Wahrscheinlich haben die meisten von uns schmerzhaft in Erinnerung, wie es ihnen als Kind versagt blieb, das große Los auf dem Jahrmarkt zu ziehen. Wir haben mit 120 Losen versucht, dieses Trauma zu überwinden.Was es heißt, neidisch zu sein, lernt wohl jedes Kind spätestens während seines ersten Jahrmarktbesuchs.
120 Lose für 20 Euro galt es zu pulen. |
Geht ein Altersgenosse mit einem riesigem Plüsch-Hauptgewinn vorbei, während man sich selbst mit einem popeligen Minischraubendreherset aus chinesischer Herstellung zufrieden geben soll, ist der Schmerz kaum auszuhalten. Erwachsen, mit etwas mehr Geld in der Tasche als zu Kindertagen, machen wir uns auf zur Osterwiese, diese Scharte auszuwetzen.
20 von 100 Losen müssen Gewinne sein
Wir entscheiden uns für die Losbude „Silbermine“ von Lars Kellner. Dort bekommen wir für 20 Euro ganze 120 Lose. Kellner, dessen Eltern schon im Glücksgeschäft waren, rät uns zu „streuen“ – also uns aus allen drei Lostöpfen zu bedienen. Wir wühlen und wenden, drehen und buddeln uns durch die Eimer gefüllt mit unzähligen grauen Loskärtchen mit perforierten Rändern. Wie hoch ist eigentlich die Gewinnchance, fragen wir. „20 von 100 Losen müssen Gewinne sein. Das schreibt das Gesetz vor. Bei mir sind es mehr“, verspricht Kellner.
Jetzt sind wir total aufgeregt, das Kind in uns ist zurück – wir wollen sofort lospulen, endlich die Schmach von damals ungeschehen machen. Doch Kellner bremst uns, einfach so loszulegen: „Die Einstellung muss stimmen. Hier liegen Freud und Leid so dicht beieinander, da muss man positiv denken.“ Wir geben alles, denken ununterbrochen positiv und knibbeln die widerspenstigen Glücksbriefchen auf: Niete, Niete, Niete – das gibt es doch nicht. Die Wut von damals fängt an, hoch zu kochen.
„Gewinn, Gewinn, Gewinn“, ruft meine Kollegin. Und auch ich kann es nicht fassen, ein Gewinnlos nach dem anderen reiße ich auf. Kellner bremst uns: „Nicht die Quantität, sondern die Qualität ist entscheidend.“ Wir machen weiter. Grüne, gelbe, blaue „Dollarscheine“ sammeln sich in unseren Jackentaschen.
Endlich – ein Päckchen weniger zu tragen.
Am Ende zählen wir mit zittrigen Fingern 50 Gewinnlose, darunter zwei „Special Dollar“ und 70 Nieten – was für eine Ausbeute. Mit weichen Knien überreichen wir Kellner den Stapel. Ein unerträglicher langer Moment des Wartens folgt. Dann die Erlösung. Kellner posaunt über seine Lautsprecher-Anlage heraus, dass wir die freie Wahl haben.
Wir, das heißt meine Kollegin, entscheidet sich ohne zu zögern für einen Riesen-Minion. Endlich – ein Päckchen weniger zu tragen. Obwohl wir beide unsere Väter vermissen, denen man das flauschige Viech für den restlichen Osterwiesebummel in die Hand drücken kann. Aber wir wollen nicht undankbar sein. (kat/im)
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Weser Report-Redakteure im Glück: Katja Wille (l.) und Ilja Mertens (r.) bekommen von „Glücksfee“ Lars Kellner ihren ersten Hauptgewinn überreicht.Fotos: Barth |