Böhrnsen: Klare Signale in Berlin für Bremen

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Der Bremer Bürgermeister im Gespräch    Foto: Schlie

Die Bundesregierung steht hinter Bremen – und seinen Finanznöten. Das berichtet Bremens Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD) nach Gesprächen mit dem Bundesfinanzminister und weiteren Länderchefs. Er ist deshalb optimistisch.

Der SPD-Politiker will sich aber besonders für einen sozialen Arbeitsmarkt einsetzen, wie er im Interview mit dem Weser-Report erklärt.

Weser Report:  Sie werden die rot-grüne Koalition nach der Wahl  fortsetzen? 

Jens Böhrnsen:  Die SPD hat ein Regierungsprogramm mit klarem sozialdemokratischem Profil aufgestellt. Ich mache keinen Wahlkampf für eine Koalition, sondern für eine starke SPD. Über Koalitionen spricht man nach der Wahl. Aber es ist ja klar: Eine Koalition, die gut und vertrauensvoll arbeitet, ist für mich auch die erste Wahl.

Es würde sich auch die CDU anbieten. Frau Motschmann betont das ja.

Ich habe mit Frau Motschmann früher gut zusammengearbeitet. Die CDU hat immer noch ein großes Problem mit der Glaubwürdigkeit. Sie gibt vor, sie habe die Armut als Thema erkannt. Ich denke, das glaubt in Bremen niemand. Die CDU hat sich gegen den Mindestlohn gestellt und wollte die Gewoba verkaufen.

Wenn man sich die Thesen der Parteien ansieht, könnte man sich fragen, ob SPD und CDU überhaupt unterscheidbar sind. Versuchen nicht alle, eine Politik der Mitte zu machen? 

Die SPD ist die einzige Kraft, die die sozialen Zusammenhänge im Auge behält. Bremen soll ein starker Wirtschafts- und Industriestandort sein, und uns geht es auch darum, dass faire Arbeit entsteht. Nicht durch Werkverträge oder befristete Arbeitsverhältnisse, sondern durch sozialversichungspflichtige Arbeitsplätze. Deswegen war Bremen auch das erste Bundesland, das ein Mindestlohngesetz gemacht hat, und eines der ersten, das dafür gesorgt hat, dass öffentliche Aufträge nicht vergeben werden, wenn es um Dumpinglöhne geht. Und wir haben den sozialen Wohnungsbau wiederbelebt.

Dabei braucht Bremen aber  Unterstützung aus Berlin.

Wir setzen uns in Berlin dafür ein. Wenn Menschen von ihrer Arbeit nicht leben können, weil sie nur Werkverträge oder Minijobs bekommen, dann brauchen wir gesetzliche Regelungen in Deutschland, die das Werkvertragsunwesen eindämmen. Auch Leiharbeit darf nicht missbraucht werden. Und wir  müssen mehr für Alleinerziehende tun, sei es durch steuerliche Verbesserungen oder sei es durch die Stärkung der Kinderbetreuung.

Wie wollen Sie denn die Werkverträge und Leiharbeit anpacken?

Ich war vergangene Woche mit Andrea Nahles in Tenever. Da haben wir uns im Mütterzentrum mit vielen Frauen unterhalten, die als Langzeitarbeitslose in Schwierigkeiten stecken. Für mich war das der Beweis, dass wir einen sozialen Arbeitsmarkt mit öffentlicher Beschäftigung brauchen. Andrea Nahles hat dort erklärt, dass sie über gesetzliche Regelungen das Werkvertragsunwesen eindämmen will. Da ist etwas aus dem Ruder gelaufen.

Der Mindestlohn war schon höchst umstritten in der Koalition. Können Sie als SPD da überhaupt noch mit Werkverträgen nachlegen?

Die Union war zögerlich beim Mindestlohn. Wir haben ihn durchgesetzt. Jetzt müssen wir uns auf die weiteren Schritte konzentrieren. 421.000 Menschen haben in Bremen Arbeit, so viele wie noch nie. Doch es gibt viele Branchen, in denen die Werkverträge auf dem Vormarsch sind. Den Kampf dagegen unterstützen wir auch mit unserer Wirtschaftsförderung: Investitionsförderung für Unternehmen knüpfen wir daran, dass ordentliche Arbeitsplätze geschaffen werden. Minijobs und Leiharbeit fördern wir nicht mit Steuergeldern. Aber wir brauchen Bundesregelungen. Arbeit darf nicht immer billiger werden, sondern sie muss so bezahlt werden, dass Menschen davon leben können.

