Buch von Jürgen Schulenberg "150 Jahre SPD in Delmenhorst". Auf dem Cover ist die Flagge zu sehen.
Geschichte SPD

Zwölf Jahre unter der Erde

Von
150 Jahre Delmenhorster SPD / Partei und Flagge waren nicht immer sicher

Die Jahreszahl 1872 ist in die Fahne des Allgemeinen-Deutschen-Arbeitervereins Delmenhorst eingestickt. Ursprünglich leuchtete die Fahne in dunklem Rot, mittlerweile ist die Farbe zu einem rot-rosa ähnlichen Ton verblichen. Mittlerweile befindet sich die Parteiflagge als Dauerleihgabe im Bestand des Delmenhorster Stadtmuseums auf der Nordwolle. Die Gründung der Sozialdemokratischen Partei in Delmenhorst vor 150 Jahren ist eng mit der Geschichte und Entwicklung der Stadt verwoben. Der Name SPD wird erst in den folgenden Jahren etabliert. Doch dazu später mehr.

Mit der Industrialisierung entsteht die Nordwolle

Der Beginn der Industrialisierung in Deutschland bringt auch für Delmenhorst entscheidende Veränderungen, berichtet Jürgen Schulenberg in seiner kürzlich erschienenen Chronik „1872 – 2022 – 150 Jahre SPD in Delmenhorst“. Ab 1850 expandiert in dem damaligen Ackerbürgerstädtchen die Kork- und Zigarrenindustrie. Richtig Schwung in die Industrialisierung kommt jedoch erst 1867 mit der Einweihung der Eisenbahnstrecke Bremen – Oldenburg und dem Bahnhof in Delmenhorst. Als Folge siedeln sich mehrere Unternehmen an. Das erste größere Werk ist die 1871 gegründete Jute Spinnerei und Weberei. Ihr folgt 1882 die „Delmenhorster Linoleumfabrik“. 1884 wird dann die größte Delmenhorster Fabrik, die „Norddeutsche Wollkämmerei und Kammgarnspinnerei“ gegründet.

Bis 1898 entwickelt sich die Stadt zur größten Industriestadt in der Region. Die Arbeits- und Wohnsituation der Arbeitskräfte, die überwiegend aus Ost- und Südeuropa in die Stadt kommen, ist häufig erbärmlich. Auch Kinderarbeit gibt es.

Entstehung des Arbeitervereins und die verbotene Flagge

Bereits seit 1872 macht sich der Arbeiterverein für die Belange der Arbeiter stark. Das ist der Politik und den Arbeitgebern ein Dorn im Auge. Reichskanzler Otto von Bismarck setzt 1878 unter einem Vorwand das „Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie“ (kurz Sozialistengesetz) durch. Da dieser Schritt von langer Hand geplant und ein offenes Geheimnis ist, löst sich der Arbeiterverein in Delmenhorst vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes auf. Die Parteifahne versteckt der Zigarrenmacher Wilhelm Hense bei sich zu Hause. Er verbuddelt sie in seinem Garten. Damit der Stoff nicht verrottet, buddelt er sie immer mal wieder aus. Dann wickelt er sich die verbotene Fahne um den Körper, zieht seine Arbeitskleidung darüber und bei Hausdurchsuchungen fällt den Polizisten außer einem beleibten Hausherrn nichts Besonderes auf.

Die Sozialdemokraten verlegen sich auch für politische Treffen auf die Kunst der Täuschung und Tarnung. Da werden Theateraufführungen schon mal dazu genutzt, um unbemerkt Flugblätter auszutauschen und die politische Lage zu besprechen.

Zeitlicher Überblick

1890 kippt das Sozialistengesetz. Bereits im Dezember dieses Jahres hat der „Allgemeine Arbeiterverein für Delmenhorst und Umgebung“ 53 eingetragene Mitglieder. Zwei Jahre später erfolgt die Umbenennung in „Sozialdemokratischer Verein“. Die Mitgliederzahl beträgt da bereits 243. Früh setzt sich die SPD zum Beispiel für ein starkes Bildungssystem ein.

1933 wird die SPD zum zweiten Mal verboten – nun von den Nazis. Die Parteiflagge übersteht auch diese Zeit. Sie wird wieder vergraben. Dieses Mal beim Friedhof an der Schanzenstraße.

1945 tragen die Sozialdemokraten den demokratischen Neuaufbau der Stadt mit. Unter den 30 Stadtratsmitgliedern, die im Oktober 1945 von der englischen Militärregierung bestimmt werden, gehören Adolf Ahrens, Otto Balzer, Berta Behlmer, Johann Schmidt, Wilhelm von der Heyde sowie Ferdinand Schütze und Johann Weyhausen der SPD an.

1963 erreicht die Delmenhorster SPD, dass die Stadt ein Hallenbad eröffnet. Dass insbesondere Kinder eine Badeanstalt benötigen, sei kein Luxus. Dass sie Schwimmen lernen war damals so wichtig, wie heute aktuell.

Weiteres zur Geschichte der SPD

Die rund 90 Seiten dicke Chronik von Jürgen Schulenberg ist im Verlag Isensee erschienen. Der Oldenburger Verlag hat ebenfalls das Heimatjahrbuch 2022 des Heimatvereins Delmenhorst herausgebracht. Darin schreibt Paul Wilhelm Glöckner unter dem Titel „Immer für Sozialstaat und Demokratie eingesetzt“ ebenfalls über die Delmenhorster SPD.

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