Joachim Wittrien ist seit 2015 Vorsitzender der Bremer Landesorganisation des Sozialverbandes Deutschland und erstritt für seine Mitglieder 2020 rund 1,6 Millionen Euro.Foto: Schlie
Sozialverband

„Es geht nicht immer ums Geld“

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Wie der Bremer Sozialverbandschef Joachim Wittrien hilft und mit den Ämtern kämpft.

Weser Report: Herr Wittrien, rund 1,6 Millionen Euro hat der Sozialverband Deutschland 2020 allein für seine Mitglieder im Land Bremen erstritten. Wie kommt das?

Joachim Wittrien: Wir beraten unsere Mitglieder in sozialrechtlichen Fragen und helfen ihnen, ihre Ansprüche durchzusetzen. Die Hauptadressaten sind Versorgungsämter und Rentenversicherungen. In einem besonders drastischen Fall konnten wir im vergangenen Jahr für zwei Mitglieder insgesamt 40.000 Euro vom Amt für soziale Dienste erstreiten. Angeblich hatten sie nicht alle Unterlagen eingereicht, die wurden aber mehrfach nachgereicht, zuletzt sogar alle Kontoauszüge aus den vergangenen zehn Jahren, um deutlich zu machen, dass die beiden wirklich kein Geld hatten.

Sie haben im Land Bremen 2020 insgesamt 1.670 Verfahren geführt. Wie viele gingen erfolgreich aus?

Gut 60 Prozent der Verfahren gewinnen wir für unsere Mitglieder. Es geht aber nicht immer um Geld, sondern beispielsweise auch um das Ausstellen von Schwerbehindertenausweisen. Allein beim Ausfüllen eines Rentenantrags kommt man ja leicht an seine Grenzen. Auch da unterstützen wir unsere Mitglieder.

Wie hat sich die Zahl der Verfahren im Laufe der Jahre entwickelt?

Wir hatten 2020 etwa 100 bis 150 Verfahren weniger als 2019. Aber es kommt ja nicht nur auf die Zahl der Verfahren an, sondern auch auf ihre Wertigkeit. Unter dem Strich kann man sagen, dass wir mehr Geld erstritten haben. Die Wertigkeit hat sich um 50 Prozent erhöht. Das merken wir auch an unseren Einnahmen, weil wir für die juristische Begleitung der Verfahren Geld bekommen.

Wie hat Corona Ihre Arbeit verändert?

Messen und andere Veranstaltungen wurden abgesagt, auch unsere monatlichen Mitgliederversammlungen. Die Geschäftsstelle unseres Landesverbandes hatte im vergangenen Frühjahr für sechs Wochen geschlossen. Inzwischen kann jeder unserer zwölf Beschäftigen von zu Hause aus arbeiten. Die Rechtsberatung haben wir vorübergehend auf Post, Telefon und E-Mails umgestellt.

Rund 12.000 Mitglieder gehören dem Landesverband Bremen an. Nimmt die Zahl zu?

Wir gewinnen im Jahr rund 1.000 bis 1.200 neue Mitglieder insbesondere durch unsere Rechtsberatung. Wir verlieren aber auch welche, teils durch Tod, teils durch Austritt. 2021 haben wir 1,5 Prozent weniger Mitglieder als 2020. Das Verhalten hat sich aber auch geändert. Früher sind viele bei uns Mitglied geworden, weil sie unsere Rechtsberatung wünschten und blieben dann nach Abschluss des Verfahrens. Heute verhalten sich die Menschen nutzungsoptimiert. Sie kommen zu uns, lassen sich helfen, und wenn ihr Verfahren erledigt ist, kündigen sie.

Warum erweitern Sie nicht Ihr Angebot?

Darum kämpfen wir seit zwei, drei Jahren. Das Berufsbildungswerk, eine Tochter unseres Bundesverbandes, hat Warmwassergymnastik angeboten und wir haben auch Reha-Sport gemacht. Aber wegen Corona findet das alles nicht mehr statt. Wir haben noch viel mehr Ideen, müssen aber immer darauf achten, dass wir kein Geschäftsbetrieb werden. Dann verlören wir unsere Gemeinnützigkeit.

Der Sozialverband Deutschland hat ja schon Tochtergesellschaften: das Wohnungsunternehmen Meravis oder das Hotel Mondial in Berlin.

Mit dem Bau von Wohnungen hat unser Verband nach dem Ersten Weltkrieg angefangen. Er hatte sich um die Hinterbliebenen gekümmert und die brauchten Wohnungen. Daraus hat sich Meravis entwickelt. Heute besitzt das Unternehmen rund 13.000 bis 14.000 Wohnungen. Das Hotel haben wir 1985 gebaut, es war das erste barrierefreie Hotel in Deutschland.

Ihre Forderungen an die Politik klingen sehr nach SPD, der Präsident des Sozialverbandes Deutschland ist SPD-Mitglied und war auf kommunaler und regionaler Ebene für die Partei aktiv.

Ich bin auch in der SPD, aber wir sind überparteiisch. Vielleicht sind einige unserer Forderungen denen der SPD ähnlich, aber wir machen keine Parteipolitik. Und bei unseren Veranstaltungen achten wir sehr darauf, dass Vertreter aller demokratischen Parteien dabei sind. Auch viele Abgeordnete der Bürgerschaft sind bei uns Mitglied. Manchmal hat das auch Vorteile.

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