„Ich singe, weil ich ein Lied hab“, nennt Konstantin Wecker seine Jubiläumstour zu seinem 75. Geburtstag. Am 20. Oktober gastiert er in der Glocke. Foto: Daniela Pfeil „Ich singe, weil ich ein Lied hab“, nennt Konstantin Wecker seine Jubiläumstour zu seinem 75. Geburtstag. Am 20. Oktober gastiert er in der Glocke. Foto: Daniela Pfeil
Interview

Konstantin Wecker: „Ich bin es nicht“

Von
Liedermacher Konstantin Wecker über seine neue Tournee, über Wut und Mozart

Weser Report: Herr Wecker, Ihre Jubiläumstour steht unter dem Motto Ihres Liedes: Ich singe, weil ich ein Lied hab, nicht weil es euch gefällt. Ist Ihnen Ihr Publikum egal?

Konstantin Wecker: Nein, aber die Tatsache, dass ich nicht immer den Forderungen meines Publikums nachgegeben habe, hat mich jahrzehntelang begleitet. Ein Beispiel: Ende der 1970er Jahre wurde ich zum ersten Mal berühmt mit meinen Lied von Willy…

…ein junger Mann, der in einer Schlägerei von Nazis getötet wird…

…da hatte ich dann nicht nur 50 Leute im Publikum, sondern Hunderte und dann sogar Tausende. Und dann kam die Platte „Liebesflug“. Ich wusste, dass sie richtig war, aber Kritiker haben sofort geschrieben: Was ist mit dem politischen Wecker los? Jetzt singt er Liebeslieder. Ich habe auch Teile meines Publikums verloren, aber es war mir wichtig, diese Lieder zu singen, und ich betrat die Bühne eines Abends ganz im Sinne meines Lehrmeisters Hans-Dieter Hüsch: Ich bin es nicht; ich bin nicht der, den ihr erwartet habt.

Ahnen Sie beim Schreiben eines Liedes, ob es ein Hit werden könnte wie Willy?

Ich merke es nicht. Eine einzige Ausnahme: Ein Lied, das ich auf der Bühne kaum singe: „Oami von vorn ofanga“. Da habe ich mir bei der Entstehung vorgenommen, dass es im Bayerischen Rundfunk gespielt werden sollte, wurde es auch. Aber es ist kein tolles Lied. Den Willy habe ich in einer Probenpause geschrieben und dann meinen Musikern vorgespielt. Ich dachte aber, das ist nichts für die Bühne, das ist zu privat. Aber dann bemerkte ich die Betroffenheit der Musiker, als sie es hörten, und sang es danach auch auf der Bühne. Dass es so ein Erfolgslied werde würde, ahnte ich nicht.

Viele Ihrer Lieder enthalten politische Botschaften. Bevorzugen Sie diese Lieder oder lyrische Texte?

Meine Lieder sind lyrische Lieder. Sie sind mir passiert, geschenkt worden. Nur ein einziges Lied habe ich bewusst geschrieben mit meiner Ratio: „Sage nein“. Das war, als die ersten Ausländerheime brannten: Sage nein. Alle anderen auch sogenannten politischen Lieder entstanden aus der Poesie. Vor zwölf Jahren habe ich das Lied „Wut und Zärtlichkeit“ geschrieben. Ich dachte, im Alter ist es an der Zeit, nur noch zärtlich zu sein. Doch dann kam dieses Lied dazwischen und mir wurde klar, dass Wut genau so wichtig ist. Nur dürfen wir nicht aus Wut handeln, aber wir müssen sie zulassen. Denn ohne Wut wird sich nichts verändern.

Sie haben jahrzehntelang gegen Gewalt und Krieg gesungen. Im April haben Sie den Bundeskanzler in einem offenen Brief aufgefordert, keine schweren Waffen in die Ukraine zu liefern. Sehen Sie das heute auch noch so?

Ich bin bekennender Pazifist. Ich lasse mich lieber an eine Wand stellen, als eine Waffe zu nehmen und jemanden zu erschießen.

Und überlassen die Ukraine der russischen Armee?

Man müsste viel mehr miteinander reden. Man muss auch mal über einen gewaltfreien Widerstand nachdenken. Es gibt auch eine ukrainische pazifistische Bewegung, über die wird wenig berichtet. Und es gab Versuche, mit weißen Fahnen den Panzern entgegenzugehen. Gewalt wird sich niemals durch Gewalt auflösen.

Die Mehrheit der Deutschen befürwortet die Lieferung von Waffen in die Ukraine. Haben Ihre Lieder also gar nichts bewirkt?

Nein, das heißt es nicht. Ich bin ein Freund der bayrischen Räterepublik. Sie ist gescheitert, aber die Idee ist nicht gescheitert. Wenn wir aufhören zu träumen, dann sterben wir.

Welche Musik hören Sie zu Hause?

In erster Linie höre ich Mozart. Je älter ich werde, umso mehr. Ich liebe auch Gustav Mahler. Aber wenn du schlecht drauf bist und Mahler hörst, kann es sein, dass du in tiefe Depressionen verfällst. Bei Mozart gibt es das nicht. Mozart erhebt mich immer. Mit jedem Ton.

Auf ihrer letzten Tournee „Utopia“ singen Sie auch von glücksbesoffen. Wann sind Sie glücksbesoffen?

Die schönsten Momente sind für mich die kreativen und manche Momente auf der Bühne. Für mich ist es immer wieder Meditation, wenn ich auf der Bühne bin. Nicht alle drei Stunden lang, aber es gibt immer wieder diese Momente. Auch manchmal beim Schreiben oder am Klavier. „Jeder Augenblick ist ewig, wenn du ihn zu nehmen weißt“, heißt es in einem meiner vielleicht wichtigsten Gedichte.

Wann bringen Sie eine neue CD heraus?

CDs verkaufen sich immer schlechter, das meiste wird digital gehört. Aber im Herbst bei meinen drei Münchnern Konzerten möchte ich einen Mitschnitt machen und auf einer CD dokumentieren, auch auf einer LP. Denn Vinyl wird wieder gekauft.

Ihr Freund, der Liedermacher Hannes Wader, gab mit 75 Jahren sein Abschiedskonzert. Jetzt sind Sie 75 Jahre alt. Wie lange wollen Sie noch auf Tournee gehen?

Mein geschätzter Freund Hannes ist jetzt 80. Ich weiß nicht, wie mein Körper noch funktioniert, wenn ich 80 bin. Aber im Moment fühle ich mich meinem Publikum gegenüber verpflichtet. Ich finde es schön, wenn ich die Rückmeldung bekomme, dass ich Mut machen würde. Mut machen – das ist ein sehr, sehr wichtiger Faktor in der Kunst. Mut machen, zu sich selbst stehen. Ich glaube, ich kann den Leuten das Gefühl geben, dass sie zu sich selbst stehen können und dürfen.

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