Weißstörche sind ihrem Horst treu. Sie kehren nach dem Winter immer wieder an ihren Nistplatz zurück und bauen ihr Nest stetig aus. Hier: ein Horst im Tiergarten Ludwigslust. Foto: Bollmann
Wildtieren helfen

Weißstorch vielerorts Ausnahmeerscheinung

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Adebar auf der Vorwarnliste. Nicht nur die Feuchtgebiete schützen. Ludwigslust: mit „Klappi“ kam der Storch.

 

Vor 50 Jahren kam mit „Klappi“ der Storch in den Tiergarten Ludwigslust. Viele Nisthilfen haben zur erfolgreichen Ansiedlung und Nachzucht von wild lebenden Weißstörchen geführt. Foto: Bollmann

Der Weißstorch ist in unseren Breiten ein gern gesehener Gast: Ein Storchennest auf dem Hausdach gilt hier als Symbol für Glück im Haus. Zudem bringt uns Meister Adebar laut deutscher Folklore die Kinder. Daher rührt auch sein Name: bedeutet „Auda“ auf Germanisch „Glück“ und „bera“ hingegen „gebären“. In Unterfranken und Thüringen ist er sogar als Osterstorch bekannt.

Der Weißstorch ist ein Langstreckenzieher

Der Langstreckenzieher mit dem perfektionierten Segelflug fliegt mit einer Flügelspannweite von mehr als zwei Metern jedes Jahr ab Mitte August in großen Verbänden in Richtung Afrika, seinem Winterquartier, ab. Die Ostroute dorthin ist bis zu 11.000, die Weststrecke bis zu 5.000 Kilometer lang. Inzwischen aber bleiben immer mehr Vögel auch im Winter in Europa. Sogar in Deutschland kann man ganzjährig einzelne Exemplare beobachten. Ab März sind die Zugvögel zurück in ihren Brutgebieten und bestehen auf ihren Horst vom Vorjahr, um den sie auch mal heftig kämpfen. Das typische Klappern mit dem langen Schnabel ist seine einzige Lautäußerung. Es dient zur Begrüßung, zur Abwehr und im Duett gehört es zum Paarungsritual.

Meister Adebar bevorzugt Feuchtwiesen

Meister Adebar bevorzugt offene, extensiv genutzte Landschaften mit Feuchtwiesen und Gewässern, wo er die meiste Zeit des Tages Nahrung sucht. Hierbei stolziert der imposante Kulturfolger im typischen Storchengang. Er frisst Frösche, Regenwürmer, Mäuse, Eidechsen, Insekten oder Fische. Täglich benötigt er 500 bis 700 Gramm Nahrung, was etwa 600 Regenwürmer oder 16 Mäuse sind, weiß die Bremer Tierschutz- und Wildtier-Expertin Dr. K. Alexandra Dörnath, die die Tierarztpraxis Klein Mexiko und das Exoten-Kompetenz-Centrum leitet.

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Dem Weißstorch macht die industrielle Landwirtschaft zu schaffen

„Heute brüten wieder etwa 7.000 Weißstorchpaare bei uns“, informiert der Naturschutzbund Deutschland (Nabu). Seine Bestände hätten in letzter Zeit zugenommen, sodass der Weißstorch aktuell auf der Vorwarnliste geführt werden könne. Gründe für diese Zunahmen seien vor allem das veränderte Zugverhalten der westziehenden Population mit kürzeren Wegen, aber auch Schutzmaßnahmen. Die ostziehende Population aber weise einen eher abnehmenden Trend auf. Die Bestände im Westen nähmen kontinuierlich zu, in Ostdeutschland komme der Weißstorch wieder zunehmend in Bedrängnis, so der Nabu.