Das Bremer Jobcenter hat vier Millionen Euro an den Bund zurückgegeben, weil Fördergelder für den sozialen Arbeitsmarkt nicht bewilligt worden sind. Wie bewerten Sie das?

Ich bin völlig unzufrieden damit, dass das Jobcenter nicht alle Mitteln für gute Zwecke ausgibt. Es geht gar nicht, dass Geld zurücküberwiesen werden muss. Das sind verpasste Chancen. Wir wollen in Bremen den sozialen Arbeitsmarkt schützen, auch wenn die Hilfe vom Bund zu wünschen übrig lässt.

Die Wahlbeteiligung sinkt. Ist den Menschen die Politik im Land Bremen bald egal?

Überall in Deutschland haben wir leider dieses Problem. Wir müssen alle dafür werben, dass der Wahltag eine Gelegenheit ist, sich einzumischen. Mut macht, dass viele junge Menschen wählen. In Bremen darf man ja ab 16 Jahren wählen. Ich erlebe, dass man sich in ganz vielen Schulen auf die Wahl vorbereitet.

Das hat aber bei der vergangenen Bürgerschaftswahl noch nicht so gefruchtet?

Die Wahlbeteiligung der 16- bis 18-Jährigen war höher als die Beteiligung der um die Zwanzigjährigen. Wir müssen daran arbeiten, sie zu halten.

Die Selbstständigkeit Bremens steht aber für Sie nicht zur Debatte?

Es gibt niemanden im Kreis der 16 Länder, der die Existenz eines anderen Landes in Frage stellt. Da herrscht große Kollegialität. Da niemand in Deutschland über die Aufgabe der Selbstständigkeit des Landes Bremen redet, sollten wir das in Bremen auch nicht tun. Ich empfehle, dass wir das Selbstbewusstsein aus unserer Geschichte, aber auch aus unserer Wirtschaftskraft ziehen. Ich war am Mittwoch in Berlin. Der Bundesfinanzminister hat mit Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz, Saarlands Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer und mir die Finanzaustattung der nächsten Jahre diskutiert. Das Ergebnis werde ich noch nicht mitteilen, aber ich sage: Ich bin sehr zuversichtlich. Man ist auch dort überzeugt, dass Bremen, wie das Saarland, weiter die solidarische Unterstützung des Bundes und aller Länder bekommt.

Sie verhandeln jetzt die Bund-Länder-Finanzbeziehungen. Wird da auch über Altschulden gesprochen?

Die Verhandlungen haben in den vergangenen Wochen richtig Fahrt aufgenommen. Ich halte es für möglich, dass wir noch vor dem Sommer eine grundlegende Weichenstellung erreichen. Am 18. Juni findet die nächste Ministerpräsidentenkonferenz statt. Alle Gespräche, die im Moment dazu geführt werden, dienen auch dazu, dass es vor dem Sommer noch zu Ergebnissen kommt. Der Zeitpunkt ist gut, weil im nächsten Jahr viele Landtagswahlen folgen und 2017 die Bundestagswahl.

Die Flüchtlinge sind ein großes Problem für Bremen. Wie wollen Sie damit umgehen?

Ich bin sehr dankbar für die solidarische Stimmung in der Stadt. Das zeichnet Bremen aus. Weil viele Flüchtlinge hier bleiben, heißt die Aufgabe: Integration vom ersten Tag an. Der Bund hilft, aber er tut  zu wenig. Bremens Antrag zur Sprachförderung  wird in  den Ausschüssen des Bundesrates behandelt. Es geht aber auch um die Beteiligung des Bundes an den Kosten der Gesundheitsförderung und um die Unterbringung. Das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und es ist keine Selbstverständlichkeit, dass alle, auch die Beiräte, dies in Bremen mittragen.

Sie fürchten nicht, dass die Stimmung in der Stadt umschlägt?

Wir müssen alles dafür tun, dass das nicht passiert. Natürlich gibt es auch Vorbehalte, Ängste und Sorgen. Eltern fragen sich, was passiert, wenn Flüchtlingskinder in die Schulen kommen. Zuwanderung ist schwierig. Wir müssen über diese Ängste sprechen. Aber man muss auch denen entschlossen entgegentreten, die mit Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Ausgrenzung ihr Süppchen kochen wollen. Dafür treten wir auch mit unserer Initiative „Bremen ist bunt“ ein. Wir haben uns da alle versprochen, dass jeder in seinem Bereich etwas tut, von den Kirchen bis zum SV Werder – und das setzen wir fort.

Das Gespräch führten Annette Kemp und Florian Hanauer

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