Die Juristin und SPD-Politikerin ist seit Juli 2021 Senatorin für Kinder und Bildung. Jetzt schmiedet sie ein Bündnis mit Hamburg und Berlin.Foto: Schlie Die Juristin und SPD-Politikerin ist seit Juli 2021 Senatorin für Kinder und Bildung. Jetzt schmiedet sie ein Bündnis mit Hamburg und Berlin. Foto: Schlie
Interview

„Hamburg guckt neidvoll“

Von
Bildungssenatorin Sascha Karolin Aulepp über IT, ein neues Programm und Lauterbach

Weser Report: Frau Aulepp, Bremen hofft auf weitere Bundeszuschüsse für Schulen. Gemeinsam mit Ihrem Hamburger Kollegen Ties Rabe und ihrer Berliner Kollegin Astrid-Sabine Busse wollen sie jetzt ein Projekt vorantreiben, das SPD, Grüne und FDP in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart haben: Der Bund soll von 2023 an bundesweit 4.000 Schulen in sozialen Brennpunkten besonders fördern. Was erwarten Sie für Bremen?

Sascha Karolin Aulepp: Das geplante Startchancen-Programm für Schulen in herausfordernden Lagen soll sich an das Programm „Aufholen nach Corona“ anschließen, das mit Beginn der Sommerferien 2023 ausläuft. Ich setze mich mit meiner Berliner Kollegin und meinem Hamburger Kollegen dafür ein, dass das Geld nicht mit der Gießkanne verteilt wird, sondern dahin kommt, wo es dringend gebraucht wird.

Maßstab für die Zuteilung von Bundesmitteln an die Länder ist häufig die Einwohnerzahl und das Steueraufkommen.

Maßstab sollte der tatsächliche Bedarf sein, zum Bespiel: Wie viele Kinder einer Schule müssen von Hartz IV leben? Wenn man die Umsatzsteuer anlegt, bekommen die Länder mehr, die ohnehin schon viel Geld haben. Deshalb freue ich mich, Hamburg an unserer Seite zu wissen. Denn Hamburg hat einen Vorteil bei der Umsatzsteuer, aber auch Schulen in herausfordernden Lagen.

Was schlagen Sie konkret vor?

In Bremen haben wir dafür einen ziemlichen genauen Sozialindikator entwickelt. Er richtet sich nach der messbaren sozialen Situation der Kinder. Aus dem Indikator haben wir keine Wissenschaft gemacht; das sind Daten der amtlichen Statistik, er ist auch schnell aktualisierbar. Hamburg und Berlin unterstützen uns, dass solch ein Indikator in das Bundesprogramm aufgenommen wird. Davon würde übrigens auch das CDU-regierte Nordrhein-Westfalen profitieren.

Wie viel Geld wird benötigt?

Ursprünglich war in den Verhandlungen der Ampel-Koalition einmal die Zahl von vier Milliarden Euro genannt worden. Die Länder gehen davon aus, dass der Bund dafür aufkommen muss. Ob es letztlich die Länder mitfinanzieren müssen, ist offen.

Was genau soll so finanziert werden?

Bitte nicht nur Beton. Wir müssen damit auch zusätzliche Stellen finanzieren können, für zusätzliche Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter, zusätzliche Erzieherinnen und Erzieher, aber auch für zusätzliche Lehrkräfte. Ein Teil ist für den Schulbau vorgesehen, etwa zur Unterstützung von Ganztagsschulen in Lagen, in denen es die Schülerinnen und Schüler zu Hause nicht so gut haben. Und über einen Teil der Mittel sollte jede betroffene Schule selbst entscheiden können. In Bremen habe ich bereits durchgesetzt, dass jede Schule Mittel zur freien Verfügung bekommt, um Vernetzungsarbeit im Quartier machen zu können. Die bremischen Verstärkungsmittel sollten aufgestockt werden.

In Bremen klagen vor allem Schulen in Brennpunkten über freie Stellen. Warum schreiben Sie den Lehrkräften nicht vor, an welcher Schule sie arbeiten sollen?

Wenn Schulen von sich aus um Kräfte werben, können sie sehen, wer zu ihnen passt. Den Referendarinnen und Referendaren schreiben wir mittlerweile vor, an welchen Schulen sie eingesetzt werden. Der Effekt ist, dass sie nach dem Referendariat oft an dieser Schule bleiben wollen. Bei den fertig ausgebildeten Lehrkräften setzen wir im Moment auf Überzeugung. Aber das ist ein Punkt, den man sich noch einmal anschauen muss.

Wie geht es beim Startchancen-Programm weiter?

Die Kultusministerkonferenz muss mit der Bundesministerin für Bildung und Forschung verhandeln, dann muss der Bundestag zustimmen. Das kann sich hinziehen. Es wäre aber gut, wenn wir das bis Ende 2022 hinbekämen.

Ein wichtiges Thema ist die Digitalisierung der Schulen…

…es war schön, bei dem Treffen mit dem Hamburger Kollegen zu erleben, dass das stolze und reiche Hamburg mit Neid auf uns guckt, was wir hier in Bremen in Sachen Digitalisierung gewuppt haben.

Aber insgesamt steht Hamburg besser da. Im jüngsten Bildungsmonitor liegt Hamburg auf Platz 4 und Bremen auf Platz 16, dem letzten.

Da ist noch einmal deutlich geworden, was man erreichen kann, wenn man über die entsprechenden Ressourcen und eine gute Ausstattung verfügen kann. Hamburg hat schon längst mit einer Doppelbesetzung begonnen: Eine Lehrkraft und eine weitere pädagogische Kraft bilden ein Team und leiten eine Klasse gemeinsam. Damit beginnen wir in Bremen gerade, haben aber Schwierigkeiten, Kolleginnen und Kollegen zu finden. Wir haben dieses Jahr über 270 Lehrkräfte eingestellt – so viele wie seit 20 Jahren nicht mehr. Wir stehen damit vergleichsweise ziemlich gut da und dennoch haben wir allein in der Stadt Bremen 100 unbesetzte Lehrerstellen, die wir nur schwer besetzen können.

Wie gut sind die Bremer Schulen auf eine neue Corona-Welle und damit auf einen möglichen digitalen Unterricht aufgestellt, vor der Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach warnt?

Grundsätzlich haben Karl Lauterbach und ich einen unterschiedlichen Blick auf Kinder und deren Rolle in der Gesellschaft. Die Einschränkungen der Kinder sind auf das absolut Notwendige einzugrenzen. Kinder aus der Schule raus zu halten, kommt mit mir nicht infrage. Für mich ist Distanzunterricht keine Option; es schadet den Kindern sehr, wenn sie wochenlang zu Hause bleiben müssen. Wenn aber das Gesundheitssystem zusammenzubrechen droht oder eine Variante auftaucht, die wirklich gefährlich für Kinder ist, dann muss man über alles reden. Das ist doch klar.

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