Selindiona Shehu hat den Kurs noch rechtzeitig abgeschlossen: Wegen gekürzter Fördermittel kann das Kursangebot an der Volkshochschule (VHS) Delmenhorst seit Beginn des Jahres nicht fortgesetzt werden. Im Interview erzählt Shehu, wie ihr das Zertifikat den Weg in die Ausbildung geebnet hat.
DELME REPORT: Frau Shehu, wie hilft Ihnen der Abschluss auf C1-Niveau bei Ihrer beruflichen Zukunft weiter?
SELINDIONA SHEHU (24): Mit dem C1-Kurs habe ich eine Ausbildungsstelle als Bürokauffrau gefunden. Ich habe mich im Januar beworben. Ich habe eine Einladung für ein Bewerbungsgespräch bekommen und ich war dort. Wir haben über verschiedene Themen gesprochen und sie haben gesehen, wie gut ich sprechen konnte. Und dann habe ich direkt die Stelle bekommen. Im August fange ich an.
Wie hat sich Ihr Sprachgefühl durch den Kurs verändert?
Ich fühle mich sicherer als vorher. Aber ich glaube, dass ich jeden Tag mehr Kontakt im Beruf brauche, damit ich die Fachsprache übe. Deswegen glaube ich jetzt mit dem Anfang der Ausbildung wird mir das auch mehr helfen.
Inwieweit hat Ihnen der Kurs bei der Bewerbung geholfen?
Wir haben im Kurs mehrmals geübt, wie man sich bewirbt und was die To-dos und Not-to-dos sind, sage ich jetzt auf Englisch. Und das hat mir sehr mit dem Anschreiben, mit der Bewerbungsmappe und beim Sprechen geholfen.
Der Kurs ging 400 Stunden, oder?
Ja, 400 Stunden. Es war echt ein intensiver Kurs, muss ich sagen. Und die letzten Monate haben wir jeden Tag, fünf Tage die Woche, gelernt. Das war echt anstrengend. Besonders, weil ich zwei kleine Monster zu Hause habe. Alle in der Gruppe haben kleine Kinder. Es war sehr anstrengend, aber es hat sich gelohnt.
Wie haben Sie das mit zwei Kindern und dem Kurs gemacht?
Es hat viel geholfen, dass die Kinder Betreuung über den Tag hatten. Und nach der Schule bin ich direkt hin und habe sie abgeholt, dann nach Hause. Wenn ich ein bisschen Freizeit gefunden habe, habe ich gelernt. Manchmal auch bis 1 Uhr morgens.
Das ist sehr viel Engagement. Mögen Sie mir ein bisschen was von Ihrer Migrationsgeschichte erzählen? Wo kommen Sie her, was ist Ihre Muttersprache?
Ich komme aus Albanien, meine Muttersprache ist Albanisch. Und ich bin hier seit 2020, gerade als Corona begann. Ich bin eigentlich nur als Besucherin gekommen zu meiner Tante, da habe ich meinen Mann kennengelernt. 2021 sind wir nach Delmenhorst umgezogen. Dann haben wir geheiratet und so habe ich auch angefangen, Deutsch zu lernen. Ich musste zwischendurch mal Pause machen, weil ich zweimal schwanger war. B1, B2 und C1 habe ich hier an der VHS gemacht. Den Rest habe ich selber zu Hause gelernt.
Was hat Sie motiviert, immer weiter zu lernen?
Ich muss sagen, das erste Jahr, in dem ich mit meinem Mann zusammen war, haben wir Englisch gesprochen. Ich dachte, Deutsch zu lernen, das ist so schwierig. Und dann wurde ich schwanger und habe meinen Sohn in diese Welt gebracht. Und da habe ich gedacht: Okay, das geht nicht. Ich muss zum Arzt mit den Kindern. Ich muss meinen Kindern etwas Besseres leisten. Und ich muss unbedingt die deutsche Sprache lernen. Da habe ich mir richtig Mühe gegeben. Und ich glaube, das habe ich jetzt geschafft.
