Gyde Wortmann Gyde Wortmann ist Mitbegründerin und Vorstand der Abat AG. Foto: Lürssen
Interview

Freiräume statt New Work

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Abat-Gründerin Gyde Wortmann über die besondere Kultur in ihrem Unternehmen.

Weser Report: Herzlichen Glückwunsch zur Auszeichnung „Arbeitgeber des Jahres“. Was macht Abat?

Gyde Wortmann: Gegründet haben wir uns 1998 hier in Bremen als SAP-Beratung, spezialisiert auf den Automotive-Bereich. Zuvor waren meine drei Mitgründer und ich für eine Tochter des Volkswagenkonzerns tätig. Angefangen haben wir dann im Januar 1999 mit der Automobilindustrie und dann haben wir Stück für Stück weitere Branchen hinzugenommen. Wer mit IT-Systemen ein Auto produzieren kann, der kann auch ein Handy damit produzieren. Unsere Kunden finden wir in Bremen, deutschlandweit und auch international.

Sie definieren sich als Freiraum-Company. Was bedeutet das?

Wir haben von Anfang an viele Sachen anders gemacht als andere Unternehmen. Damals haben wir es nur noch nicht Freiräume genannt. Vor ein paar Jahren kam das Thema „New Work“ auf. Da haben wir gemerkt, was wir machen, ist eigentlich „New Work“. Jetzt nennen wir es Freiräume. Wir haben vom ersten Tag an gesagt, dass die Entscheidungen sollen dort gefällt werden, wo sie gebraucht werden. Unsere Berater und Entwickler sind typischerweise vor Ort bei den Kunden. Deshalb haben wir ihnen die Möglichkeit gegeben, Entscheidungen zu fällen. Es gibt zum Beispiel keine Genehmigungsprozesse für Reisen oder Einsätze. Das entscheiden die Mitarbeiter selber. Wenn mir jemand sagt, dass er Urlaub machen möchte, dann muss er keinen Antrag stellen. Dann frage ich ihn, ob er das mit den Beteiligten geklärt hat, die von ihm abhängig sind.

Kann jeder Mitarbeiter damit umgehen?

Nein. Für viele, die in anderen Unternehmen sozialisiert worden sind, ist es schwierig. Für diejenigen, die direkt von der Uni oder Hochschule kommen ist es einfacher, aber selbst für die ist es komisch. Ich hatte jetzt ein Beispiel, wo ein frischer Azubi nach vier Wochen die Laptop-Bestellung machen sollte. Dem war ein bisschen mulmig. Das ist okay. Wenn Du unsicher bist, dann fragst Du und stimmst Dich ab. Es geht immer darum zu schauen, wer ist von den Entscheidungen betroffen und sich mit denen abzustimmen. Die Mitarbeiter müssen ein Gefühl dafür entwickeln, wann sie sich Hilfe holen müssen. Das kann mal schief gehen. Dann muss man Feedback geben.

Viele Firmen klagen über Fachkräftemangel. Sie sagen: „Bremen ist unser idealer Standort, weil wir hochqualifiziertes IT-Personal finden“. Wie passt das zusammen?

Wir arbeiten seit vielen Jahren eng mit den Hochschulen und Unis zusammen. 1999 haben wir die ersten vier Studenten für eine Diplomarbeit gehabt. So lange haben wir Auszubildende, Studenten, die bei uns Bachelor- oder Masterarbeiten schreiben, Pflichtpraktika absolvieren oder als Studenten bei uns jobben. Wir haben Lehrbeauftragte in den Hochschulen, führen Projekte durch, haben eine Doktorandenstelle, die wir zur Hälfte bezahlen, wir machen Sommerpraktika mit Schülern und Studenten. Wir versuchen Kontakte mit jungen Menschen zu haben. Bremen ist auch deshalb für uns der ideale Standort, weil wir hier nicht einer unter vielen sind. Hier können wir tatsächlich die Professoren erreichen. In München haben sie uns gesagt: „Da ist das Schwarze Brett“.

Was bedeutet Ihnen die Auszeichnung als Arbeitgeber des Jahres?

Das ist eine Form, wie wir wahrnehmen können, dass es funktioniert. Es ist uns gelungen, einen Rahmen zu schaffen, wo Menschen sich wohlfühlen und authentisch zur Arbeit kommen können. Das ist etwas, dass uns stark macht. Hier muss sich niemand verstellen. Das Feedback zeigt, dass wir uns diese Kultur erhalten konnten, obwohl wir inzwischen die Grenze von 500 Mitarbeitern überschritten haben. Das ist ein System, in das immer wieder Energie gesteckt werden muss. Aber wenn ich Menschen in diese Art einbeziehen kann, dass ich etwa als Student schon Verantwortung übernehmen kann, erreiche ich eine irre Bindung an das Unternehmen.

So viel Geld kann man für Headhunter gar nicht ausgeben.

Richtig. Und dann kriege ich nicht die Leute, die ich haben möchte. Wir konnten in den vergangenen Jahren regelmäßig um die 40 Mitarbeiter für zehnjährige Zugehörigkeit ehren. Das ist in einem Beratungsunternehmen nicht selbstverständlich und zeigt, dass die Live-Work-Balance gegeben ist. Wir haben immer versucht, nicht so zu optimieren, dass die Leute bei 40 bis 60 Stunden pro Woche ihr Optimum erreichen, sondern bei 30 bis 40 Stunden. Das scheint dazu zu führen, dass die Menschen sich wohlfühlen, dass sie gesund sind und lange bei uns bleiben.

Stichwort: Abat

Die Abat AG ist Konzernmutter der Abat Gruppe. Innerhalb von 25 Jahren wuchs die Belegschaft von 13 Mitarbeitern auf weltweit über 900. Gut 500 davon zählen zur AG mit Sitz in Bremen. 2022 erwirtschaftete die Gruppe einen Umsatz von rund 90 Millionen Euro.

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