Ilka Schlein erkrankte 2014 selbst an Multipler Sklerose. Yoga hat ihr geholfen, sich wieder befreit zu fühlen. Foto: Konczak
Yoga bei MS

Hilfe zur Selbsthilfe

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In Elmeloh können MS-Erkrankte bald mit Yoga wieder neue Kraft schöpfen.

Yoga – die jahrtausendalte philosophische Lehre aus Indien soll mit ihren Übungen Körper, Geist und Seele in Einklang bringen. Die positiven Auswirkungen auf die Gesundheit und das Wohlbefinden sind durch viele Studien belegt. Weniger bekannt dürfte sein, dass Yoga auch bei Menschen, die an Multipler Sklerose (MS) erkrankt sind, wahre Wunder bewirken kann. Die Ganderkeseerin Ilka Schlein hat bislang unter anderem über Volkshochschulen reguläre Yoga-Kurse angeboten. Ab September startet nun ein neues Angebot speziell für MS-Erkrankte, für das Schlein mit dem Elmeloher Moin-Zentrum kooperiert. Im Interview erzählt die 50-Jährige, wie sie dazu kam und wie MS-Betroffene Yoga für sich nutzen können.

DELME REPORT: Frau Schlein, wie kamen Sie auf die Idee, Yoga für MS-Erkrankte anzubieten?
Ilka Schlein: 2014 bin ich selbst an MS erkrankt. Ich habe mich irgendwann gefragt, was mir am besten helfen kann. Yoga wollte ich schon immer machen, aber durch meinen aufreibenden Job hatte ich mir vorher nie die Zeit dafür genommen. Also dachte ich: Wenn nicht jetzt, wann dann? Nachdem ich einiges ausprobiert hatte, kam ich 2015 zu meinen Yogalehrern in Potsdam und fing erstmal mit Einzelyoga an. Meine Lehrerin hat mich schließlich ermutigt, in eine Immersion hineinzuschnuppern – ein mehrwöchiger Kurs und eine Vorstufe zum Lehrertraining. Sie hatte das viel eher im Kopf, da ich selbst erkrankt bin und weiß, wieviel Mut es kostet, in eine Gruppe zu gehen. So entstand die Idee, Yoga für MS anzubieten.

Sie haben also erst durch Ihre Erkrankung zum Yoga gefunden?
Ja, der Wunsch war zwar da, aber die Zeit fehlte. Ich habe mit der Diagnose MS mein Leben durchleuchtet, brauchte Ruhe und Entspannung und wollte einen Weg finden, um wieder zu mir zu kommen. Ich hatte wahnsinnige Angst und Panikattacken, auch Depressionen spielten eine Rolle, und ich musste da wieder herauskommen. Bei meinen Lehrern in Potsdam bin ich dann auch geblieben und habe 2018 meine Yogalehrerausbildung abgeschlossen. Das, was ich gelernt habe und was mir geholfen hat, wollte ich an andere Menschen weitergeben.

Haben Sie denn den Bedarf für dieses Angebot vor Ort festgestellt?
Ich hatte schon lange im Kopf, Yoga für MS-Erkrankte anzubieten. Ich habe dann bei einer anderen Yogalehrerin aus dem Moin-Zentrum nachgefragt, ob Interesse besteht, es hier stattfinden zu lassen.

MS ist eine Krankheit, die nicht heilbar ist, man kann sie nur behandeln. Was hat denn Yoga bei Ihnen bewirkt, wie kann es helfen und unterscheidet es sich von ‚normalem‘ Yoga?
Ich habe normales Yoga gemacht, nur sehr langsam angefangen und es war auf mich zugeschnitten, bis ich mir zugetraut habe, in eine normale Gruppe zu gehen. Ich wusste, dass ich vielleicht eingeschränkter bin als die anderen und nicht nach links und rechts zu den Profis schauen darf. Das Yoga an sich war für mich unglaublich energetisierend. Mein Stil „Anusara“ ist eine modernere, etwas verfeinerte Form des Hatha-Yoga. Diese subtilen Übungen haben einen Energiefluss freigesetzt, ich fühlte mich unglaublich befreit. Ich hatte viele MS-Symptome, oft Beklemmungen, ein Kopfkino, in dem ich mich gefragt habe, was das alles mit mir macht. Ich hatte anfangs Sensibilitätsstörungen – oder auch Missempfindung, ein schlimmes Gefühl von Elektrostromstößen im ganzen Körper. Später kamen, Schwindelgefühle hinzu, Gangunsicherheiten, leichte Taubheitsgefühle, Konzentrationsschwächen, ganz massiv das chronische Erschöpfungssyndrom. Das Yoga, die Kombination aus Anspannung, Entspannung und leichter Dehnung, hat eine unglaubliche Leichtigkeit in mir ausgelöst. Das war unfassbar und hat eine große Verbesserung bewirkt. Wenn ich etwa Phasen im Alltag hatte, Verkehrslärm, grelle Beleuchtung, wenn ich gemerkt habe, dass alles zu viel wird und ich anfange zu schwanken, haben mir kleine Übungen sehr geholfen. Ich habe aus dem, was ich gelernt habe, kleine Mechanismen entwickelt. Damit habe ich es geschafft, etwa die Missempfindungen herunter zu regulieren.

Kann man sagen, wie oft man pro Tag solche Übungen machen sollte, damit es einem besser geht, oder ist es bei jedem anders?
Das ist sicher bei jedem anders und hängt von der Verfassung ab. Aber letztlich ist eine regelmäßige Praxis absolut von Vorteil. Gerne jeden Tag und wenn es nur zehn Minuten sind. Ich selber schaffe es nicht jeden Tag, merke es dann aber auch.

Gibt es für jedes MS-Symptom eine eigene Übung?
Es gibt Empfehlungen für verschiedene Symptome. Man muss es probieren, da ist jeder Mensch unterschiedlich. Es gibt viele beruhigende Sachen, die helfen. Ich habe auch Module der Svastha Yogatherapie (Momentum Regeneration) besucht, wobei sich eines mit Atemwegserkrankungen beschäftigte. Ich war danach so unglaublich tiefenentspannt, das kann man sich nicht vorstellen. Daraus kann ich mir auch etwas ziehen für neurologische Krankheiten wie MS. Ähnlich ist es bei Modulen zu Depressionen und Panikattacken. Diese ganzen Übungen ergeben einen guten Mix. Bei meiner Yoga-Gruppe für MS-Erkrankte soll es aber in erster Linie um einen geschützten Raum gehen. In einer normalen Unterrichtsstunde ist kein Raum für Individualität, man kann nicht auf spezielle Bedürfnisse eingehen. In der geschützten Gruppe kann man sich gemeinsam entwickeln.

 

Kurse und Anmeldungen

Einen kostenlosen Schnupperkurs bietet Ilka Schlein am 22. August von 16.30 bis 18 Uhr an. Kursstart mit maximal acht Teilnehmern ist dann am 5. September, immer montags von 16.30 bis 18 Uhr. Die Kosten betragen 15 Euro pro Treffen. Infos und Anmeldung auf moin-zentrum.de oder gesundheitundentfaltung.de.

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