht, alles andere muss entweder vor Ort entschärft oder gesprengt werden. Erst wenn dies alles erledigt ist kann ein Gelände als „kampfmittelfrei“ gemeldet werden.

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