In der Gemeindeverwaltung gibt es bisher keine einheitlichen Regeln für den Gebrauch geschlechtergerechter Sprache. Die Gruppe Gemeinsam Stark für Lilienthal, welche unter anderem CDU- und FDP-Mitglieder zählt, sprach sich nun für das generische Maskulinum aus. Foto: Utke
Lilienthal

„Das bringe ich nicht über die Lippen“

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Lilienthaler Ausschuss darüber, ob und wie die Verwaltung geschlechtergerechte Sprache nutzen sollte

Eine Aufgabe der Verwaltung fand ihren Weg in die Sitzung des Ausschusses für Haushalt, Soziales, Ordnung, Feuerwehr und Senioren. Am vergangenen Dienstag erhitzte die Frage die Gemüter, ob und wie die Gemeinde auf geschlechtergerechte Sprache in ihren Veröffentlichungen achten solle. Dabei ist der Ausschuss gar nicht zuständig.

Die Gruppe Gemeinsam Stark für Lilienthal hatte beantragt, dass die Gemeindeverwaltung „in ihrer Kommunikation zukünftig auf das sogenannte ‚Gendern‘“ verzichten möge. Die Begründung: Sternchen, Doppelnennungen oder Binnen-I erschwerten das Leseverstehen, seien umständlich, und das generische Maskulinum biete „eine bewährte und grammatikalisch korrekte Form, die alle Menschen einschließt.“

Diese Ansicht teilen allerdings nicht alle Menschen, die die Gruppe durch das generische Maskulinum ansprechen will. „Ob Sie sich das gut überlegt haben“, wollte Kai Becker im Rahmen der Einwohnerfragestunde wissen.

Becker hat keinen Geschlechtseintrag, und ist auch „sehr glücklich darüber“. In dem Antrag sieht Becker eine Vielzahl von Problemen. Eines davon: Durch die Nutzung des generischen Maskulinums oder einer binären Doppelnennung – Bürgerinnen und Bürger, zum Beispiel – schlösse die Verwaltung zwei Geschlechter aus, „die amtlich existieren“. Nämlich Menschen ohne Geschlechtseintrag beziehungsweise Menschen mit dem Geschlechtseintrag divers. „Mich würde die Verwaltung also nicht mehr ansprechen“, resümierte Becker.

Damit könnte die Verwaltung gegen geltendes Recht verstoßen. Die unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, Ferda Ataman, geht davon aus, „dass Genderverbote für die Amtssprache zu Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nicht-männlicher Personen und des Gleichbehandlungsgrundsatzes führen können.“ Tanja Ruczynski, Ausschussmitglied für Gemeinsam Stark für Lilienthal, erwiderte hierauf, „das Juristische müsste an die Verwaltung gehen“.

Glottenschlag wie bei Spiegelei

„Wie soll ich Sie denn ansprechen?“, fragte Ruczynski Banneecker in diesem Zuge. „Nutzen Sie den Glottenschlag“, erläuterte Becker. „Wie bei Spiegelei. Ich bin Bürger:in.“ Doch Ruczynski vermochte mit diesem Rat nur wenig anzufangen: „Das kriege ich nicht hin, ich sträube mich da sehr gegen. Es tut mir Leid, aber das bringe ich nicht über die Lippen.“ Becker entlockte dies die ungläubige Antwort: „Sie können also nicht Spiegelei sagen?“

In ihrem Antrag argumentieren die Mitglieder von Gemeinsam Stark für Lilienthal, die „Verwaltung sollte politisch und ideologisch neutral agieren.“ Das sehen sie nur ohne Gendern gegeben. Ob dies auch auf Doppelnennungen der männlichen und weiblichen Form abzielt, geht aus dem Antrag nicht klar hervor. So heißt es im ersten Absatz des Antrags, die Verwaltung solle auf „Doppelnennungen oder Binnen-I“ verzichten. Im letzten Absatz heißt es hingegen, „dass keineswegs das Verwenden der männlichen und weiblichen Form“ untersagt werden solle.

Wiederholt verwies Ruczynski darauf, dass Sprache „eine persönliche Sache“ sei, „jeder geht anders damit um“. Andreas Strassemann, Grundmandatsträger für die Linke im Ausschuss, hielt dem entgegen: „Wir sind hier im politischen Raum“. Entsprechend gehe es bei dem Antrag nicht um persönliche, sondern politische Belange. „Es ist Diskriminierung. Ob man das absichtlich oder nicht macht, ist egal. Es ist Diskriminierung“, ist er überzeugt. Besonders der letzte Absatz des Antrags zeige, „was eure Ideen dazu sind, wie man mit Sprache umgeht und besonders, wie man mit Menschen umgeht, die bei dieser Formulierung ausgeschlossen sind.“

Gegenwärtig gibt es in der Gemeindeverwaltung keine festen Regeln, ob und wie Sprache geschlechtergerecht gestaltet werden soll. Diese seien aber in Arbeit, berichtete Jürgen Weinert, Leiter der Stabsstelle der Gemeinde. Als Teil der laufenden Verwaltung unterstehen Entscheidungen hierzu dem Bürgermeister – der Ausschuss war entsprechend nicht in der Position, eine Entscheidung zu fällen. „Das Thema wird hier auch nicht mehr auftauchen“, beendete Weinert den Tagesordnungspunkt.

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