Auch der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) betont, dass der Weißstorch in vielen Regionen eine Ausnahmeerscheinung bleibe. Zu schaffen mache ihm vor allem die industrielle Landwirtschaft, die Wildtieren kaum mehr Nahrung biete. „Immer mehr Landschaft wird verbraucht, die Lebensräume für Pflanzen und Tiere werden zerstört und große Mengen von Pestiziden und chemischen Düngern in der Landschaft verteilt. Eine Reform der Agrarpolitik würde nicht nur dem Storch helfen“, betont Dörnath. Der Schutz von Süßwasser-Feuchtgebieten sowie der Verzicht auf Chemie unterstützt nämlich nicht allein diese Flagschiffart in ihrem Brutgebiet. Wer biologische Landwirtschaft unterstütze, tue vielen Tieren Gutes, so die erfahrene Tierärztin Dörnath. Als Geschenk für einen Tierfreund böte sich zudem eine Vogelpatenschaft an.

In geschützten Gehegen brüten Störche auch schon mal am Boden. Hier: im Tiergarten Ludwigslust. Foto: Bollmann

Ludwigslust und die Störche: Eine echte Erfolgsgeschichte

In einigen Gebieten Deutschlands konnte der Weißstorch wieder angesiedelt werden, wie etwa im Großraum Osterholz-Scharmbeck bei Bremen. „Früher gab es hier keine Störche“, erinnert sich Dietrich Seedorf, der seit vielen Jahrzehnten den Tiergarten Ludwigslust leitet. Mitte der 1970er Jahre wurde ihm ein Storch zur Pflege überlassen, den er „Klappi“ nannte. Ein Jahr später folgte ein weiterer Storch und schon bald stellte sich der erste Bruterfolg ein.

Mittlerweile wachsen in guten Jahren etwa 30 bis 40 Jungstörche rund um Ludwigslust auf. „Eine echte Erfolgsgeschichte“, freut sich die Naturfreundin Dörnath und ist begeistert von der Stimmung in diesem Tiergarten, wenn sich überall die einfliegenden Störche an ihren Horsten klappernd begrüßen. Dies sei auf die Pionierarbeit von Seedorf zurückzuführen, so Dörnath. Heutzutage kümmert sich in Deutschland eine Vielzahl von Freiwilligen in der Nabu-Bundesarbeitsgruppe „Weißstorchschutz“ um den praktischen Schutz der Störche. Sie sanieren Nester, machen auf gefährliche Stromleitungen und Masten aufmerksam und zählen alljährlich die Brutpaare und deren Nachwuchs.

„Viele Störche überleben leider den Zug nach Süden nicht“, betont Wildtierexpertin Dörnath. Zu ihren größten Feinden zählten dabei nicht nur Masten und Leitungen, sondern auch Windräder. „Ich möchte nicht wissen, wie viele Störche da bereits reingeflogen sind“, konstatiert der Tiergarten-Leiter Seedorf, und zeigt auf die Windräder am Horizont. Auch Dürreperioden und Vergiftungen wirkten sich negativ auf den Bestand der Weißstörche aus, so der Nabu. „Projekte zur Umweltbildung und alternative Einkommensquellen können die Jagd auf die Schreitvögel in Afrika eindämmen“, betont der Umweltverband. Für den Zugvogel sei ein effektiver Klimaschutz überlebenswichtig.

Alexandra Dörnath

Die Expertin Dr. Alexandra Dörnath aus der Tierarztpraxis Klein Mexiko Foto: Bollmann

„Weißstorchschutz endet also nicht an unseren Grenzen. Er ist eine internationale Aufgabe“, betont Dörnath. Die lange Reise für die Vögel ist mit vielen, auch menschengemachten, Gefahren verbunden. Leider kehrte im letzten Jahr ein Storch mit einem Pfeil im Körper in den Tiergarten Ludwigslust zurück
■ Falls Ihnen ein Thema rund um einheimische Wildtiere und auch Exoten unter den Nägeln brennt, schreiben Sie uns einfach unter martin.bollmann@weserreport.de eine Mail. Lesen Sie hier weitere Beiträge aus dieser Serie. mb

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