Stephan Simon und seine Kollegen bearbeiten teilweise Stückzahlen von 50.000 oder mehr. Foto: Werkstatt Bremen/ Martin Rospek Freut sich auf jeden neuen Auftrag und hat Spaß daran, etwas Neues dazuzulernen – Stephan Simon an einer der drei Offset-Maschinen. Foto: Werkstatt Bremen/ Martin Rospek
Keiner will weg

Der Navigator

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Warum die Martinshof-Druckerei für die Beschäftigten ein zweites Zuhause ist

„Hat jemand noch was für die 52?“ ruft Uwe Otto in die Runde. „Heute nicht mehr. Mach Feierabend“, antwortet sein Schichtleiter. Da Otto die vergangenen Stunden intensiv an seiner Druckerpresse für das Format bis 52 Zentimeter (A3) gearbeitet hat, ist Dienstschluss für ihn nicht so schlecht.
Seit 35 Jahren existiert die Martinshof-Druckerei, seit 33 Jahren ist Otto dabei. Die Martinshof-Druckerei der Werkstatt Bremen beschäftigt Menschen mit psychischen und körperlichen Beeinträchtigungen. Einige kleben Etiketten auf Briefumschläge, falten Flyer und tragen Formulare zusammen.

„Ich fühle mich geschätzt“

Andere wie Uwe Otto werken in der technischen Produktion. Auch Stephan Simon. Jeden Tag kommt er mit der Bahn aus Bremen-Nord. Dass Simon, nachdem eine psychische Erkrankung seinen Alltag komplett durcheinandergebracht hatte, jetzt viele Dinge wieder alleine meistert, verdankt er der Beschäftigung im Betrieb der Werkstatt Bremen. „Ich arbeite gerne hier und fühle mich wohl und geschätzt. Unser Team ist wie eine zweite Familie für mich“, sagt Simon.
Heute druckt er Deckel für Handakten der Bremer Staatsanwaltschaft, insgesamt 50.000 Stück. Das Papier einlegen und akkurat ausrichten, die Maschine justieren, das Druckergebnis kontrollieren – all das obliegt Stephan Simon. Seit 15 Jahren ist er in der Martinshof-Druckerei und hat sein Aufgabenfeld in dieser Zeit Schritt für Schritt erweitert.

Kollegen mit Teamgeist

Das sei eine der Besonderheiten des Betriebs, betont Björn Schwaer, einer der fünf Gruppenleiter, von denen jeder für jeweils zwölf Mitarbeiter zuständig ist. „Jeder unserer Beschäftigten kann eine seiner persönlichen Situation, Stimmungslage oder auch Fähigkeit entsprechende Tätigkeit übernehmen und diese jederzeit wechseln“, sagt Schwaer. Teamgeist und Zufriedenheit sind wichtige Bausteine innerhalb des städtischen Betriebs. „Von den Menschen, die zu uns gewechselt sind, will keiner wieder weg“, bemerkt Schwaer.
„Bei der Umsetzung der Aufträge zählt die Gemeinschaft“, bestätigt Gruppenleiter Knud Plambeck. „Wer bei uns beschäftigt ist, der soll und darf keinen Stress oder Druck haben“, erklärt er. Deshalb werden die Aufträge mit einem gewissen Vorlauf geplant und Kollegen springen bei Bedarf füreinander ein.

Tatendrang auch im Außendienst

Die Arbeitsbereiche sind vielfältig: Handarbeit, Buch- und Digitaldruck bis hin zur Mediengestaltung, „Wir können eigentlich fast jeden Sonderwunsch erfüllen. Ob Gummibärchen-Tüten auf Karten bringen oder nach Vorgaben Layouts entwickeln für Unternehmen, die keinen eigenen Grafiker beschäftigen“, sagt Björn Schwaer.
Und Uwe Otto? Der ist kein Mann der großen Worte, aber stets voller Tatendrang. Darum kann er es gar nicht abwarten, bis die Corona-Einschränkungen endlich wieder wegfallen. Denn neben seinem Job an der Offset-Maschine ist der 52-Jährige auch im Außendienst tätig. Bei der Auslieferung von Visitenkarten oder Broschüren war er vor Covid-19 immer dabei.
„Er kennt alle Adressen sowie Anlieferwege und ist damit auch für unsere Fahrer sehr wertvoll“, erzählt Björn Schwaer. „Wir nennen ihn nicht ohne Grund ‚Navigator‘.“

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