Weser Report: Herr Bollhagen, wie bewerten Sie die Lage für Familienunternehmer in Deutschland allgemein und in Bremen speziell?
Peter Bollhagen: Im dritten Rezessionsjahr in Folge braucht es endlich eine Wirtschaftswende. Wir Familienunternehmer haben da große Erwartungen an die neue Bundesregierung. Und erste Schritte werden gemacht, was bei den Unternehmen für Zuversicht sorgt. Aber bitte nicht nur im Sinne von Schulden für künftige Generationen, sondern auch im Sinne von Bürokratieabbau, von Erleichterungen und von Wertschätzung für die Wirtschaft.
Ganz konkret, welche bürokratischen Belastungen stören Sie am meisten?
Es sind die Berichtspflichten, die mittlerweile von allen Ebenen und in allen Bereichen kommen. Hinzu kommen lange Planungs- und Genehmigungsverfahren. Deswegen ist die wichtigste Maßnahme, die Schwarz-Rot bis zur Sommerpause anpacken muss, der Bürokratieabbau. Es geht darum, dass die Unternehmen wieder mehr in Deutschland investieren und neue Arbeitsplätze aufbauen. Ich habe nebenbei noch eine kleine Exportfirma. Auf was ich da alles achten muss, etwa dass meine Partner in Äthiopien keinen Fehler machen. Das kostet viel Arbeitszeit.
Und in Bremen?
Natürlich die Ausbildungsplatzabgabe. Wenn man – wie ich – das Formular schnell und gewissenhaft ausfüllt und dann doch ein Schreiben mit einer Androhung von bis zu 500.000 Euro Strafe erhält, endlich das Formular auszufüllen, dann merke ich, dass wir hinter dem Mond leben. Ich habe den Vergleich mit Spanien. Wie schnell ich dort online mit dem Finanzamt kommunizieren kann. Hier hingegen braucht man für jeden Bankeinzug eine Unterschrift auf Papier.
Jetzt sind wir bei der Digitalisierung…
Ich wünsche mir ein Bremen, das den Anspruch erhebt, Vorreiter bei der Digitalisierung zu sein – so wie die baltischen Staaten. Das wäre mein Traum. Wir haben eine so schön überschaubare Struktur. Das könnte man gut angehen.
Was fehlt dazu?
Eine Verwaltung, die das will. Ich würde mir zum Beispiel wünschen, dass man mir online bearbeitbare Formulare zur Verfügung stellt und keine Formulare, die man sich ausdrucken muss, um sie auszufüllen, um sie dann wieder einzuscannen und an die Verwaltung zu schicken
Wir haben das Thema schon gerade gestreift: Wie ist die Lage auf dem Ausbildungsmarkt? Gibt es genügend Bewerberinnen und Bewerber?
Die letzten Zahlen, die ich gehört habe, sind, dass es 1.500 unbesetzte Ausbildungsstellen gibt. Ich kenne genug Betriebe, die suchen. Wenn ich niemanden finde, muss ich trotzdem die Ausbildungsplatzabgabe zahlen. Das Problem ist: Ich finde niemanden. Zudem: Bewerber sind ganz häufig unzureichend qualifiziert. Selbst als Maler brauchen wir jemanden, der „Guten Tag“ und „Auf Wiedersehen“ sagen kann und der halbwegs in Wort und Schrift arbeiten kann.
Bilden Sie aus?
Ab August habe ich sieben Lehrlinge aus sieben verschiedenen Nationen. Leider sehe ich nicht immer die großen Unterschiede zwischen einem bremischen Schulabgänger und jemandem, der das Sprachniveau B1 in Integrationskursen gelernt hat. Wir haben da ein echtes Defizit. Und wir haben ein Defizit, was die Grundwerte angeht, zu wollen, Einsatz zu zeigen, pünktlich zu sein. Das sind Voraussetzungen für jede Tätigkeit. Auch ein Auszubildender repräsentiert ein Unternehmen. Ich erwarte von niemandem, dass er vom ersten Tag an den Beruf beherrscht. Das bringen wir ihm in drei Jahren bei. Aber die Umgangsformen müssen sitzen. Das ist Bestandteil jedes Vorstellungsgesprächs. Bei uns arbeitet auch niemand, der nicht vorher ein Praktikum gemacht hat.
Was muss sich in der Bremer Bildungslandschaft verändern, damit mehr Bewerber den Ansprüchen der Unternehmer genügen?
Wenn selbst Schüler mit Oberschul-Abschluss Schwierigkeiten haben, Deutsch und die Grundrechenarten zu beherrschen, dann stimmt etwas in der Struktur nicht. Ich habe das Gefühl, dass es sehr maßgeblich von den Lehrkräften abhängt. Ich erlebe aber auch Lehrkräfte, die einfach resignieren, weil sie keine Rückendeckung bekommen, wenn sie härtere Anforderungen stellen. Man muss mit dem Stahlbesen reingehen und an den Strukturen arbeiten. Ich glaube, dass es eine sehr hohe Bereitschaft bei sehr vielen Lehrkräfte gibt, das anders zu machen. Es kann ja nicht die Lösung sein, dass Eltern ihre Kinder nur mit Nachhilfe oder über andere Schulformen durchbringen und für alle anderen Kinder, wo die Eltern das nicht leisten können, der Weg vorbestimmt ist.