Lena Hollmann ist Schichtleiterun auf dem Delmenhorster Tierschutzhof am Schillbrok.Foto: Martina I. Meyer Lena Hollmann ist Schichtleiterin auf dem Delmenhorster Tierschutzhof am Schillbrok.Foto: Martina I. Meyer
Haustier

„Verantwortung übernehmen“

Von
Vermehrt werden Katzen abgegeben und ausgesetzt: Wir sprachen über mögliche Gründe

Auf Ebay sind aktuell viele Katzen aus „persönlichen Gründen“ abzugeben beziehungsweise zu verkaufen. Frau Hollmann, werden aktuell auch mehr Tiere ausgesetzt?

Lena Hollmann: Ja, das ist eine Entwicklung, die wir seit einiger Zeit beobachten.

Was für Gründe könnte es dafür geben?

Einer ist sicherlich die lange Coronapandemie, in der viele Menschen Zuhause geblieben sind, häufig im Homeoffice gearbeitet haben. Es wurde ein Haustier angeschafft, weil nun viel Zeit dafür da war. Mit dem Abflachen der Pandemie hat sich auch die Zeit, die die Menschen Zuhause verbracht haben und verbringen, drastisch verkürzt. Ein Haustier passt nun nicht mehr in das wieder umtriebige Leben. Aber die Bedürfnisse des Tieres sind die gleichen geblieben: Das Bedürfnis nach Nähe und nach einer liebevollen Versorgung. Es möchte gestreichelt werden, möchte spielen, Gassi gehen, beschäftigt werden, möchte nicht lange allein gelassen werden, muss mal zum Tierarzt … Vielen Menschen ist in ihrer wiedererlangten Freiheit eine gute Versorgung des Tieres nicht mehr möglich. Und dann wird entschieden, das Tier abzugeben oder es einfach irgendwo auszusetzen.

Werden auch auf dem Außengelände des Tierschutzhofes Tiere ausgesetzt?

Ja, schon mehrere Male. Erst kürzlich gab es folgende Begebenheit: Eine Frau hat auf dem Hof angerufen, ob sie ihre Katze wegen einer plötzlich aufgetretenen Allergie bei uns abgeben könne. Das sei möglich, wurde ihr gesagt und mitgeteilt, dass die Aufnahme ihrer Katze 100 Euro Aufnahmegebühr kostet. Sie stimmte zu und wollte das Tier demnächst vorbeibringen. Ein paar Tage später – es war bislang keine Katze abgegeben worden – wurde plötzlich auf dem Hof eine fremde Katze gesichtet. War diese vielleicht die Katze, für die zuvor angefragt worden war? Haben die 100 Euro Abgabegebühr die Frau abgeschreckt, das Tier persönlich abzugeben und setzte sie es daraufhin auf dem Hofgelände aus? Fragen, auf die es wohl nie eine Antwort geben wird. Ein komisches Gefühl aber bleibt.

Also spielt Ihrer Erfahrung nach, Geld ebenfalls eine große Rolle, wenn Tiere ausgesetzt werden?

Viele Tierbesitzer können oder wollen die finanzielle Verantwortung für ihr Tier nicht übernehmen. Eine Rolle spielt dabei auch die kürzlich bundesweit neu in Kraft getretene gesetzliche Gebührenerhöhung für Tierärzte. Das treibt die Ausgaben zusätzlich in die Höhe.

Was raten Sie Personen, die mit dem Gedanken spielen sich ein Haustier anzuschaffen?

Jemand, der ein Tier zu sich nach Hause holt, muss genau wissen, was es braucht, um gut und artgerecht leben zu können. Passt das Tier, das ich mir wünsche, zu mir und meinem Leben? Kann ich dreimal am Tag mit einem Hund Gassi gehen? Ist er nicht länger als ein paar Stunden alleine? Wer versorgt das Tier, wenn ich in Urlaub fahre? Oder krank werde? Kann ich die möglicherweise hohen Tierarztkosten tragen? Eine Katze sollte nie den ganzen Tag alleine sein, wenn sie keinen Freigang hat. Ein Kaninchen sollte immer ein Partnertier haben und beide sollten ein großes Gehege mit mindestens vier Quadratmeter Platz pro Tier haben.

