Shammas mit Familie. Foto: nba |
Michal Shammas ist Rechtsanwalt für politische Gefangene und Aktivist für die Verteidigung der Menschenrechte. Seit wenigen Wochen lebt der Syrer mit seiner Familie in Delmenhorst. Aus seiner Heimat Damaskus musste er über Nacht fliehen. Ein Gespräch.
„Ich war 2015 als Referent auf einer Konferenz für Menschenrechte in Genf eingeladen“, erzählt Michal Shammas. Ein Artikel über die Veranstaltung sei von der UN dann ins Internet gestellt worden. Als er wieder zu Hause in Damaskus angekommen sei, habe er sofort einen dubiosen Anruf und eine Vorladung vom syrischen Geheimdienst erhalten.
„Um was es ging, wollte man mir am Telefon nicht sagen. Der Abruf war inoffiziell“, sagt der Anwalt. Durch Freunde aus politischen Gremien habe er dann den Hinweis erhalten, dass es besser sei, sofort das Land zu verlassen, weil man über Nacht ein Reiseverbot für ihn und seine Familie einleiten wollte. „Wir sind sofort über die Grenze zur deutschen Botschaft nach Beirut in den Libanon gefahren“, erzählt er. Dort habe er für sich und seine Familie einen Asylantrag gestellt und sich bis zur Anerkennung des Antrags drei Monate in der Stadt verstecken müssen.
Mit dem Flugzeug nach Deutschland geflohen
Der 55-jährige Aktivist, seine sieben Jahre jüngere Ehefrau Victoria Dib, seine Töchter Nour (14) und Maria (22) sowie sein 32-jähriger Schwiegersohn Ahmad Shareef, ebenfalls Rechtsanwalt, gehören zu den privilegierten Syrern, denen es möglich war, mit dem Flugzeug nach Deutschland zu reisen. „Für uns war es im Vergleich zu vielen anderen Flüchtlingen ein Picknick“, räumen sie ein.
Von einer Zukunft in Syrien haben sich die fünf politischen Flüchtlinge vorerst verabschiedet. „Wenn wir geblieben wären, dann wären wir nicht mehr am Leben“, sind sie sich sicher. „Wir haben alles hinter uns gelassen.“
Schweres Leben in Damaskus ohne Strom, Gas und fließendem Wasser
Mit dem Alltag in Damaskus sei der in Delmenhorst nicht zu vergleichen: „In den letzten Monaten hatten wir ein schweres Leben, ohne Strom, Gas und fließendes Wasser im Haus“, erklären sie. Ihren Töchtern hätten sie erklärt, aus welcher Himmelsrichtung die Luftangriffe kommen und auf welcher Straßenseite sie sich bewegen sollen, um sich vor Gefahren zu schützen.
„Hier in Delmenhorst kann ich endlich wieder schlafen, keine Bomben fallen und wenn jemand von uns morgens das Haus verlässt, dann weiß ich, dass ich ihn abends wiedersehen werde“, erklärt Victoria. Sie selbst habe viele Jahre in der Stadtverwaltung Damaskus gearbeitet. Ihre Tochter Maria sei Bankangestellte gewesen.
Derzeit versuchen sie alle, ihre schulischen und beruflichen Qualifikationen in Deutschland übersetzen und anerkennen zu lassen. Das A und O allerdings ist für sie jetzt das Lernen der deutschen Sprache. Und da sie derzeit noch auf der Warteliste für einen Deutschkursus stehen, versuchen sie, sich mit der Sprache über das Internet vertraut zu machen.
Familie Shammas möchte sich unbedingt integrieren
„Nicht immer trifft man auf Flüchtlingsfamilien, die so unkompliziert und eigeninitiativ sind wie die Shammas“, sagt der Delmenhorster Integrationslotse Muhanad Paulus. „Sie fragen nicht lange nach, haben keine Erwartungen oder Ansprüche, sondern machen einfach. Sie möchten sich hier unbedingt schnell integrieren. Das merkt man sofort.“
Während die Eltern irgendwann wieder zurück in ihre Heimat Damaskus möchten, sehen die jüngeren Familienmitglieder ihre Zukunft erst einmal in Deutschland. Vor allem Schwiegersohn Ahmad Shareef möchte versuchen, hier als Anwalt Fuß zu fassen. Nour, die Jüngste in der Familie, wünscht sich, hier zur Schule gehen und studieren zu können. „Irgendwann möchte ich nach Syrien zurückkehren und die Menschen dort unterstützen, das Land wieder aufzubauen“, sagt sie.
In Deutschland fühlen sich die Shammas nicht fremd: „Die Sicherheit, der Schutz und die Akzeptanz von Menschen ist sehr groß“, sagen sie. „Wir fühlen keine Grenzen zwischen Europäern und Syrern und die Globalisierung ist spürbar.“