Vor fünf Jahren begann die Erweiterung des Gemeindezentrums der Klosterkirche. Dass diese Erweiterung auf dem Gelände des ehemaligen Friedhofs erfolgen würde, war bekannt. Um möglichst wenig der bis 1872 betriebenen Ruhestätte ausheben zu müssen, setzte die Gemeinde auf eine Pfahlbauweise – dennoch kamen im Zuge der Arbeiten einige Skelette zum Vorschein. Nach einer mehrjährigen anthropologischen Untersuchung an der Universität Göttingen kamen die Gebeine kürzlich nach Lilienthal zurück und wurden erneut beigesetzt.
Das genaue Alter der Skelette ist auch nach ihrer Untersuchung unklar. „Seit das Kloster in Betrieb war, wurde hier beigesetzt“, berichtete Pastor Volkmar Kamp im Zuge eines Vortrags der Göttinger Anthropologin Birgit Großkopf, welche die Skelette untersucht hatte. Auch lassen sich die einzelnen Knochen keinen Individuen mehr zuordnen. Dafür wäre eine DNA-Analyse notwendig gewesen, welche Großkopf und ihr Team aufgrund der damit einhergehenden Kosten und des hohen Arbeitsaufwands unterließen. Bekannt sind jedoch die Namen der Familien, deren Gräber zuletzt an den ausgehobenen Stellen platziert waren. So befinden sich unter ausgegrabenen Ahnen möglicherweise Mitglieder der Familien Gefken, Rodenburg, Kellner, Ahrens, Meyer, Frehrens, Gieschen, Kastens, Kientzel, Meyerdiercks und Hein.
Wie lange Knochen überdauern, sei stark von ihrer Umgebung abhängig, berichtete Großkopf bei ihrem Vortrag. Entsprechend lässt sich auch aus der Auflistung der Familiengräber nicht sicher ableiten, welchen Familien die Menschen angehörten, deren Knochen in Göttingen zur Untersuchung vorlagen. Mindestens zehn Individuen seien es gewesen, die ihr Team untersuchte, so Großkopf.
Viel an Skeletten gearbeitet
„Wichtiges Quellenmaterial für die Anthropologie“ seien die Gebeine gewesen, erzählt die Forscherin. Besonders Studierende hätten viel mit den Skeletten gearbeitet und an ihnen geübt. Bei ihrem Vortrag zeigte Großkopf anhand von Bildern der Gebeine verschiedene anthropologische Methoden auf, beispielsweise zur Bestimmung des Sterbealters. Überwiegend seien es „sehr junge und sehr alte“ Personen gewesen. Das sei ganz normal, erklärte sie. „Man konnte auch damals 80 werden.“ Nur sei die Kindersterblichkeit sehr hoch gewesen, weshalb die durchschnittliche Lebenserwartung insgesamt geringer war als heute.
Von den nun untersuchten Individuen auf allgemeine Lebensumstände oder auch soziale Verhältnisse zu früheren Zeiten zu schließen, bezeichnete Großkopf als „sehr schwer“, und hielt sich entsprechend mit Urteilen zum Lilienthaler Leben der Vergangenheit zurück. „Waren die Lilienthaler besonders auffällig?“, wollte eine Zuhörerin im Anschluss an Großkopfs Vortrag wissen. Die Antwort der Anthropologin: „Nein.“ Alle festgestellten Merkmale, Erkrankungen und Veränderungen der Skelette lägen im „üblichen Spektrum“, so Großkopf.
Einen Tag nach dem Vortrag folgte dann die Beisetzung. In einem gemeinsamen Sarg trugen Lilienthaler Bürger jene zu Grabe, die vor ihnen in der Gemeinde lebten. An den beigesetzten Knochen früherer Lilienthalerinnen und Lilienthaler ist nun mindestens dies auffällig: Zweimal beerdigt, das werden die wenigsten.