Wo bekommt man diese Informationen?

Am besten ist es, wenn sich Menschen, die ein Tier haben möchten, mit Menschen unterhalten, die viel Wissen über eine artgerechte und gute Tierhaltung haben. Die Mitarbeiter auf dem Tierschutzhof Delmenhorst zum Beispiel sind gerne bereit, solche Gespräche zu führen und Interessenten zu allen Fragen rund um das Tier zu beraten.

Wie viele Tiere leben aktuell auf dem Tierschutzhof?

41 Katzen, zwei Hunde, sieben Meerschweinchen und zwei Kaninchen.

Kommt es vor, dass Menschen Tiere wieder zum Tierschutzhof zurückbringen, denen sie eigentlich ein neues Zuhause schaffen wollten?

Ja, das kommt vor. Manchmal stimmt die Chemie zwischen Tier und Mensch nicht. Ein dominanter Hund tanzt einem eher unerfahrenen oder unsicheren Herrchen oder Frauchen auf der Nase herum. Manchmal ist die Sorge um ein neu geborenes Kind der Grund. Und es gibt auch Gründe, die auf ihre Art irgendwie seltsam sind, zum Beispiel wenn jemand sagt: „Die beiden Katzen, die ich adoptiert habe, haben so wild miteinander gespielt und getobt, dass dabei eine Vase zu Bruch gegangen ist. Die können nicht bei uns bleiben.“ Da kommt der Gedanke, ob da nicht zwei muntere, lebensfreudige Lebewesen mit zwei Stofftieren verwechselt wurden.

Wie viele Tiere leben aktuell auf dem Tierschutzhof?

41 Katzen, zwei Hunde, sieben Meerschweinchen und zwei Kaninchen.

Liegt Ihnen noch etwas auf dem Herzen?

In Delmenhorst gibt es eine Kastrationspflicht, die Katzenbesitzer dazu verpflichtet, ihre freilaufenden Katzen kastrieren zu lassen. Unser dringender Appell an alle Katzenbesitzer ist, ihre Katzen und Kater unbedingt kastrieren zu lassen, damit sich das Elend von ungewollten Samtpfoten nicht immer weiter fortsetzt. Sie müssen häufig ein elendes Leben als Straßenkatze führen. So verwahrlost haben sie zu wenig Nahrung, müssen ihr Leben oftmals schwer erkrankt und ohne Behandlung fristen und bringen trotzdem weiterhin Junge zur Welt, die das gleiche Schicksal erleiden müssen. Immer wieder gibt es Menschen, die weder Verantwortungsbewusstsein noch Mitgefühlt für das von ihnen ehemals gewollte Lebewesen haben und es dann wegwerfen wie ein altes Kleidungsstück.

Zur Information:

Der Tierschutzhof Delmenhorst am Schillbrok 5 ist für Besucher mittwochs, donnerstags, freitags und sonnabends jeweils in der Zeit von 15 bis 17 Uhr geöffnet.

„Für alle Fragen rund um unsere Tiere, die Adoption eines neuen Tieres und den Tierschutz allgemein stehen wir während unserer Besuchszeiten allen Interessierten zur Verfügung“, sagt Tierheimleiterin Nadine Scheuer vom Tierschutzhof-Team. Auch auf der Homepage kann man sich über die Tiere und die Aktivitäten des Vereins informieren. Wer eine aktuelle Frage oder Anliegen hat, kann sich auch telefonisch unter 04421 / 6 89 01 50 auf dem Tierschutzhof melden. Das Telefon ist zwar nicht immer besetzt, weil die Leute in der Versorgung der Tiere sind. Wer aber seinen Namen, sein Anliegen und seine Telefonnummer auf den AB spricht, wird so schnell wie möglich zurückgerufen.

Die Samtpfote scheint zu fragen: Nimmst du mich mit in ein neues, schönes Zuhause?Foto: Marc van der Velde

Die Samtpfote scheint zu fragen: Nimmst du mich mit in ein neues, schönes Zuhause?
Foto: Marc van der Velde

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren...

WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner