Die Juristin Emily Büning ist seit Januar 2022 Politische Bundesgeschäftsführerin der Grünen.Foto: Marco Meister
Interview

„Darauf müssen wir aufbauen“

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Die Grünen-Bundesgeschäftsführerin Emily Büning spricht über ihre Partei und die Krisenpolitik.

Weser Report: Frau Büning, wie lange halten die Grünen den Widerspruch zwischen ihrem Programm und ihrer pragmatischen Politik in der Bundesregierung noch aus? Sie stimmten dem Sondervermögen für die Bundeswehr zu, den Waffenlieferungen an die Ukraine und wollen zwei Atomkraftwerke als Notreserve behalten.

Emily Büning: Wir stehen als Partei sehr gut zusammen. Ich erlebe bei meinen Gesprächen natürlich Rückfragen und Diskussionsfreude. Alles andere würde mich von meiner Partei auch überraschen. Aber ich nehme eine große Unterstützung für unser politisches Handeln wahr. Wir machen Politik mit Verantwortungsbewusstsein. Wir finden Lösungen im Hier und Jetzt, führen dieses Land durch die Krise – und gleichzeitig behalten wir die langfristigen Ziele im Blick.

Wie viele Mitglieder hat die Partei schon verloren?

Die Zahlen sind ziemlich stabil, mit einem leichten Trend nach oben. Zuletzt lagen wir bei rund 125000 Mitgliedern.

Wie wird sich die Bundespolitik der Grünen auf die Landtagswahl in Niedersachsen am 9. Oktober auswirken?

Momentan stehen wir in Niedersachsen sehr gut da. Das liegt zunächst mal an den niedersächsischen Grünen. Aber es zeigt auch ein Vertrauen in das Handeln der Partei im Bund. Viele Menschen erkennen an, dass wir bereit sind, gerade auch schwierige Entscheidungen zu treffen, den ein oder anderen Umweg zu gehen – zugleich aber unsere Ziele weiter verfolgen.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat am Montag die Ergebnisse des erneuten Stresstests vorgestellt. Unterm Strich: Zwei Atomkraftwerke sollen in eine Einsatzreserve. Wie passt das zusammen: Atomkraft und grüner Minister?

Wir haben stets gesagt, dass wir auf Grundlage von Fakten entscheiden werden, auch und gerade in krisenhaften Zeiten wie diesen. Diese Fakten liegen nun vor. Der Stresstest, den Robert Habeck in Auftrag gegeben hatte, zeigt drei zentrale Dinge. Erstens: Wir haben genug Strom in Deutschland. Zweitens: Die Gefahr einer stundenweisen, regionalen Lastunterdeckung ist deshalb sehr gering. Aber, drittens: Sie ist im sehr unwahrscheinlichen Worst-Case-Szenario nicht gänzlich auszuschließen, etwa in Bayern, wo die CSU den Netzausbau lange ausgebremst hat. Deshalb nun die Einsatzreserve aus Isar II und Neckarwestheim: Die beiden Atommeiler werden bereitgehalten, aber nur dann eingesetzt, wenn es wirklich nicht anders geht. Angesichts einer Hochrisikotechnologie halte ich das für einen vernünftigen Weg: Die Regierung schafft Versorgungssicherheit im Winter, der Atomausstieg bleibt unberührt, es braucht keine neuen Brennstäbe – und im Frühjahr 2023 ist allerspätestens Schluss.

Die Ampel-Koalition will die Krisengewinne der Energieunternehmen abschöpfen. Das trifft auch die Betreiber von Solaranlagen und Windkraftanlagen. Sie produzieren billig Strom, verkaufen ihn aber zu den Höchstpreisen, die auch gasbetriebene Kraftwerke verlangen.

Es geht darum, für mehr Gerechtigkeit auf dem Strommarkt zu sorgen. Einige Unternehmen erwirtschaften gerade horrende Gewinne – nicht etwa, weil sie günstiger produzieren, sondern einzig, weil die Strompreise infolge des Krieges in der Ukraine so hoch sind. Gleichzeitig sorgen sich Millionen von Menschen in Deutschland um die nächste Stromrechnung. Das ist nicht fair. Deshalb wollen wir die Übergewinne abschöpfen, um mit den Einnahmen den Strompreis im Grundbedarf abzufedern.

Außenministerin Annalena Baerbock meint, der russische Krieg gegen die Ukraine könne noch lange dauern. Droht da nicht die Gefahr, dass die Stimmung in der deutschen Bevölkerung irgendwann kippt. Baerbock warnte sogar vor Volksaufständen im Herbst, zog die Aussage allerdings wieder zurück.

Wir nehmen die Sorgen der Menschen ernst. Am Wochenende hat die Koalition ein Entlastungspaket in Höhe von rund 65 Milliarden Euro beschlossen. Es ist schon das dritte Hilfspaket, mit einer Vielzahl von Maßnahmen, die vor allem kleine und mittlere Einkommen entlasten. Die Regierung wird nicht alles auffangen können, sieht es aber als ihre Aufgabe an, die Menschen in unserem Land bestmöglich durch den Winter zu bringen.

Große Demonstrationen gegen den Klimawandel gab es seit Monaten nicht mehr. Wir wollen sie das Thema Klimaschutz wieder in den Vordergrund rücken?

Mein Eindruck ist: Das Thema ist akuter denn je. Wir blicken zurück auf einen Sommer mit Höchsttemperaturen und Dürre. Viele Menschen verstehen, dass es ein Fehler der Vorgängerregierungen war, uns abhängig von russischen Fossilen zu machen. Auch vor diesem Hintergrund ist der ökologische Umbau also zentral für die Zukunft unseres Landes. Wir haben in der Regierung schon weitreichende Schritte getan und den Ausbau der erneuerbaren Energien auf ein nie da gewesenes Tempo beschleunigt. Darauf müssen wir nun aufbauen, gerade auch in Sektoren wie dem Verkehr.

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