Wie stellen Sie sich Ihre berufliche Zukunft in Deutschland vor?
Ich habe große Pläne. Zuerst möchte ich die Bürokauffrau-Ausbildung machen und Erfahrungen sammeln. Danach möchte ich eine Weiterbildung machen. Betriebswirtschaft. Ich glaube, ohne Weiterbildung kann man nicht vorankommen.
Sie haben ja auch mitbekommen, dass jetzt die C1-Kurse in der Schwebe hängen. Was für Gedanken haben Sie dazu?
Ich bin sehr dankbar, dass ich dieses Zeugnis jetzt in der Hand habe und nicht in dieser Zeit mache. Wenn das ein Gesetz wird und man nicht mehr weiter als B2-Kurse machen kann, ist das Blödsinn, Entschuldigung. Alle wollen sich in Deutschland integrieren und alle wollen einen Beruf machen, der gefällt. Und wie kann ich einen Beruf ausüben oder lernen, wenn ich die Sprache nicht richtig kann? Das macht keinen Sinn.
Haben Sie noch etwas, das Sie sagen möchten?
Ich glaube, nicht alle wissen, wie wichtig der C1-Kurs ist. Früher hat B2 gereicht. Aber heute reicht es nicht mehr. Man muss unbedingt den C1-Kurs machen. Es ist sehr wichtig, wenn es um Arbeit und Studium geht.
HINTERGRUND
Seit Jahresbeginn dürfen wegen des knappen Bundeshaushalts keine neuen C1-Sprachkurse mehr beginnen – obwohl sie laut VHS dringend gebraucht würden.
Deshalb seien die Sprachkurse wichtig
„Die Sprachkurse sind wichtig für unsere Wirtschaft und gegen den Fachkräftemangel“, erklärt Jürgen Beckstette, Leiter der VHS Delmenhorst. „Umso unverständlicher ist es uns, dass seit Beginn des Jahres keine neuen C1-Kurse beginnen. Wir schauen nach Berlin und hoffen, dass auch C1-Kurse weiterlaufen, die hier dringend benötigt werden.“
70 Personen auf der Warteliste
Derzeit werden 26 Personen, die sich bereits 2024 angemeldet hatten, über Landesmittel finanziert. Weitere 70 Personen stehen auf der Warteliste.
Absolventinnen und Absolventen erhielten Zertifikat
15 Teilnehmerinnen und ein Teilnehmer haben diese Woche ihr C1-Zertifikat an der VHS Delmenhorst erhalten. „C1 ist das höchste Sprachniveau, das wir an der VHS vermitteln“, erklärt Beckstette. Die Einordnung der Sprach-Niveaus erfolgt nach dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen (GER). Die Skala reicht von A1 (Anfänger) bis C2 (Muttersprachler).
Für diese Berufe ist das C1-Sprachniveau wichtig
Auf dem C1-Niveau können sich Absolventinnen und Absolventen klar, strukturiert und ausführlich zu komplexen Themen äußern – beruflich wie privat. Gerade in Berufsfeldern wie Medizin, Pflege oder Pädagogik ist dieses Niveau laut Beckstette entscheidend.
Kursteilnehmende brächten Berufserfahrung mit
Viele Kursteilnehmende brächten bereits Berufserfahrung und Studienabschlüsse mit. „Das sind hochqualifizierte Kräfte“, sagt Radosveta Hofmann von der VHS. Es scheitere jedoch oft an der deutschen Arbeitsstruktur – etwa dem Schreiben von Protokollen. Der 400-stündige C1-Kurs würde genau diese Kompetenzen vermitteln. „Die Motivation der Absolventen ist beeindruckend. Das sind auch Menschen aus der Ukraine, die nicht mal wissen, ob sie hierbleiben. Das ist nicht nur beeindruckend, sondern auch berührend“, berichtet Hofmann.
In Deutschland brauche man gute Deutschkenntnisse
Auch stellten Beckstette und Hofmann fest, dass es für die Ausübung eines Berufes in Deutschland oft gute Deutschkenntnisse brauche.